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Kamera in Aktion
Eine silberne Rose für eine fortschrittliche Kamera:
Die Hasselblad 2000FC mit Schlitz-Compur-Verschluß
Für Sensationshungrige sei es vorangestellt: Die Hasselblad 2000 FC bringt nichts, was nicht näherungsweise schon einmal dagewesen wäre. Aber sie bringt das schon einmal Dagewesene zuende gedacht und in sich funktionell abgestimmt. Sie ist also keine Sensation von heute, die Sie schon morgen beruhigt wieder vergessen können. Sie ist eine fortschrittliche Kamera, mit der Sie arbeiten werden, denn diese Kamera eröffnet Ihnen Möglichkeiten, die Sie bislang nicht hatten.
Wozu eine zweitausendstel Sekunde?
Oberflächlich betrachtet ist die Hasselblad 2000 FC fast eine Hasselblad wie jede andere. Oberflächlich betrachtet unterscheidet sie sich von der anderen durch ihren Schlitzverschluß, mit dem 1/2000 sek. als kürzeste Zeit und der dadurch bedingten Möglichkeit, die neuen, verschlußlosen Zeiss Objektive zu verwenden. Und Oberflächlichkeit ist immer etwas gefährlich, denn bei dieser Betrachtungsweise ist das Interesse schon von der Kamera fort- und zu den Objektiven hingelenkt, die dieses Interesse auch zweifellos verdienen. Die Kamera jedoch kommt dabei entschieden zu kurz.
Als ich in Hamburg die Hasselblad 2000 FC das erste Mal in die Hand nehmen konnte, stand ein Freund, ein sehr bekannter Profi neben mir. Später sagte er: "Die Objektive sind schön. Die Kamera ist schön. Die 1/2000 sek. ist für Sport interessant oder Ähnliches. Ich mache keinen Sport. Ich brauche einen Motor. Die EL ersetzt sie mir nicht - mich interessiert sie wenig."
Viele mögen so gedacht haben oder noch denken. Und darum zitiere ich diese Worte, denn die Gedanken sind falsch. Wollen wir die Werkzeugfunktionen einer neuen Kamera exakt beurteilen, müssen wir sie in der Gesamtschau unserer technischen Möglichkeiten betrachten:
In einem Punkt hat mein Freund sicher recht. Wenn ein Auftraggeber motorisch geschossene Serien im 6 x 6-Format verlangt, muß man sie ihm machen - auch wenn das technisch unsinnig ist. Den Motor setzt man ein, wenn es gilt, ein schnell ablaufendes Geschehen möglichst lückenlos, einen spontan sich entwickelnden Ausdruck möglichst aussagestark festzuhalten. Das geht - die Hasselblad-Leute mögen mir das bitte nicht verübeln - am besten mit einer motorisierten Kleinbildkamera. Und auch die Drucker haben heute, da die Ektachrome Professional Emulsionen mit ihren einheitlichen Wiedergabemöglichkeiten bis in die Reproduktionsphase zur Verfügung stehen, weit weniger Ausreden hinsichtlich des KB-Dias zu ihrer Entschuldigung als früher. Eine Mittelformat-Kamera von der durchdachten Funktionalität einer Hasselblad gestattet zwar einerseits das schnelle Zupacken, ist aber doch im Grunde ihrer gesamten Konzeption nach das Werkzeug für überlegte, bedächtige Komposition, dessen Produkte sich durch bewußte, gestalterische Geschlossenheit auszeichnen. Sicherlich mag es Situationen geben, in denen der Motor dem an sich flüchtigen, kreativen Prozeß entgegenkommt. Doch wirklich unabdingbar ist er bei einer Mittelformat-Kamera für die gestalterische Arbeit sicherlich nicht.
