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Alexander Borell Kommentar

Automatik + Elektronik = Praktica EE2

Der preiswerte SLR-Einstieg

Ich halte es für bemerkenswert und erfreulich, wenn sich eine Möglichkeit bietet, für runde DM 500,- etwas erwerben zu können, was sonst etwa das Doppelte kostet.
Ich spreche von einer KB-Spiegelreflexkamera mit Zeitautomatik, Standardobjektiv 1,8/50 mm, DIN-Empfindlichkeitseinstellung von 12 DIN bis 33 DIN, Korrektur der Belichtungswerte um + oder - zwei Blendenstufen, Blitzsynchronisation bei 1/125 Sekunde, heißem Sucherschuh mit Mittenkontakt, Batterie-TestKnopf, Selbstauslöser und - der bei Praktica schon längst bekannten Film-Einfädelmechanik, die das übliche Getipsel, wie man es auch bei Zweitausendmark-Kameras immer noch findet, völlig vermeidet.
Für Leute, die sich mit Hosenträger und Gürtel vor Überraschungen abzusichern pflegen, für Pessimisten und Vergeßliche also, zeigt ein Signal im Sucherbild außerdem noch an, wenn ausgelöst worden ist und man den Verschluß neu spannen muß. Der Verschluß arbeitet elektronisch, und die bei offener Blende gemessenen Zeitwerte werden auf die dafür geeigneten Objektive elektrisch über zwei vergoldete Kontakte übertragen.

Goldkontakte im Dienste der Fototechnik

Elektrische Übertragung ist, wenn sie funktioniert und Strom vorhanden ist, weniger störanfällig als Mechanik. Ein Plus für diese Praktica. Es stehen 17 elektrisch gesteuerte Objektive zur Verfügung, von 2,8/24 mm bis 4,0/300, dazu noch einige Zoom-Objektive. Diese Palette genügt für alle Aufgaben, und - die Kamera tut das auch!
Der Zeitautomat arbeitet präzise, Schwankungen konnte ich nicht feststellen.
Ein Kapitel für sich ist der Praktica-übliche Auslöser schräg an der Frontseite. Mir ist der Auslöser oben auf der Kamera lieber, ich neige sehr dazu, solche "Frontauslöser" diagonal zu verreißen. Viele Praktica-Benutzer erklärten mir aber, daß sie da nicht störe.
Verschluß und Spiegelgeräusch klingen nach sauberer Technik, beides ist leise, für eine Kamera in dieser Preisklasse sogar ungewöhnlich leise. Im Sucher wird als längster Belichtungswert 1 Sekunde angezeigt. Bei meinen Versuchen konnte ich feststellen, daß die EE 2 auch bis zu 3 Sekunden noch verkraftet. Das mag nicht die Regel sein, jeder Besitzer sollte diese Grenze aber im eigenen Versuch ausloten.
Rechts neben dem Sucherbild befindet sich die Zeitenskala, wie üblich bei Dämmerung oder dunklem Hintergrund nicht mehr erkennbar. Bei soviel Elektrizität hätte man sich da etwas einfallen lassen sollen, sei es auch nur, um doppelt so teuren anderen Kameras zu zeigen, wie man's macht.
Man zeigt es anderen, die Anspruch auf Weltspitze erheben, mittels eines kleinen Hebelchens, das den Suchereinblick lichtdicht abschließt.
Man braucht das jedoch nur bei sehr viel Licht von hinten ins Okular, oder bei sehr langen Belichtungszeiten. Diese Kamera ist relativ unempfindlich gegen Streulicht durch den Sucher.

