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Kamera in Aktion

Die Hasselblad 2000FC

Eckpfeiler für die Zukunft des Systems

Fünf Monate sind es inzwischen, daß mir die neue Hasselblad 2000FC zur Verfügung steht. In diese Zeit fiel die praktische Erprobung der neuen Kodak Ektachrome Professional Emulsionen. Die Mehrzahl der Rollfilme wurde mit dieser 6x6 belichtet. Das E-6 Ektachrome-Verfahren bringt, so konnte ich schnell feststellen, auch geringe Belichtungsschwankungen deutlich zum Ausdruck, was sich weniger in der praktischen Brauchbarkeit der Dias, sondern mehr in ihrer farblichen Vollendung äußert - sie sind dank des weitgespannten Bereiches möglicher Heltigkeitsabstufung zwar perfekt druckbar, in ihren Farben aber nicht mehr so schön wie richtig belichtete Vergleichsaufnahmen. So lernte ich an der 2000FC vor allem eines schätzen - die durch den elektronisch gesteuerten Schlitzverschluß exakt bemessene Belichtungszeit.
Ich brauchte nur genau zu messen, das Meßergebnis richtig auszulegen - auf die Kamera war absolut Verlaß: Im Verein mit den neuen Objektiven, die speziell für sie entwickelt wurden, brachte sie keine der Viertelblenden-Toleranzen ins Spiel, die wir sonst als unvermeidlich hinnehmen, die der neue Ektachrome aber bereits nachteilig sichtbar werden läßt.
Die hervorragende Farbabstimmung dieser Objektive, der beiden hochlichtstarken Tele-Brennweiten Zeiss Sonnar T* 1:2,8/150 mm und Zeiss Planar T* 1:2/110 mm, über die ich Ihnen in der letzten Folge ausführlich berichtete', des weiteren des Zeiss Planar T* 1:2,8/80 mm, von dem vor allem zu sagen ist, daß die Naheinstell-Möglichkeit auf 0,6 m erweitert wurde, und des Zeiss Distagon T* 1:2,8/50 mm, dem folgend ein eigener Abschnitt gewidmet ist, wurde gerade durch die Arbeit mit dem neuen Ektachrome immer wieder unter Beweis gestellt. Dieses Material, das die gesamte Farbskala sauberer abstuft als jeder andere Diafilm, hätte Unterschiede von praktischer Bedeutung unweigerlich herausgeholt. Obwohl bei derart verschieden aufgebauten Objektiven der theoretischen Überlegung nach eigentlich Unterschiede in der Farbwiedergabe bestehen müßten, lieferte die Praxis hier den Beweis, daß sie unterhalb der im tatsächlichen Einsatz wichtigen Erkennbarkeitsgrenze liegen. Da diese Ergebnisse in Verbindung mit dem modernsten Diamaterial erbracht wurden, das es gegenwärtig gibt und das die Fotografie der kommenden Jahre bedeutsam mitbestimmen wird, und da vergleichbare Ergebnisse mit Zentralverschluß-Objektiven nicht erzielbar waren, sei hier eine Prognose gestattet: Die neue Hasselblad 2000FC ist nicht nur ein ungewöhnlich gut eingepaßtes Glied des Hasselblad Systems. Sie wird sich sehr schnell als der Eckpfeiler erweisen, der auf jeden Fall mitbestimmend dieses System trägt und ihm Kontinuität garantiert. Doch wenden wir uns dem für Mittelformat-Fotografen gegenwärtig interessantesten Weitwinkel zu:

