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Alexander Borell Kommentar

Die Neue aus Schweden:

Hasselblad 2000FC

Man sprach schon lange darüber, daß "die Hasselblad" allmählich in die Jahre gekommen war. Man erwartete auch ein neues Modell, aber niemand verband mit dieser Erwartung sehr klare Vorstellungen. Denn einerseits tat diese Kamera, zusammen mit einem unerhört ausgefeilten und umfangreichen Zubehör ja alles, was ein Fotograf verlangte, mit ihrer bekannten Mischung aus kapriziöser Diva und unverwüstlichem Ackergaul. Andererseits wird schließlich jeder Verbraucher, wenn er fast ein Vierteljahrhundert mit einer Kamera gearbeitet hat (die erste Hasselblad Mod. 1600 F wurde 1948 vorgestellt!), ein wenig markenmüde. Kurz, eine neue Hasselblad lag in der Luft. Als man sie dann aber am 9. 3. 77 im Plaza-Hotel in Hamburg wirklich zum ersten Mal in die Hand bekam, war man doch innerlich im höchsten Spannungszustand, der sich auf beide Seiten gleichmäßig verteilte: Auf uns Berichterstatter und auf die Herren aus Schweden.
Als dieses wohlgehütete Geheimnis endlich vor mir stand, war mein erster Eindruck ein tiefes Bedauern, daß ich mir die Mühe gemacht hatte, nach Hamburg zu fahren. Denn da stand ... wieder nur eine Hasselblad.
Es gibt einen alten Grundsatz: Je weniger man zu sagen hat, desto länger muß man reden. In Hamburg geschah das Gegenteil: es war über die neue Hasselbad 2000 FC so vieles zu sagen, daß die Herren aus Schweden zu den instruktiven Dias nur sehr kurz zu reden hatten, - alles andere sagte die Kamera selber.

