← Zurück

Artikel

Alexander Borell Kommentar

Die neue KB-Spiegelreflexkamera Nikon FM

Viele Jahrtausende hatte alles auf dieser Welt seine bestimmte Größe. Bis Herr Albert Einstein im Jahre 1916 die allgemeine Relativitätstheorie erfunden hat: Von da an war auch der Begriff "kompakt" nur noch relativ. Angefangen mit der "Kornpaktheit" hat Olympus, Asahi wurde mit den neuen Pentax-Modellen noch "kompakter", und Nikon ist nun keineswegs am "kompaktesten", einmal ganz abgesehen davon, daß groß nicht "monumental" sein muß. und klein nicht "kompakt".
Ein Moskito ist wesentlich kleiner als ein Marienkäfer, aber längst nicht so kompakt. Man sollte, ehe man neue Begriffe nachplappert, diese Begriffe erst einmal auseinander halten können. Aber immerhin hat Nikon völlig recht: Verglichen mit einer F2S-Photomic ist die neue FM unerhört kompakt. Wenn man nämlich an die F2 alles dranbaut, was bei Nikon gut und teuer ist, bekommt man ein funktionelles Ding etwa im Baustil einer Villa von 1912.
Dafür zieht der Motor mehr als alle anderen vergleichbaren, mit dem Blenden-Servomotor können Sie Vorhänge auf- und zuziehen. In dieser funktionellsten aller Kameras hat man alles das, was man heute bei einem kompakten Bungalow nicht mehr hat: Kinderzimmer, Besenkammer, Speisekammer, Waschküche und unter der Treppe genug Platz für's Gartengerät und den Hund. Hiermit verglichen ist also die FM ein Wunder an Kompaktheit, zumal sie mit den gleichen Objektiven bestückt wird und demzufolge auch genauso gute Bilder macht.

"Klein" im Kamerabau muß nicht "kompakt" sein

Ginge es um "klein" und "Gewich"`, wären die Pentax-Modelle um einiges überlegen. Aber die sind eben, wie die Olympus, nur klein - keineswegs kompakt. Nach dieser Richtigstellung scheint mir eine zweite ebenso nötig zu sein.
Nikon legt ganz besonderen Wert auf die Feststellung, daß die FM nicht mit einem "Winder", sondern mit einem "echten" Motor betrieben werden kann. Und da würde Herr Einstein, dem ich mich hier voll anschließe, schon wieder fragen: Was ist ein "echter" Motor? Die inzwischen bekannten Winder schaffen etwa zwei Bilder pro Sekunde. Fängt der ."Motor" bei 2,5 Bilder an? Was hat eigentlich ein Kadett vorne drin, wenn BMW behauptet, im neuen 733i sei ein Motor eingebaut?
Jedenfalls zieht der FM-Motor namens MD-11 ganze 3,5 Bilder pro Sekunde durch.
Ich bejahe, ich propagiere sogar den simplen "Winder" schon lange. Nicht wegen der "Serie`, sondern wegen des Nachfotografierens ohne Wechsel im präzise festgelegten Bildausschnitt. Auch das habe ich bereits öfters erklärt. Aber wenn mich nicht alles täuscht, geht der Wunsch der Sport- oder anderer Aktionsfotografen nach wirklich ganz schnellen Motoren, die etwa ab 12 Bilder pro Sekunde schaffen.
Nur damit lassen sich nämlich Bewegungsabläufe wirklich in den nötigen Phasen erfassen, fünf Bilder - wie es die F2 kann - reichen nur noch für Schildkröten und Krokodile, aber wirklich nicht mehr für Stürze auf dem Kunsteis, der Abfahrtspiste oder dem Nürburgring. Und da haben wir nun also einen echten Motor mit 3,5 Bildern. Na ...