Elektronisch bemessene Zeiten: Unabdingbar dagegen sind exakt bemessene Belichtungszeiten - auch wenn wir uns in der Vergangenheit mit weniger genauen zumeist ganz gut über die Runden geschwindelt haben. Doch die wachsenden Ansprüche, die wir stellen, werden auch an uns gestellt. Wir haben von der Industrie das verbesserte Material verlangt, das hochauflösend die feinsten Details, die zartesten Farbnuancen registriert. Und obwohl uns die Industrie - gewissermaßen als Bonus - auch noch einen erweiterten Spielraum zur Verfügung gestellt hat, werden wir damit leben müssen, daß dieses neue Material zusammen mit allen anderen Feinheiten und Nuancierungen auch geringe Belichtungsschwankungen erkennbar zum Ausdruck bringt. Dadurch werden die variablen Toleranzen, wie sie die verschiedenen Zentralverschlüsse in einem Objektivsatz durch unvermeidliche, technische Toleranzen und unterschiedliche Alterungserscheinungen mit sich bringen müssen, für manche der künftigen Aufgaben untragbar. Die Vorteile selbst eines einfachen Schlitzverschlusses mit seinen einheitlichen Toleranzen für alle Aufnahmen mit sämtlichen Brennweiten liegen demgegenüber auf der Hand. Doch die Konstrukteure in Göteborg haben in die Hasselblad 2000 FC keinen einfachen Schlitzverschluß eingebaut. Sie haben sich als Perfektionisten erwiesen:
Der Schlitzverschluß der Hasselblad 2000 FC ist mit Metall-Rollos ausgestattet. Sie bestehen aus Titanium, das viele nutzenswerte Eigenschaften des Stahls mit sehr geringem Gewicht und hoher Flexibilität verbindet. Mit einem Spezialprofil versehen, das die innere Festigkeit erhöht, bessere Rollfähigkeit gewährleistet und außerdem gestattet, während der Beschleunigungs- und Abbremsphase die Massekräfte besser zu beherrschen, konnten sie 14/1000 mm dünn gehalten werden, was wiederum dem Beherrschen der Massekräfte zugute kommt. Damit waren die mechanischen Voraussetzungen gegeben, diesen bei einer Mittelformat-Kamera immerhin beachtlich großen Rollos eine Ablaufgeschwindigkeit von 6 m/sek. zu verleihen. Das in sich ist - für die an Sensationen Interessierten sei es gesagt eine bislang nicht erreichte Leistung. Und gestattet die Elektronenblitz-Synchronisation bis zu 1/90 sek. Bei noch kürzeren Zeiten, das sei am Rande erwähnt, wird der Blitz nicht ausgelöst - der Fotograf erkennt seinen Fehler sofort.
Der elektronische Zeitkreis der Hasselblad 2000 FC steuert über die 23 Widerstände des Umschalters sämtliche Zeitfunktionen des Titan-Schlitzverschlusses. Und an diesem Punkt kommt vielleicht am deutlichsten die feinmechanische Tradition der Göteborger Konstrukteure zum Ausdruck, die bei der Entwicklung der Hasselblad 2000 FC ganz offensichtlich von dem Grundsatz geleitet wurde, das Gute zu bewahren, es jedoch überall dort mit Fortschrittlichem zu verbinden, wo der Fortschritt bessere Leistung bringt. Der Verschluß der neuen Kamera wird mechanisch gespannt, mechanisch funktionsbereit gestellt. Sobald er jedoch abläuft, wird die Zeitverzögerung für den zweiten Vorhang und damit die Schlitzbreite elektronisch bestimmt. Da Ablaufgeschwindigkeit und Schlitzbreite zusammen die effektive Belichtung bemessen, ist durch diese elektro-mechanische Kombinations-Konstruktion ein hohes Maß an Genauigkeit gewährleistet, das mechanische allein nicht zu erreichen und elektronisch allein über längeren Zeitraum wahrscheinlich nicht aufrecht zu erhalten gewesen wäre. So aber konnten die Konstrukteure ein übriges tun: Sie konnten die Zeitschritte noch einmal halbieren und dem Fotografen als Zwischenwerte zur Verfügung stellen. Die Brücke zwischen Mechanik und Elektronik schlagen in der Verschlußkonstruktion Magneten, die durch eine für Hasselblad patentierte Kondensatorkupplung aus der 6 Volt Batterie mit Strom versorgt werden. Diese Kupplung gewährleistet zuverlässige Auslösung bei äußerst geringem Stromverbrauch, so daß Hasselblad in der Betriebsanleitung den Hinweis geben kann, eine frische Batterie reiche mindestens für 20.000 Auslösungen.
Eine Mittelformatkamera mit Ausbaumöglichkeiten in der Zukunft
Musik für wahrscheinlich nahe Zukunft ist der Hinweis, daß über die im Batteriefach der Kamera vorhandenen Anschlüsse akustische oder optische Belichtungsvorrichtungen oder externe Widerstandskreise zur Verlängerung der Belichtungszeiten angeschlossen werden können. Noch gibt es dergleichen nicht. Doch die Entwicklung eines Meßprismas, dessen Meßwerte dem Verschluß unmittelbar auf elektrischem Wege eingegeben werden, liegt nahe.