Wichtigstes Merkmal der 2000 FC: Sie ist nicht größer als alle anderen Hasselblads, und es paßt alles an dieses neue Modell, was bisher an eine Hasselblad gepaßt hat. Und trotzdem unterscheidet sie sich wesentlich von den bisherigen Modellen. Sie hat einen Schlitzverschluß, und dazu auch neue Objektive, natürlich ohne den eingebauten Zentralverschluß. Es standen vier dieser neuen Objektive zur Verfügung, Objektive, die die alten Fotografenherzen wieder schneller schlagen ließen (sogar bei meinem hartgesottenen Profikollegen Fritz Meisnitzer beobachtete ich eine solche Regung!) Oder ist das etwa nichts:
Standardobjektiv: 2,880, mit Naheinstellung bis 0,60 m.
Weitwinkel: 2,8/50, mit Naheinstellung bis 0,32 m.
Leichtes Tele: 2,0 (!)/110, mit Naheinstellung bis 0,8 m
Teleobjektiv: 2,8/150 mm, mit Naheinstellung bis 1,4 m.
Alle diese neuen "F-Objektive" unterscheiden sich von den bisherigen "C-Objektiven" durch längeren Auszug und teilweise beträchtlich höherer Lichtstärke. Hinzu kommt noch ein breiter und sehr griffiger Einstellring für die Entfernung sowie eine wesentlich verbesserte Lichtwertkupplung, sofern man diese überhaupt anwenden will. Denn der Ring für die Verschlußzeiten ist vorne am Kameragehäuse eingebaut, mit dem linken Daumen spielend leicht zu bedienen und ebenso leicht zu arretieren. War das Einstellen der C-Objektive bisher ein nicht immer ganz überzeugendes Hantieren, so läßt es sich mit diesen F-Objektiven ebenso rasch, sicher und handlich umgehen, wie mit einem guten KB-Objektiv. Die Finger signalisieren dies sofort dem Hirn. Da dieser Schlitzverschluß, der übrigens quer abläuft und aus Titanium-Lamellen besteht, elektronisch gesteuert wird, lassen sich auch alle Zwischenzeiten einstellen. Man hat die Skala von B bis zur 1/2000 Sekunde zur Verfügung. Um tatsächlich eine derartig kurze Belichtungszeit zu produzieren, müssen die beiden Vorhänge des Verschlusses außergewöhnlich beschleunigt worden. Während bisherige Systeme im Mittelformat Werte von etwa 2 Meter pro Sekunde erreichen, arbeitet der neue Hasselblad-Verschluß mit 6 Metersekunden! Es läßt sich nicht vermeiden, daß man das hört: leise ist dieser Verschluß nicht, und es stellt sich die Frage: braucht man eigentlich überhaupt eine 1/2000 Sekunde? Die Antwort ist ein klares Ja.
Bitte überlegen Sie: Wenn wir besonders schnelle Bewegungen einfangen wollen, greifen wir häufig zum kurzen Elektronenblitz. Bei Studiogeräten blitzt das aber recht gemütlich, etwa nur 1/200 Sekunde, also zehnmal so langsam. Unsere Amateurblitze schaffen die 1/1000 Sekunde, außer bei Computern im Nahbereich. Mit der 1/2000 Sekunde des neuen Hasselblad-Verschlusses schaffen wir aber bei entsprechendem Licht die echte 1/2000 Sekunde. Das bedeutet absolutes "Einfrieren" fast jeder Bewegung. Für Profis ein erfüllter Traum, für Amateure ein neues Feld zu kreativer Fotografie von Bewegungsabläufen.
Darüber hinaus ermöglicht diese enorme Beschleunigung auch eine bisher für dieses Format (beim Schlitzverschluß!) kaum erreichte 1/90 Sekunde für die Blitz-Synchronisation.
Aber die 2000 FC bietet noch einige Vorzüge mehr, die z. T. in der neuen Aufzugskurbel eingebaut sind. Es gibt nämlich in der Mitte der Kurbel nicht nur die Möglichkeit, durch einfachen Druck eine oder mehrere Doppelbelichtungen zu machen, sondern man kann ein kleines Stellrad auf drei Stellungen programmieren: Bei Stellung "2" kehrt der Spiegel sofort nach der Aufnahme im Sekundenbruchteil (1/30 sek.) in seine Ausgangslage zurück. Das geschieht so schnell, daß man es mit dem Auge kaum wahrnehmen kann. Für alte "Hasselblad-Hasen", die anderes gewöhnt sind, gibt es die Stellung "1". Hier bleibt der Spiegel nach dem Auslösen oben, das Sucherbild ist dunkel und erinnert den Fotografen daran, daß er erneut spannen muß, was z. B. vor einem Objektivwechsel nötig ist. Und schließlich löst die Stellung "0" den Spiegel vor der Aufnahme aus, um schlagfrei arbeiten zu können.
Unmittelbar unter der Kurbel befindet sich ein "Vor-Auslöse-Hebel", der alle Funktionen steuert, so daß beim tatsächlichen Auslosen in minimaler Zeit nur noch der Verschluß abläuft. Stellt man den Verschluß beim Blitzen versehentlich auf eine Zeit über 1/90 sek., so wird der Blitz automatisch nicht gezündet: eine der vielen Selbstkontrollen dieser Kamera.
Wie schon erwähnt, wird der Verschluß elektronisch gesteuert.
