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Alexander Borell Kommentar

Die Asahi-Sisters

Teil 1: MX

Jeden engagierten Fotografen erwischt es einmal: er träumt von der idealen Kamera, die alles kann. Es blieb bisher beim Wunschtraum. Denn entweder war ein Automat zu automatisch, oder wenn alles auswechselbar war, wurde die Kamera zu groß, entweder war sie zu leicht oder zu schwer, entweder kam beim Wechsel der Suchersysteme Staub hinein, oder man konnte gar nichts wechseln, und wenn man wechseln konnte, gab's wieder weder Winder noch Motor, und wenn man das alles zusammen bekommen könnte, dann wäre es zu teuer. Was wären Sie denn bereit, für eine solche Wunderkamera anzulegen? Zweitausend Mark etwa? Also: mit zweitausend Mark sind Sie voll dabei, und nicht nur mit einer Kamera, wo's Feierabend wird, wenn einmal was passiert, sondern mit zwei Kameras, eben den neuen beiden von Asahi: Der manuell gesteuerten Pentax MX und dem Vollautomaten Pentax ME. Sie laden in die so bequem steuerbare Pentax MX Ihren Color-Film, und in den Automaten einen 30-DIN-Schwarzweiß-Film, und an beiden Kameras haben Sie obendrein Ihren Winder mit Einzel- oder Serienschaltung für 2 Bilder pro Sekunde. Wenn Sie nun noch Ihre Objektive mit Überlegung dazu auswählen, haben Sie, wovon man bisher nur geträumt hat: Die optimalsten Fotobedingungen für jegliche Situation.
Auf den ersten Blick sind die beiden Zwillinge, beim zweiten Blick merkt man jedoch, daß es zweieiige Zwillinge sein müssen, denn sie unterscheiden sich ganz erheblich in ihrem Innenleben und ihrem Charakter. Dabei geht es einem, wenn man mit beiden vertraut ist, wie guten Eltern- Jeweils das Kind, das man gerade bei sich hat, Ist einem am liebsten. Wir sprechen heute über die feinnervige, kapriziöse Könnerin Pentax MX.

