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Artikel

Alexander Borell Kommentar

Für 6x6-Fans:

Zenza Bronica EC-TL

Eine schnelle, universelle und anspruchsvolle 6x6-Spiegelreflex. Das Mittelformat erlebt eine Renaissance: Neue und universellere Modelle eröffnen ein Plus an fotografischen Möglichkeiten. Gleichzeitig ist unter dem Begriff "Mittelformat` nicht nur 6x6, sondern auch das attraktive Format 4,5x6 zu verstehen, das wieder schwer im Kommen ist. Diesem Mittelformat-Trend Rechnung tragend, stellt Alexander Borell eine neue Zenza-Bronica vor. Red.

Im Sonderheft zur photokina 1976 habe ich die damals völlig neue Zenza Bronica ETR 6x4,5 ausführlich kommentiert. Zugleich sagte ich auch, daß mir die ebenso neue Zenza Bronica für das Format 6x6 zur Verfügung stünde, ich würde zu gegebener Zeit darüber berichten. Nun scheint mir die Zeit gegeben, etwas über eine Kamera zu sagen, mit der ich lange genug arbeiten konnte. Die EC-TL ist ein Zeitautomat. Sie wählen also die Blende vor, die Verschlußzeit stellt sich automatisch nach den Eingaben der Filmempfindlichkeit und dem vorhandenen Licht ein. Die Messung selber erfolgt überaus rasch und ist sehr stark mittenbetont, fast schon eine Spotmessung, die zudem bei Arbeitsblende erfolgt. Das wiederum bedeutet, daß Sie zwar vollautomatisch belichten können, jedoch zum Kontrollieren der Zeit müssen Sie den "Tiefenschärfekontrollknopf" drücken. Da wir hierzulande seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr von Tiefenschärfe" sprechen, sondern von "Schärfentiefe", kann man sich ausrechnen, wie alt der Deutschlehrer in Japan ist, der diese deutsche Übersetzung des japanischen Originals der Bedienungsanleitung gestaltet hat. Ein weiterer Satz hieraus möge Sie erheitern, den Sie unter "Automatikbelichtung mit Verschlußzeitvorwahl" finden: "Die Belichtungsmessung geschieht bei Aufnahmeblende, wobei der Blendenring so eingestellt wird, daß die korrekte Blende für richtige Belichtung eingestellt ist, wenn der elektronisch gesteuerte Verschluß beim Auslösen auf die vorgewählte Verschlußgeschwindigkeit eingestellt wird.` Man sollte so etwas endlich einmal den Japanern um die Ohren hauen, denn sie nehmen von uns ja auch kein selbstgedrucktes Geld für ihre Kameras. Aber auch die Firma Linhof, jetzt Importeur und Repräsentant für die Zenza Bronica Kameras, sollte es verhindern, daß ein solches Kauderwelsch in die Hände eines Kunden kommt, der für diese Kamera immerhin runde dreieinhalbtausend Mark berappen muß. Tatsächlich ist die Bedienung dieser Kamera recht einfach, so einfach, daß man sich gut vier Fünftel dieses aufgeblasenen Textes sparen könnte, der, kommt er in die Hände eines Interessenten, diesen von einem Kauf mit Sicherheit abhält. Er meint nämlich, er müsse Dr. Dipl. Ing. sein, um Aufnahmen danach machen zu können.
Die EC-TL selber ist ein echtes Prachtstück, sowohl was die überaus saubere und zuverlässige Verarbeitung betrifft, als auch in bezug auf den Bedienungskomfort: sie liegt damit unmittelbar hinter der legendären Rollei SLX. Denn es gibt im Augenblick nirgendwo eine 6x6 Kamera als Zeitautomat, wobei die Messung noch dazu im Kamerakörper integriert ist. Man braucht also keine Prismen, weder mit noch ohne Messung, und viele Fotografen lieben die Einstellung auf der Mattscheibe.
Die Mattscheiben sind natürlich auswechselbar und jede hat am oberen Rande die Belichtungszeiten eingeprägt, die bei der Messung von unten her mit LEDs beleuchtet werden. Und das wiederum vorbildlich deutlich, wie es bei einer Automatik eben (D sein sollte: von 1/1000 sek. bis Mit 1/125 sek. sind die Zahlen grün, die 1/60 bis zu 4 Sekunden leuchten gelb, der Bereich von Über- oder Unterbelichtung wird rot angezeigt.

