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Alexander Borell Kommentar
Die Asahi-Sisters
Teil 2: Die ME
Ein Bericht über die ME und ein Vergleich zur MX
Versuchen Sie einmal, lieber Fotofreund, auf eine indiskrete Frage aufrichtig zu antworten: Welchen der beiden Kessler-Zwillinge hätten Sie lieber - den rechten oder den linken?
Diese oder ähnliche Überlegungen stelle ich jedesmal an, wenn ich mich selber frage, oder die Frage eines Anrufers beantworten soll: Welche von den beiden Asahis soll ich denn kaufen, die MX oder die ME? Und ich kann leider nicht anders, aber ich antworte stereotyp jedesmal das gleiche: Kaufen Sie beide.
Ober die Pentax MX wurde im vorigen COLOR FOTO (5/77) bereits ausführlich gesprochen. Und wie das nun einmal mit Zwillingen so ist: wenn man über den einen bereits ziemlich ausführlich berichtet hat, müßte man sich bei der Beschreibung des anderen entweder ständig wiederholen, oder man muß versuchen, mehr über des Innenleben zu erklären.
Auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich, fällt beim zweiten Blick auf die ME auf, daß der Batterieteil am Kameraboden, verglichen mit dem der MX aussieht, als wäre er im 7. Monat. Gewissermaßen ist er auch "inhaltsreicher", denn die ME braucht als Vollautomat mehr Strom als die MX, und folglich hat man der ME auch 6 Batterien mitgegeben, wo die MX mit 4 Stück auskommt. Fabrikationstechnisch und von der Kalkulation her wäre es sicherlich wirtschaftlicher gewesen, beide Kameras mit dem gleichen, dem stärkeren Winder wahlweise auszurüsten, so daß man ihn nur einmal kaufen und zu beiden Kameras verwenden kann.
Ich vermute aber, daß Asahi noch viel wirtschaftlicher gedacht hat, nämlich für die eigene Bilanz. Beide Kameras leben gewissermaßen mit und von dem beinahe vollkommen integrierten Winder. Und sicherlich würden sich viele Leute zwei Kameras, aber nur einen Winder kaufen, wenn man ihn auswechseln könnte. Da man aber zu einer solchen Pentax, sei es die MX oder die ME, den Winder einfach nicht missen will, nimmt man dem Kunden die Wechselmöglichkeit und verkauft beide Kameras mit eigenem Winder. Damit verdient zwar Asahi bestimmt mehr Geld, aber ich muß in diesem Falle - abgesehen von unseren Geldinteressen - Asahi vorbehaltlos beipflichten: Man muß die Kunden einer solchen Kamera zu ihrem Glück zwingen! Wundern Sie sich also bitte auch nicht, wenn ich Ihnen bei telefonischen Rückfragen mit echter Begeisterung etwa Folgendes sage:
Es gibt keinen Zweifel mehr, daß der Winder-Kamera die Zukunft gehört. Man spart sich bei Autos ja auch nicht den Preis für den Anlasser, obwohl kurbeln erheblich billiger wäre. Wenn Sie sich also schon zu dem schnellen Winder entschließen, wäre es doch unlogisch, sich Ihre schnelle Aufnahmebereitschaft dadurch wieder zu verderben, daß Sie jedesmal erst den Winder an die Kamera ansetzen müssen, mit der Sie fotografieren wollen. Das ist, meinen Sie, zu teuer? Suchen Sie einmal eine Kamera, die sowohl voll manuell, aber zugleich mit voller Automatik arbeiten kann, die zwei Antriebe, zwei Gehäuse und zwei (verschiedene!) Objektive hat, und dabei nur DM 2000,- kostet.
Sie handeln sich also für diesen Preis zugleich noch eine sonst nicht erreichbare Sicherheit mit ein: Wenn ein Winder ausfallen würde, ein Gehäuse - Sie haben immer noch eins zur Verfügung. Dabei können Sie sozusagen mit einer automatischen Ratenzahlung beginnen:
Kaufen Sie zuerst das Modell MX, weil es mit seinen auswechselbarem Sucherscheiben und der manuellen Einstellung etwas mehr technische Möglichkeiten bietet und ...
Aber wir wollen nicht wiederkäuen, was bereits im vorigen COLOR FOTO steht, und deshalb bleiben wir bei der Pentax ME.
Ein Vollautomat also. Das erweckt bei manchen Leuten automatisch eine Abwehrreaktion, bei denjenigen nämlich, die noch was "beeinflussen" wollen. Also bitte: Was beeinflußt man eigentlich, wenn man fotografiert? Die Entfernung müssen Sie allemal einstellen, die richtige DIN-Zahl Ihres Films auch, also bleibt Ihnen nur noch - aus der Praxis gesprochen - die Wahl - ob Sie etwa mit Blende 2,8 und 1/500 sek. arbeiten wollen, oder lieber mit Blende 8 und einer 1/60 sek. Außerdem können Sie sich entschließen, je nach Ihrem Motiv, etwas unter- oder überzubelichten. Sie können das mit der Pentax MX, weil sie kein Automat ist.