Daß sie z. Z. die kleinste SLR-Kamera der Weit ist, und daß sie ihre "olympische` Konkurrenz um Millimeter geschlagen hat, kann uns völlig egal sein: Das bringt nur den Konstrukteuren Genugtuung. Uns ist diese Kamera, wenn wir uns nicht vornehmlich in der Eiger-Nordwand aufhalten, ohnedies zu klein. Und es wäre, jedenfalls nach meiner Überzeugung, wirklich nicht richtig, in diesen neuen Pentax-Modellen mehr zu sehen, als was sie sind: Bausteine eines Systems, mit denen man fotografieren kann. Handlich und wirklich großartig werden sie erst zusammen mit dem "Winder", dieser Kombination aus Handgriff und Motorantrieb. Diese organische Einheit erst verschafft uns den vollen Genuß des Fotografierens, der auch vom Preis her voll gerechtfertigt ist: Sie kostet als kompakte Winder-Kamera runde DM 1.000,-.
Fangen wir da an, wo jeder bei der Wahl einer Kamera anfängt: Nehmen wir sie in die Hand. Natürlich mit der Rechten am Winder-Griff, der den kleinen Motor enthält. Das Ding liegt in der Hand und ... saust Ihnen vielleicht sofort aus der Hand auf die Glasplatte des Fotohändlers.
Es ist mir unbegreiflich, warum man dem Material nicht mehr Griff, eine rauhere Oberfläche gegeben hat. Hängen Sie sich diese beiden Kameras immer zuerst am Riemen um den Hals, ehe Sie damit arbeiten. Eine durch Fallen zertrümmerte Pentax MX oder ME unterliegt nicht mehr der Garantie! Später, wenn Sie sich an Ihre MX etwas gewöhnt haben, haben auch Ihre Finger gelernt, sie festzuhalten. Trotz allem, sie ist das handlichste Gerät, das ich bisher kennengelernt habe.
Als zweites folgt der übliche Blick durch den Sucher. Natürlich ist er "kristallklar", vielleicht sogar ein wenig mehr als andere, aber vor allem ist man überrascht, wieso es in einer so kleinen Kamera ein so großes und deutliches Sucherbild geben kann. Ich überblicke es auch mit Brille voll, und entdecke eine Kombination aus Schnittbild und Mikroprismen, beides nicht nur im Prospekt gut. Rechts im Sucherbild, dezent eingespiegelt, sehen Sie jeweils drei Verschlußzeiten. Also etwa 1/4, 1/8 und 1/15. Oder drei andere, die Sie je nach der fotografischen Aufgabe, eingestellt haben.
Natürlich sehen Sie diese Zeiten in der Dämmerung nicht, auch nicht, wenn rechts im Bild der berüchtigte Mann im dunklen Anzug steht. Dafür haben Sie aber auch bei der MX kein winziges Zeigerlein, das Sie auf eine der Zeiten einpegeln müssen, sondern Sie haben eine prachtvolle Illumination, etwa wie vor einem Weinbeisel in Grinzing: Rot, Orange, Grün, Orange, Rot. Grün ist, wie Sie sicherlich schon gemerkt haben, in der Mitte, und wenn's unten rot leuchtet, machen Sie die Blende solange auf, bis es über orange grün wird. Leuchtet es oben rot, schließen Sie die Blende auf grün. Grün bedeutet also immer "freie Fahrt", bzw. korrekte Belichtung. Und da Sie die Verschlußzeiten ohnedies vorher am Zeitenknopf einstellen, wissen Sie ja, was dort auf "Mitte" steht - auch im Dunkeln! -, und wenn es grün leuchtet, bekommen Sie auf jeden Fall eine richtig belichtete Aufnahme. Die MX hat also die wahlweise Kreuzkupplung zwischen Verschlußzeit und Blende.
Diese Kammerlichtspiele verbrauchen jedoch, Asahi sei's gedankt, nur dann Strom, wenn Sie wirklich messen, was auf mehrere Arten möglich ist. Sie können nämlich den Kameraauslöser verriegeln, und Sie können den Winder auf "Off" stellen. In beiden Fällen läuft der Verschluß nicht ab, wenn Sie drücken, aber die Meßdioden leuchten auf. So können Sie eine "Vorwahl-Einstellung" machen. Entriegeln Sie den Kameraauslöser und drücken ihn bei teilweise ausgeschwenktem Schnellschalthebel leicht an, leuchten die Meßdioden auf und - leuchten solange weiter, bis Sie sie mit Anklappen des Hebels wieder ausschalten. Diese Methode eignet sich für besonders ungläubige Fotografen, die weder dem Hersteller noch sich selber trauen, und am wenigsten ihrer Kamera. Wer das Leben und das Fotografieren ein wenig leichter nehmen kann, arbeitet mit dieser Pentax MX ganz anders:
Man läßt den Kameraauslöser gesperrt, schaltet den Winder auf "S", was "single" - also Einzelbild bedeutet, und tippt den Auslöser auf dem Handgriff ganz leicht an. Da Sie in Ihren Fingerspitzen vermutlich auch nicht mehr Feingefühl haben als ich, verkleckern Sie so beim ersten Film etwa 1/3 Ihrer Aufnahmen aus Versehen beim Messen. Aber dann hat es Ihr Zeigefinger gelernt und Sie messen und stellen dabei Blende oder Verschluß so schnell ein, daß Sie völlig vergessen, nicht mit einem Automaten zu arbeiten.
Was jetzt für Sie noch interessant ist? Das Filmeinlegen, natürlich, denn nach meiner Schätzung flucht man bei fast jeder Kamera zu etwa 70% über die antiquierte Filmeinlegerei. Hier hat es Asahi mit "magischen Nadeln" zu tun, kleinen Plastikstäbchen, zwischen die man den Film steckt, und die ihn - im Gegensatz zu vielen anderen "Fangspulen" - tatsächlich sofort festhalten! Daß der Schlitzverschluß waagerecht abläuft und aus Tuch besteht, interessiert nur die Konkurrenz: er funktioniert, und das genügt uns. Wollen, wir unsere Kamera unbedingt bei Einstellung auf unendlich mit dem Objektiv in die pralle Sonne legen, machen wir das lieber mit unserer Pentax ME, weil die einen Metallverschluß hat, der das besser aushält. Es stört uns daher an der MX auch nicht, daß sie nur bis zur 1/60 Sekunde synchronisiert ist. Auch diese mäßige Leistung kompensieren wir mit der ME, die 1/100 Sekunde blitzsynchron schafft (vergessen Sie hier bitte nicht: erst die beiden Asahi-Sisters machen das Leben schön, und sie kosten beide mit je einem Winder ja nur soviel, wie sonst manche Spitzenkamera allein.) Die Pentax-Objektive sind in aller Welt bekannt, es arbeiten hervorragende Profis damit, und wenn Sie Ihre Pentax-Fotos nicht auf jeder Ausstellung prämiiert finden, und sie Ihnen niemand bezahlen will, dann liegt das an allem Möglichen, nur nicht an den etwa 40 Pentax-Objektiven. Einige davon dürften auch Ihren Ansprüchen genügen.
Und da man bei Asahi diesmal erstaunlich konsequent gedacht hat - bei Kameraherstellern ist dies ein besonders bemerkenswerter Ausnahmezustand! - hat man sich auch daran erinnert, daß nicht jede Mattscheibe für jedes Objektiv gleich gut geeignet ist. Um also die MX optimal zu machen, kann man bei ihr die Einstellscheiben unter neun verschiedenen Modellen auswählen und selber wechseln. Natürlich haben Sie den "heißen Sucherschuh" für den Party-Blitz mit einigen Promille, Sie können aber auch mit großem Gerät auf kameraeigene "X" oder "FP" Kontakte gehen; und einen Selbstauslöser haben Sie auch und den vollen Film können Sie zurückspulen, ohne den Winder abnehmen zu müssen. Auch an die Lasche für den Abriß von der Filmpackung hat man nicht gespart. Daß der Winder mit einem besonderen Leuchtsignal sein Funktionieren anzeigt, ist eine der liebenswerten japanischen Köstlichkeiten. Das leuchtet nämlich nur rot, wenn der Winder arbeitet, und da unten sieht man es nicht, und den Winder hört man durch jeden Straßenlärm aber es leuchtet! Und da wir gerade von japanischen Köstlichkeiten sprechen: Wir aßen, als ich die Asahi-Sisters in Hamburg abholte, gar köstlich in einem Japan-Restaurant. Mit Stäbchen. Und da ich mit denen ebensowenig in den Mund hineinbekomme, wie ein neuimportierter Japaner ein "R" heraus, erlöste mich der hilfreiche Asahi-Boß mit einem Asahi-Kundendienst-Patent.
Für Leser, die meine Texte nur überfliegen und das Wichtigste nie mitbekommen: Ich habe diese Pentax MX extrem gut beurteilt!
Im Teil 2, im nächsten Heft, kommt die Schwester dran, die Pentax ME.

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