Dazu befindet sich an der linken Kameraseite eine "Schublade` mit einer 6-V-Batterie. Dieser Einschub ist so konstruiert, daß auch eine überalterte und ausgesalzene Batterie die Kamera selber nicht gefährden kann. An den Körper dieser 2000 FC passen sämtliche bisherige Magazine. Der einzige Punkt, der mich an dieser prachtvollen Kamera stört, ist die Tatsache, daß ich immer noch nicht weiß, wohin mit dem Kassettenschieber während der Arbeit. Hierzu mein Vorschlag: Wer sich in Basel ein Monteverdi-Auto kauft, bekommt für die rund DM 120000,- eine hübsche Krawatte mit dazu, die Peter Monteverdis Signum, eine kleine Krone, trägt. Vielleicht sollte es ein "Hasselblad-Hemd" für den Fotografen geben, in dezentem Taubenblau, mit einem Sondertäschchen für den Magazinschieber.
Und damit ist einerseits alles über diese neue Kamera gesagt, andererseits fängt hier die Sensation, die echte Sensation erst an: Es lassen sich nämlich an der neuen 2000 FC sämtliche bisherigen C-Objektive verwenden! Und nicht etwa, wie man das von anderen Konstruktionen und kürzlich erschienenen "Renovationen" her kennt, über irgendwelche Adapter, die Funktionen einschränken, sondern können mit Ihren alten C-Objektiven, also mit dem Zentralverschluß, ohne jede Einschränkung arbeiten! Der Verschlußring an der Kamera für den Schlitzverschluß hat nämlich eine Stellung "C". Bringt man ihn in diese Stellung, läßt sich jedes C-Objektiv einsetzen und - voll benützen! Sie können dann damit z. B., wie bisher, mit jeder Verschlußgeschwindigkeit bis zur 1/500 sek. blitzen! Noch nicht genug, Sie können es auch umgekehrt machen: Sie stellen den Zentralverschluß Ihres C-Objektivs auf "B", und haben dann jede Zeit des Schlitzverschlusses zur Verfügung.
Ich halte diese totale Integration eines völlig neuen Systems in ein schon lange bestehendes, ohne Konzession an die Leistung, sondern vielmehr verbunden mit einer Leistungssteigerung, für die genialste Schöpfung auf dem fotografischen Sektor der Nachkriegszeit.
Natürlich, man wird die neuen Objektive haben wollen. Aber die alten sind nicht wertlos geworden, nicht einmal im Wert gemindert: Im Gegenteil, wer sie schon besitzt, wird sie behalten, um sich die Blitzmöglichkeiten voll zu sichern. Andererseits sind die neuen F-Objektive ungleich leichter und angenehme r zu handhaben, sei es über die Arbeitsblendenkontrolle, zu der nun auch nur ein Fingertipp nötig ist. Zusätzlich gibt es aber auch bei den F-Objektiven die Kuppelung zu Lichtwerten, wer dies wünscht.
Der "Krafteinschub" mit seiner 6-V-Batterie hat insgesamt sechs Kontakte. Zur Steuerung des Verschlusses sind im Augenblick nur zwei davon belegt. Es ist kaum anzunehmen, daß man bei Hasselblad die übrigen vier nur als Verzierung gedacht hat. Diesbezüglichen Fragen wich man zwar höflich lächelnd aus, aber wer dieses schwedische Lächeln zu deuten versteht, weiß, was dahinter steckt: Es wird zu dieser 2000 FC in nicht allzu langer Zeit ein neues Meßprisma geben, und die Kontakte würden sogar noch für eine Meßautomatik reichen, Und so dürfte, alles in allem, diese Hasselblad 2000 FC bald zu der gesuchtesten Kamera der nächsten Jahre werden.
Über die Qualität der neuen F-Objektive kann ich aus eigener Erfahrung noch nichts sagen, ich werde in nächster Zeit ausgiebig damit arbeiten. Aber eins dürfte doch außer allem Zweifel sein: Sowohl Hasselblad als auch Carl, Zeiss könnten es sich gar nicht leisten, zu dieser Kamera und zu diesen Preisen Objektive anzubieten, die nicht das beste sind, was man heute an Objektiven überhaupt herstellen kann. Damit sind wir bei den Preisen, zu denen ich an dieser Stelle und aus gutem Grund etwas Grundsätzliches sagen möchte.
Diese Kamera ist in ihrer Klasse ein hervorragendes Werkzeug für den anspruchsvollsten Fotografen. Wenn ich aber stets, oft entgegen der Meinung anderer Hersteller und deren Marketingern, - behaupte, daß es kaum auf den Preis ankomme, sondern in erster Linie darauf, daß jemand etwas unbedingt haben wolle, dann hat mir gerade Hasselblad meine Ansicht überzeugend in Hamburg bestätigt. Diese Profikamera (bisher schon kein Billigprodukt!) wurde nämlich mit 60% (!) von Amateuren gekauft! Sie kostet, mit Magazin, Lichtschacht und 2,8/80 mm F-Objektiv gute und reichliche DM 4000,-. Die Objektive liegen etwa zwischen DM 2000,- und DM 3000,- Sie bekommen also für das, was ich von Hamburg mit nach Hause brachte (Kamera, vier Objektive und Zwischenringe) ein Mittelklasseauto. Was aber bekommen Sie heute für einen zehn Jahre alten Mittelklassewagen, und für eine solche Fotoausrüstung?
Für Ihr zehn Jahre altes Auto müssen Sie bezahlen, damit es Ihnen jemand auf den Schrottplatz fährt. Für eine zehn Jahre alte Hasselblad mit vier Objektiven bekommen Sie heute noch einen recht beachtlichen Batzen Geld, und für die 2000 FC in zehn Jahren sicherlich noch mehr.
Für viele wird die 2000 FC ein Wunschtraum bleiben, für manche aber wird sie ein Ziel sein.

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