Okular mit Verschluß gegen Streulicht

Die Entfernung läßt sich sehr leicht und deutlich überein Mikro-Prismenfeld in der Suchermitte einstellen, darüber hinaus zusätzlich noch auf einem Mattscheibenring, und nicht zuletzt noch - evtl. für sehr lange Brennweiten mit geringer Öffnung auf der ganzen Mattscheibe. Die Schärfe "springt" also deutlich, ein Argument für Brillenträger, zumal man auch mit Brille das ganze Sucherbild ohne Einschränkung überblicken kann.
Das Meßwerk arbeitet bei leichtem Druck auf den Auslöser, gleichgültig, ob der Verschluß gespannt ist oder nicht. Hier sehe ich eine Gefahrenquelle, zumal wenn die Kamera in einer Universaltasche zusammen mit Objektiven verwahrt wird: ein zufälliger leichter Druck auf diesen schräg vorstehenden Auslöser genügt, um die Kamera ständig messen zu lassen. Das macht die mächtige 4,5 Volt-Batterie im Kameraboden nicht lange mit. Da dies jedoch nur in der Einstellung "auto" funktioniert, können Sie etwas umständlich die Batterie abschalten, wenn Sie an dem Einstellrad links auf der Kamera die (blockierte!) Automatik-Stellung in eine manuelle Zeit umstellen. Damit sind wir bei den nächsten Möglichkeiten:
Sie können, etwa zum Blitzen, die Zeiten von 1/30 bis 1/1000 sek. auch manuell einstellen, dann aber - siehe oben - nicht mehr messen. Ich weiß nicht, wozu das gut sein soll, aber schaden tut es auch nicht. An der linken Objektivseite befindet sich ein Schalter mit zwei Symbolen, die mir von den Maya-Pyramiden her bekannt waren: Das Auge des Sonnengottes und das Symbol für körperliche Vereinigung. Da mir noch keine Bedienungsanleitung zur Verfügung stand, aus der ich abschreiben konnte, mußte ich mir in einer Serie mühsamer Experimente den Sinn dieser beiden Schalterstellungen selber erarbeiten, und ich glaube es geschafft zu haben: in der oberen Stellung arbeitet diese EE 2 mit de dazugehörigen Offenmeß-Objektiven, und in der unteren Stellung kann man auch manuell mit anderen Objektiven bei Arbeitsblende messen. Bei mir hat das jedenfalls so funktioniert.

Ein vorbildliches Film-Einlegesystem

Das beste an dieser Kamera ist die Tatsache, daß man mit ihr wirklich fotografieren kann, so gut oder so schlecht, wie es der Fotograf nun einmal ist: die EE 2 legt Meisterfotos nichts in den Weg. Und obendrein sieht sie auch noch sehr anständig aus und faßt sich ebenso an.
Das zweitbeste ist sicherlich das Film-Einspulsystem, wie oben schon erwähnt. Man kann den Film im Winter mit Fäustlingen einlegen, und im Sommer auch dann, wenn man von der Natur mit fünf Daumen an jeder Hand ausgerüstet worden ist. Agfa kann das in einer preiswerten Kamera, in der DDR kann man das ...
Von der Qualität der angebotenen Objektive bin ich überzeugt, sei es durch eigene Erfahrung oder durch Telefongespräche mit Amateuren, die seit Jahren von den Jena-Produkten sehr viel halten.
Argumente von heute verlieren schon morgen oft ihre Gültigkeit. Und so hat auch das Argument, man könne mit dem Gewinde-Anschluß M42 eine riesige Anzahl von Objektiven an einer M42-Kamera verwenden, keinen Wert mehr: es gibt heute Fremdobjektive für jeden Geschmack und Geldbeutel mit allen Bajonett-Anschlüssen dieser Welt. Praktica-Kameras sind - und ganz besonders die EE 2 gehört dazu vollwertige Kameras der besten Mittelklasse.
Wenn Sie also, liebe Leser, das Gewinde akzeptieren: Mit DM 500,- in Form dieser EE 2 sind Sie dabei, wenn über Fotografie gesprochen wird, und wenn es gilt, mit Bildern zu beweisen, daß man fotografieren kann.

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