Aber seien wir zunächst zufrieden mit dem, was wir haben - einen sehr exakt funktionierenden Schlitzverschluß mit ungewöhnlich großer Zeitenpalette, dessen Funktionstoleranzen weit unter dem liegen, was das fotografische Material sichtbar machen kann. Diesen Verschluß müssen wir vor allem in der Relation zu den neuen Objektiven betrachten, die zusammen mit der Hasselblad 2000 FC vorgestellt wurden: die Zeiss Objektive Distagon T* 1:2,8/50 mm, Planar T* 1:2,8/80 mm, Planar T* 1:2/110 mm und das Sonnar T* 1:2,8/150 mm. Mit Ausnahme der Standardbrennweite zeichnen sich diese Objektive durch etwas aus, was bisher weder für den Weitwinkel- noch für den Telebereich des Mittelformates in diesem Maße gab - durch erstaunlich hohe Lichtstärke. Hier komme ich auf die Bemerkung meines Profifreundes zurück, der sagte, er brauche die 1/2000-stel nicht: Wenn er nutzen will, wenn Sie nutzen wollen, was diese Objektive durch ihre hohe Lichtstärke und die damit verbundene, sehr geringe Ausgangs-Schärfentiefe bieten, dann werden Sie auch die kürzesten Zeiten des Hasselblad 2000 FC Schlitzverschlusses nicht nur gelegentlich brauchen. Sie werden sie mit größter Selbstverständlichkeit einsetzen, denn erst diese kurzen Verschlußzeiten runden ab und machen praktikabel, was mit den hohen Lichtstärken begonnen wurde. Das gilt natürlich im besonderen Maß für die beiden Teleobjektive, für das Planar T* 1:2/110 mm - übrigens eine überraschende wirkungsvolle Brennweite! - und für das Sonnar T* 1:2,8/150 mm. Gerade diese beiden Objektive eröffnen dem Mittelformat gestalterische Möglichkeiten, die es ,bislang einfach nicht gab. Und die ohne die Hasselblad 2000 FC auch nicht nutzbar wären. Denn ganz abgesehen davon, daß die neuen Zeiss Objektive gegenwärtig nur mit Anschluß für diese Kamera geliefert werden - mancher könnte sich ja jetzt der sicher begründeten Hoffnung hingeben, daß sie eines Tages auch für andere Kamerasysteme lieferbar sein werden - ganz abgesehen also davon, daß diese Objektive heute nur für die Hasselblad 2000 FC zur Verfügung stehen: Ich könnte sie mir auch an keiner anderen Kamera vorstellen. Denn gegenwärtig hat keine andere 6 x 6-Kamera ein so helles, bis in seine Ecken klar zu überblickendes Sucherbild wie diese 2000 FC. Und nur dieses helle Sucherbild gestattet das präzise Scharfstellen, das Voraussetzung ist, wenn Sie die Möglichkeiten der beiden Teleobjektive wirklich voll nutzen wollen.
Der Einsatz der bisherigen und neuen Hasselblad-Objektive
Sämtliche Hasselblad-Objektive verwendbar: In der hauseigenen Nomenklatur machen die Hasselblad-Leute den Unterschied zwischen C- und F-Objektiven. Auf den Objektiven selbst erscheint diese Bezeichnung bislang noch nicht, und es ist wohl auch kaum vorgesehen, sie aufzugravieren. C-Objektive sind all die bisherigen mit eingebautem Compur-Zentralverschluß. Das "F" steht für "focal plane", dem englischen Ausdruck für "Schlitzverschluß", und bezeichnet die neuen, verschlußlosen Objektive, die sich nur an der Hasselblad 2000 FC verwenden lassen. Diese Kamera jedoch hat beide Buchstaben in ihrer Bezeichnung, und da die Göteborger logisch denken, läßt dies nur einen Schluß zu: Nicht bloß die F-, sondern auch die C-Objektive sind an dieser Kamera uneingeschränkt verwendbar. Dabei ist "uneingeschränkt' in der Tat wörtlich zu nehmen:
Verwenden Sie C-Objektive an der Hasselblad 2000 FC, so haben Sie freie Verschlußwahl. Sie können den Compur-Verschluß im Objektiv ausschalten und mit dem Schlitzverschluß der Kamera belichten - bei allen Zeiten, das versteht sich. Sie können aber auch den Schlitzverschluß der Kamera ausschalten und den Compur-Verschluß des Objektivs benutzen - vielleicht, um mit allen verfügbaren Verschlußzeiten bis hinauf zum 1/500-stel zu blitzen. Die gewohnten Objektiv-Funktionen bleiben dabei uneingeschränkt erhalten und einsatzbereit.