Die Belichtungsmessung der Zenza Bronica mit LED-Anzeige

Normalerweise wird kein Mensch vor jeder Aufnahme messen. Man orientiert sich höchstens, in weichem Bereiche bei dem vorhandenen Licht die Automatik etwa arbeiten wird, und reguliert danach die Blende, alles andere erledigt die Kamera.
Am Objektivprogramm und dem System hat sich gegenüber den Vorgängermodellen nichts geändert: Die normalen Objektive laufen in einer eigenen Schnecke, die wiederum zur Arbeit mit besonders langen Brennweiten herausgenommen werden kann. Es ist dies meiner Meinung nach ein vorbildliches System. Daß man mit Filmmagazinen arbeitet, hat sich ebenfalls nicht geändert, sie lassen sich einfach und ohne Sonderzubehör vom 120er Rollfilm auf den 220er umstellen. Ebenso sind Doppelbelichtungen, ohne eine Verschiebung des Films, passergenau nur durch Umstellen eines sonst arretierten Hebels möglich.
Das Magazin selber läßt sich, an der Kamera verbleibend, zum Filmwechsel öffnen, die beiden Verschlüsse sichern sich gegenseitig, und wenn Sie das ganze Magazin abnehmen wollen, drücken Sie nur auf den eingeschobenen Magazinschieber. Wenn dieser eingeschoben ist, können Sie nicht auslösen: Absicherung gegen Fehler, wo immer man sie braucht.
Der Spiegelschlag ist überraschend leise für dieses Kaliber, ich kenne keine 6x6 Kamera, die weniger schlägt und weniger Krach macht. In ihrer Größe gleicht sie etwa der Rollei SL 66, sie ist kleiner und leichter als die Mamiya RB 67, aber wesentlich größer und schwerer als die Hasselblad FC 2000. Zum Filmtransport bedarf es nur einer einzigen Kurbelumdrehung, der Spiegel kann vor der Aufnahme ausgelöst werden, die Blitzsynchronisation mit der 1/60 sek. ist nicht überwältigend, aber es gibt ein "Blitz-Objektiv" mit Zentralverschluß - wie anderswo bewährt. Man muß für diese Kamera mit der Spitzentechnik und dem sanften Sound einiges tun. Es ist sehr zu hoffen, daß dies die Firma Linhof auch weiß und - tut.
Denn dieses neue Zenza Bronica Modell EC-TL hat es wirklich verdient, endlich vorbehaltlos dorthin zu kommen, wohin es gehört: In die kleine Gruppe der Welt-Spitzenkameras.

Mittelformat-Spiegelreflexkamera für höchste Ansprüche und von internationalem Spitzen-Niveau

Manchen Fotografen wird, wie ich das aus beinahe täglichen Telefongesprächen entnehmen kann, die Wahl zwischen der kleineren ETR und der 6 x 6 EC-TL schwer. Dazu ist folgendes zu sagen:
Sicherlich bietet die EC-TL demjenigen mehr, der mit seinen Fotos Geld verdienen will oder muß: Manche Redaktionen sind auf 6x6 eingefahren, einige Redakteure empfinden es als "Bevormundung`, wenn ihnen ein Fotograf ein Rechteck auf den Tisch legt, das er, der Fotograf, gestaltet hat, obwohl er, der Herr Redakteur, viel lieber selber in einem undefinierten 6x6 herumstreichen würde. Und die Verletzung einer Eitelkeit ließ schon manches Geschäft scheitern.

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