Die neue Nikon FM liegt sehr gut in der Hand

Kompaktheit kann auch auf Kosten der Bequemlichkeit gehen. Man hat die neue Nikon FM wundervoll in der Hand. Für 95% aller Aufnahmen ist dies wichtiger als alles andere. Aber infolge des Griffes kommt man nur mit sehr dünnen Fingern an den Selbstauslöser und kaum noch an die Abblend-Taste. Gut - wann braucht man das? Mit Sicherheit liegt die FM besser in der Hand als die EL mit dem Winder. Dafür ist letztere kompakter, wenn auch ein wenig größer - aber das hatten wir ja bereits besprochen.
Was unerhört wichtig ist: Man kann elektrisch fernauslösen! Was noch wichtiger ist - für Nikon - nur mit dem Nikon Auslöser, nicht mit den handelsüblichen, die inzwischen an jede Filmkamera passen.
Der Blick durch den Sucher befriedigt auch den Brillenträger, die Einstellung der Entfernung funktioniert über Schnittbild und einen Mattscheibenring, der übrigens auch die bekannten 60% der Belichtungsmessung praxisgerecht angibt.
Ich muß das hier einmal offen bekennen: Für meine Ansprüche ist das Belichtungs-Meßsystem von Nikon das ausgewogenste, universellste und zuverlässigste, das ich kenne, Es arbeitet mit einer so glücklichen Mischung zwischen selektiv und integral, daß man mit der Nikon eigentlich hinhalten kann, wohin man will:
Man erzielt ein Höchstmaß an Treffern. Oberhalb des Sucherbildes wird die Blende eingespiegelt, links die Verschlußzeit. Beides funktioniert nur bei einigermaßen gutem Licht. Am rechten Bildrand sind, den Umständen entsprechend, drei Symbole relativ gut sichtbar untereinander angeordnet: + 0 -. Daneben leuchten Dioden auf, und hier gibt's wieder einmal einen "Schreibtisch-Täter", oder besser "Reißbrett-Täter". Alle drei Dioden leuchten nämlich rot! Das bedeutet in der Praxis: Man muß dann ziemlich genau hinschauen, wo es nun rot ist - bei oder bei 0, oder bei -.
Es hätte nur Pfennige mehr pro Kamera gekostet, die mittlere Diode, also die, wo die Belichtung stimmt, grün zu machen, damit man aus dem Augenwinkel sehen kann, wann die Belichtung korrekt ist. Den gleichen Spar-Unfug finden wir auch bei anderen Kameras - vermutlich fahren gehobene Konstrukteure nur mit Schofför, sonst hätten sie es längst im Blut, daß auf der ganzen Welt "grün" freie Fahrt bedeutet. Sogar in Japan. Ich halte es für absolut überflüssig, Ihnen viel mehr über diese Kamera zu berichten, denn daß sie mit der bekannten, unverwüstlichen Nikon-Präzision bei außerordentlicher Robustheit gebaut ist, versteht sich nach einem Vierteljahrhundert Nikon von selbst. Daß es eine eigene Vorrichtung für Doppelbelichtungen gibt, gehört heute auch zum guten Image einer neuen Kamera, ebenso wie die Blitzsynchronisation bei 1/125 Sekunden. Daß man den Film mit angesetztem Motor wechseln kann, daß man einen Schärfentiefenhebel hat, einen Selbstauslöser, einen "heißen" Blitzkontakt im Sucherschuh und extra einen für Blitzkabel: Das alles wäre heute nur noch erwähnenswert, wenn es fehlen würde. Auch die Möglichkeit, die Filmlasche an der Rückwand zu befestigen, gehört heute zu den selbstverständlichen Höflichkeiten des Kameraherstellers gegenüber seinen Kunden. Und so gibt es eigentlich nur Lobenswertes über diese neue Nikon FM zu sagen. (Was heißt eigentlich FM? Ich fand nirgendwo einen Hinweis, und nenne es deshalb "For Men".
Man lobt ja, als Mann, auch eine Frau, gerade wenn sie ein paar recht kapriziöse Mucken hat und man ganz genau wissen muß, wo und wann man irgendwo hinfassen darf. Genauso ist es auch bei der FM: Der Ring um den Auslöser verriegelt diesen - wenn er auf dem roten Strich steht. Zugleich muß er aber auch so stehen, wenn man mit Motor arbeitet. Beim Einschalten des Motors aber leuchten zugleich die Dioden und verbrauchen Strom, was man leicht vergessen kann. Stellt man den Ring jedoch auf "schwarz", also Handbetrieb, und löst versehentlich doch am Motorgriff aus, gibt's zwar ein Foto, aber dann ist überall Feierabend: Nichts geht mehr. Sie können dann auf alle Auslöser drücken, den Motor aus- und einschalten, Sie können machen, was Sie wollen: Es wird weder motorisch noch per Hand der Film weiter transportiert. Und plötzlich tut er's doch. Sie sind jedoch darüber so erschrocken, daß Sie nicht mehr wissen, was ihn dazu gebracht hat. Sie kommen erst später darauf: Man muß den Ring wieder auf "rot` stellen, den Motor einschalten und den Aufzughebel andrücken. Wie gesagt, eine etwas merkwürdige Kreuzverriegelung, aber "For Men" durchaus voller Reize.
Um mir einige Anrufe zu ersparen, sollte ich wohl noch auf die vielgepriesenen Gallium Foto-Dioden im Belichtungsmesser zu sprechen kommen, z. Z. "das Modernste`, und auch schon anderswo hochgelobt: Ob Gallium, Silizium oder Cadmium, die Nikons messen präzise genug. In diesem Sinne wird es nicht einmal die Werbung fertigbringen, der Nikon FM zu schaden.
Alles in allem ein neues Rassepferd aus dem Nikon-Gestüt. Kein Ackergaul, der einfach alles aushält, und ebensowenig kein Vollblut, höchstens dem Preis nach. Ja - ich frage mich, ob es diese FM überhaupt unbedingt geben muß? Ich möchte sagen ja - für die vielen Liebhaber eines hübschen Fiakerpferdchens.

{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}