Viel Licht, viel Leistung und 75xGRADx-Bildwinkel

Nur wer alle Probleme im Bau von lichtstarken Weitwinkelobjektiven kennt, kann verstehend schmunzeln, wenn er im Datenblatt von Zeiss über das neue Distagon T* 1:2,8/50 mm liest, es sei bemerkenswert kompakt. Denn hält er es gleichzeitig in der Hand, wird er feststellen, daß es mit 106 mm Länge bei Stellung und 1240 g Gewicht ein rechtes Monstrum ist. Aber war für ein Monstrum an Leistung zugleich!
Da ist zunächst die ungewöhnliche Lichtstärke von 1:2,8 für einen Bildwinkel von 75,5xGRADx, den die 9 Linsen in 8 Gruppen mit außergewöhnlicher Qualität über das gesamte Bildfeld auszeichnen. Zu erreichen war diese Lichtstärke bei gleichbleibend hoher Wiedergabequalität wiederum nur, weil kein Verschluß berücksichtigt werden mußte. Eine sehr weit getriebene Korrektion alter Bildfehler findet ihren Niederschlag nicht nur in MTF-Kurven, sondern von allem auch in dem, was den Praktiker überzeugt in hervorragenden Bildergebnissen. Die MTF-Kurven belegen, daß durch Abblenden auf 5,6 noch etwas zu holen ist, aber beim Betrachten meiner Bilder weigerten sich die Augen, zusätzliche Unterschiede - bezogen auf die Einstellebene - zu erkennen. Dafür genossen sie die Tiefe des Raums, den dieses Weitwinkelobjektiv scharf erfaßt.
Hierzu eine Randbemerkung: Unter durchschnittlichen Lichtbedingungen bei Außenaufnahmen ist diese Raumtiefe bei entsprechend abgeblendetem Objektiv auch im Sucher relativ klar zu erkennen. Man braucht sich also nicht auf Schätzen und "Wissen" zu verlassen - der ungewöhnlich helle, das Motiv kontrastreich zeigende Sucher der Hasselblad 2000FC enthebt einen solcher Unsicherheiten.
Eines allerdings erscheint im Sucher nicht so schön wie später auf dem Bild - die Verzeichnungsfreiheit. Aber in dieser Hinsicht narren einen Sucher ja leicht. Tatsache jedenfalls ist, daß die höchste (tonnenförmige) Restverzeichnung bei knapp 1,7% der Bildhöhe liegt, was in der Aufnahme praktisch nicht mehr sichtbar wird und das neue Distagon auch für Architekturaufnahmen vorzüglich geeignet erscheinen läßt, solange man guten Gewissens auf Verstellbarkeit der Kamera verzichten kann.
Die in der Tat außergewöhnlichen Wiedergabeeigenschaften des Zeiss Distagon T* 1:2,8/50 mm, dessen tatsächliche Brennweite übrigens 51,7 mm beträgt und das sich bis auf 22 abblenden läßt, bleiben auch im Nahbereich erhalten. Dafür sorgen floating elements, die hier die Bildfehler-Kompensation vornehmen. Je größer Bildwinkel und Lichtstärke eines Weitwinkelobjektivs sind, desto schwieriger wird es, gleichmäßige Korrektion für das gesamte Bildfeld zu erreichen -die Formatränder, besonders die Ecken zeigen nur allzu schnell einen Leistungsabfall, der um so deutlicher in Erscheinung tritt, je kürzer die Einstellentfernung ist, mit der man arbeitet. Das Distagon aber gestattet Einstellung bis auf 0,32 m, ohne daß ein Absinken in der Leistung sichtbar wird. Erreicht wurde dies dadurch, daß beim Fokussieren nicht nur das Objektiv insgesamt, sondern zusätzlich innerhalb des Objektivs eine Linsengruppe gegenläufig zu den anderen verschoben wird bei einem 6x6-Objektiv allein von der Einstell-Mechanik her ein sehr großer Aufwand, der sich jedoch wirklich lohnt. Ein Zitat aus dem Datenblatt: "Den hierdurch erzielten Fortschritt veranschaulicht besonders deutlich die Tatsache, daß der kürzeste Objektabstand ... 0,32 m beträgt, wobei die Abbildungsqualität an dieser Nahgrenze, die einem Abbildungsmaßstab von 1: 2,5 entspricht, etwa die gleiche ist wie ohne diese Kompensation beim Maßstab 1:10. Vergleichbares wurde bei einem 6x6-Weitwinkel meines Wissens zuvor noch nie erreicht.

Zwei Worte Kritik

Während Sie gewöhnlich nur bis hier lesen und sich das Resümee schenken, suchen die Hersteller meist eilig nur das Resümee am Schluß. Statt dessen werden die Herren in Göteborg zwei Worte der Kritik finden, die nicht nur für die Hasselblad 2000FC gelten: Ich mag ihren Auslöser nicht,
und ich mag ihre Kassette nicht. Mit meinen etwas groß geratenen Händen komme ich, die Kamera in der Linken und mit der Rechten bedienend, bei schneller Freihandarbeit während des Transportierens nur allzu leicht auf den Auslöser. Resultat: Fehlschuß. Mir wäre ein schräg gesetzter oder aber an der rechten Kameraseite angebrachter Auslöser lieber. Und was die Kassette anbelangt, so sind die Greifleiste, unter der ich den Vorspann durchführen muß, und der seitliche Einschub, der bei Eile immer zum Klemmen neigt, wohl doch noch ein paar Überlegungen wert, die - da es sich ja um eine Wechselkassette und damit um etwas Austauschbares handelt - sicher zu einer moderneren Konstruktion führen könnten. Systemgerecht, käme sie natürlich nicht nur der Hasselblad 2000FC zugute. Den neuen Eckpfeiler des Systems aber würde sie noch ein wenig mehr zu dem machen, was er eigentlich heute schon ist - eine Kamera, die auch bei weitem Blick in die Zukunft kaum Wünsche offen läßt.

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