Nur die Blitz-Synchronisation richtet sich natürlich nach dem Verschluß, mit dessen Hilfe Sie fotografieren. Ist es der Schlitzverschluß, so haben Sie die 1/90 sek. als kürzeste Zeit zur Verfügung und müssen Kamera und Blitz natürlich über den X-Anschluß im Gehäuse synchronisieren. Fotografieren Sie mit dem Compur-Verschluß des Objektivs - beispielsweise, um bei kurzen Belichtungszeiten den Aufhellblitz einsetzen zu können - so synchronisieren Sie Blitz und den Verschluß selbstverständlich über den X-Kontakt des Objektivs. Für einen eingefleischten Hasselblad-Fotografen, der bislang stets mit einer 500 C/M oder EL/M fotografiert hat, ergibt sich kaum ein Unterschied, wenn er nun C-Objektive an der 2000 FC einsetzt. Mit jeder Auslösung bekommt erden gewohnten Sucher-Blackout, den erst der Filmtransport wieder aufhebt.
Dabei gestattet Ihnen die Hasselblad 2000 FC nicht nur problemlose Mehrfachbelichtung, sie stellt Ihnen auch drei Spielprogramme zur Wahl. Das Einstellelement für all diese Funktionen ist auf der Achse der Transportkurbel untergebracht eine geschlitzte Druckplatte mit einem roten Knopf in ihrer Mitte. Drücken Sie während der Anfangsphase der Transportbewegung auf diese Platte, so spannen Sie den Verschluß, ohne den Film zu transportieren. Fahren Sie mit einer Münze oder einem Schraubenzieher in den Schlitz der Druckplatte und drücken Sie dabei den roten Knopf nach unten, so können Sie den Schlitz wahlweise auf die Ziffern 0, 1 und 2 einstellen. Das Programm 2 gibt Ihnen bei Einsatz von F-Objektiven Schwingspiegel-Funktion - der Spiegel kehrt sofort nach Belichtung in seine Funktionsposition zurück. Das tut er jedoch nur bei der Benutzung von F-Objektiven. Haben Sie ein C-Objektiv eingesetzt, so bleibt der Spiegel auch bei Programm 2 nach der Belichtung hochgeklappt und kehrt erst bei Filmtransport in die Ausgangsposition zurück. Das aber ist -bei Einsatz von F-Objektiven - eigentlich die Funktion von Programm 1. Mit Programm 0 können Sie den Spiegel weggeklappt arretieren - um in die Kamera hineinragende Objektive oder aber Fernauslösung zu verwenden. Ich könnte mir vorstellen, daß sich zudem Künftiges dahinter verbirgt: Eine motorisierte FC wäre eine interessante Kamera für technisch-wissenschaftliche Registrieraufgaben; und bei einer solchen Kamera müßte natürlich der Spiegel wegklapp- und arretierbar sein.
Die Funktionalität als weiterer System-Eckpfeiler
Bei der Hasselblad 2000 FC dagegen werden nur die allerwenigste Benutzer eine Notwendigkeit für das 0-Programm entdecken können besonders, da eine Taste unterhalb der Transportkurbel Spiegel- und Funktions-Vorauslösung gestattet: Ein Druck, und der Spiegel klappt weg, die Kamera geht in volle Belichtungsbereitschaft. Der Auslöser betätigt nur noch den Verschluß, der für eine 6 x 6 Schlitzverschluß-Kamera geradezu seidenweich abläuft. Der Schlag kommt erst beim Abbremsen der Rollos. Aber da ist die Aufnahme ja schon belichtet.
Ich war noch nie in Versuchung, einer Kamera ein Prädikat zu verleihen. Alle haben Schwächen - die Hasselblad 2000 FC auch. Sie sind zwar klein, doch erwähnenswert, und so werden wir in der nächsten Folge darüber sprechen. Doch die Funktionalität dieses neuen Eckpfellers im Hasselblad-System überwiegt bei weitem. Sie, die 2000 FC ist das bestdurchdachte Stück 6 x 6 Werkzeug, mit dem ich je gearbeitet habe. So hat sie ihre Alleinstellung verdient -eine symbolische Silberne Rose.
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