Aber wer hat nur das Gerücht in die Welt gesetzt, Sie könnten das mit einem Automaten, mit der Pentax ME nicht tun? Sie haben ja für eine bestimmte Lichtsituation immer die gleichen Blende-Zeitkombinationen, was eine Weile sehr praktisch (und an der neuesten Hasselblad immer noch!) mit Lichtwerten ausgedrückt wurde: Blende 8 und 1/125 sek. entspricht dem Lichtwert 13, den Sie nach Zeit oder Blende variieren können, nur muß der Film immer diejenige Menge Licht bekommen, die dem Lichtwert 13 entspricht.
Also stellen Sie auch bei der ME, dem "Vollautomaten" die gewünschte Blende 2,8 ein und welche Zeit dazu paßt, sucht sich die Kamera selber. Sie können aber auch mit einer bestimmten Zeit arbeiten.
Eine Spiegelreflexkamera mit Belichtungsautomatik
Dann drehen Sie am Blendenring so lange, bis der Zeiger links im Sucher die gewünschte Zeit anzeigt. Dies geschieht mittels 16 (sechzehn!) roter Leuchtdioden. Und diese Leuchtdioden sind es, die mich zu einer harten Kritik veranlassen, wenn auch der einzigen an diesen beiden prachtvollen Kameras. Die Leuchtdioden nämlich leuchten, soweit ist das klar, und sie tun das auch im Dunkeln. Aber die Verschlußzeiten sind wieder einmal so "diskret` ins Sucherbild integriert, daß man diese bei schlechtem Licht schon nicht mehr ablesen kann. Und es ist ein Notbehelf, dieser Kamera unwürdig, daß man sich merkt: "Wenn es etwa in der Mitte des Sucherbildes rot aufleuchtet, dann macht der Verschluß eine 1/125 sek."
Ich habe mich erkundigt: Bei größeren Stückzahlen (und Asahi legt von dieser Kamera bestimmt keine kleinen Stückzahlen auf) kostet hierzulande eine rote Leuchtdiode etwa DM -,50. Eine grüne würde ca. DM -,65 kosten. Würde man also die Zeiten, die man noch aus der Hand verwenden kann, mit grünen Dioden auslegen, wären das 6 Stück. Mehrkosten für die Kamera also noch keine müde Mark!
So aber kann dieses Prachtstück nicht einmal das, was selbst billige Pockets können: Vor zu langer Zeitbelichtung warnen. Warum nur haben alle Kamerahersteller eine solche Abneigung dagegen, mit Praktikern vor der Serie zu sprechen? Aber wie gesagt, dies ist zwar bedauerlich, aber es reicht nicht aus, um die ME als Ganzes abzuwerten.
Wir waren vorhin bei den technischen Ausführungen über die Automatik bei gewollter Unter- oder Unterbelichtung stehen geblieben: beides ist natürlich mit der ME ebenfalls möglich. Man stellt links oben an einem Drehknopf auf 2 Stufen plus, bzw. 2 Stufen minus, und hat damit seine individuellen Wünsche auch in die ME eingesteuert.
Und schließlich bringt sie gegenüber dem Modell MX sogar noch einen echten Vorteil: Sie ist mit 1/100 sek. blitzsynchronisiert, wo die MX bereits nach 1/60 passen muß. Sehen Sie nun, wie wichtig es ist, beide zu besitzen?
Ich rate zwar jedem engagierten Fotografen, der sich ein System aufbauen möchte, mit der MX zu beginnen, weil man durch den Wechsel der Mattscheiben mehr fotografische Möglichkeiten mit sehr langen Brennweiten, einem Balgengerät usw. hat. Aber es gibt auch hier eine Ausnahme:
Wer z. B. als Bergsteiger mit jedem Gramm knausern muß, sollte sich gleich die ME kaufen, und für extreme Klettertouren sogar den Winder zu Hause lassen. Verwendet er dann auch noch das besonders flache Pentax Objektiv 2,8/40 mm, hat er eine kleine, leichte, blitzschnelle Kamera unter der Jacke, die er am Halse kaum spürt.
Auch für die Arbeit mit Handschuhen bringt die ME einen Vorteil: Auf der Rückseite zeigt ein Signal an, daß der Film richtig transportiert wird, bzw. wann man mit dem Rückspulen aufhören muß, was man bei Windstärke 8 ohnehin nicht hören kann. Es bleibt mir nun zum Schluß nichts anderes übrig, als mich doch zu wiederholen: Die Asahi-Sisters sind ein prächtiges Pärchen, das sich gegenseitig ergänzt. Wählen Sie nun selber, wofür Sie sich entschließen wollen, und sparen Sie sich eine Anfrage bei mir, denn ich antworte Ihnen: beide!
PS: Ober die Pentax-Objektive gibt es nur zu sagen, daß ich sie für hervorragend halte. Es gibt viele Profis in alter Welt, die ihre alten "Spotmatics" nur der Objektive wegen bisher nicht weggegeben haben.
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