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Für den universellen Aufnahmeeinsatz:
Mittelformatkameras aller Kategorien
Mittelformat und/oder auch Kleinbild - das ist nicht nur eine klassische Fragestellung der Fotografie seit Jahrzehnten, sondern das ist ein Problem- und Diskussionskreis, der je nach Naturell der Beteiligten zu einem wahren Religionskrieg ausarten kann. Mittelformat- und KB-Systeme haben beide ihre Vor- und Nachteile, die je nach Anwendungsgebiet sich gering oder auch sehr gravierend auswirken können. Eine Generalisierung beider Systeme wäre falsch: Der Stein der Weisen liegt auch hier in der Integration beider Aufnahmesysteme in die jeweils erforderlichen Aufgabenbereiche.
Die eingangs gestellte Frage kann in der Praxis nur durch eine einzige Folgerung gelöst werden - durch eine Konsequenz, die sich längst bewährt hat: Um die Vor- oder Nachteile von KB- oder Mittelformat-Systemen auszuschalten, sollten wir über beide Systeme verfügen - für gezielten Einsatz je nach Bedarf. Denn die Fotografie mit Mittelformat stellt sich als eigenständige, in sich abgerundete Welt dar - als eine Welt der Fototechnik, die international verbreitet und bewährt ist.
Doch lassen Sie mich einen kurzen Sprung in die Historie machen - kehren wir zurück zum Aufnahmematerial und zu George Eastmans legendärer Erfindung.
Vor fast 89 Jahren gelang es George Eastman, den ersten Rollfilm der Welt herzustellen. Man schrieb das Jahr 1889. Allerdings sah dieser Rollfilm noch anders aus als die Konfektionierungen späterer Jahre. Auch in einem sehr wichtigen Punkt unterschied sich dieser erste Rollfilm der Welt noch von den heutigen: Eastman mußte damals als Schichtträger den äußerst feuergefährlichen Nitrozellulosefilm verwenden. Das änderte sich auch erst 1908, als es Eastman gelang, in seinen Laboratorien den ersten Azetatfilm herzustellen, heute bekannt als Safety Film. Aber schon weit vorher hatte der Rollfilm seinen Siegeszug angetreten, und zwar bereits 1891, als Kodak damit begann, Rollfilmpackungen auf den Markt zu bringen, mit deren Filmen eine Kamera auch bei Tageslicht geladen werden konnte. Das war ein gewaltiger Fortschritt, denn noch bis dahin war es notwendig gewesen, die komplette Kamera zur Filmentnahme und zum Laden in die Fabrik zu schicken.
Mittelformat auf neuestem technischen und optischem Stand
Mittelformat-Kameras der Gegenwart -ein neuer Trend auf dem Fotomarkt? Ich glaube ja. Es gibt nämlich sehr konkrete Anzeichen dafür, und zwar durch bahnbrechende Neuentwicklungen bei den Mittelformat-Kameras. Das Erscheinender Rolleiflex SLX erregte beträchtliches Aufsehen, denn bei Rollei hatte man bei der Konstruktion dieser Kamera völlig neue Wege beschriften. Da gab es nun plötzlich eine 6x6-Kamera, deren gesamte Funktionen völlig automatisch über einen Prozeßrechner und zwei Linear-Motore gesteuert wurden. Dieser Konstruktion lag die völlig richtige Überlegung zugrunde, daß elektronische Bauteile weit weniger dem Verschleiß unterworfen sind als mechanische Bauteile mit ähnlichen Funktionen. Außerdem wurde die SLX eine außerordentlich schnelle Kamera, wichtig für jeden Profi, der mit ihr arbeitete. Ganz abgesehen davon, daß die Rollei SLX auch einen eingebauten Motor Drive hat, der immerhin eine Bildfrequenz von 1,5 Bildern pro Sekunde schafft.
Eine andere Entwicklung, die sich in letzter Zeit sehr deutlich abzeichnet, wird durch die Firmen Mamiya und Zenza Bronica mit ihren Modellen Mamiya M 645, Mamiya M 645/1000 S und durch die Zenza Bronica ETR dokumentiert. Letztere zusätzlich noch mit einem Motor Drive lieferbar, der die ETR zu einer vollwertigen Motorkamera im Mittelformat macht. Diese drei Kameras zeigen außer ihrer sehr handlichen Bauweise auch noch ein sehr ansprechendes Filmformat, nämlich 6x4,5 cm. Es vereint praktisch die Vorteile des Kleinbildformats mit denen des Mittelformats. Die Gemüter haben sich schon oft erhitzt, wenn es um die Frage ging, Kleinbild oder Mittelformat. Fanatische Anhänger gibt es hier wie dort, läßt man jedoch den kühlen Verstand sprechen, denn wird zumindest folgendes klar: Das effektive Bildformat des 6x4,5-cm-Films beträgt 56x41,5 mm, das ergibt eine Gesamtfläche von 5324 MM2 . Dem steht beim Kleinbildformat eine effektive Bildgröße von 36x24 mm gegenüber mit einer Gesamtfläche von 864 MM2. Mithin weist der 6x4,5-cm-Rollfilm eine 2,7fach so große nutzbare Fläche auf.
Zugegeben: Auch dieses Argument leuchtet beim ersten Hinsehen nicht völlig ein, denn es ist hinreichend bekannt, daß die Objektive guter Kleinbildkameras denen des Mittelformats in Schärfeleistung, Kontrast und Brillanz keineswegs nachstehen. Anders sieht die Sache aber aus, wenn ein SW-Negativ vergrößert wird - für Farbe gilt das gleiche, wobei dann noch die Farbsättigung eine Rolle spielt. Eine 18x24-Vergrößerung des 6x4,5-Rollfilms besitzt in etwa die gleiche Qualität wie eine solche von 9x12 im Kleinbildformat. Hier wird bereits deutlich, daß das Mittelformat für den engagierten Amateur noch eine ganze Reihe von Reserven bietet. Und wer selbst vergrößert, der weiß, daß die eigentliche Wirkung eines Bildes, einer Vergrößerung oder einer Ausschnittsvergrößerung erst so um 18x24 und größer (z. B. 30x40) beginnt.
Der Trend geht zur Handlichkeit, Kompaktheit und Universalität
Das ist das eine Argument, das trotz aller Gegenargumente, wie höherer Gewicht der Kamera, größerer Preis von Body und Wechseloptiken, begrenzte Konfektionierung des Aufnahmematerials dennoch sticht. Zumindest beim engagierten Amateur. Und deswegen ist auch der Trend zu kleineren und handlicheren Mittelformat-Kameras nicht ohne Bedeutung für den Markt. Denn bei diesen Modellen sind die Objektive wesentlich billiger, ebenso das sonstige Zubehör. Es ist sicher nicht übertrieben, bei den 6x4,5-Kameras von einer neuen Mittelformat-Generation zu sprechen.
6x6 - das klassische Mittelformat ein alter Hut? Ich sage nein. Und das nicht nur, weil ich seit vielen Jahren selber eine einäugige 6x6-Kamera besitze. Vieles mag eine Geschmacksfrage sein. Es gibt Fotografen, die das quadratische Format rundweg ablehnen. Sie sagen, daß dieses Format vom gestalterischen Aspekt her tot sei. Denn ein quadratisches Bildformat schließt die zugegebenermaßen reizvolle und auch kreative Möglichkeit des Hoch- und Querformats aus. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß zum Beispiel die Bildgestaltung bei meiner Kleinbildausrüstung eine gänzlich andere ist als die bei meiner 6x6. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter, d. h. ich bin ihn für mich persönlich längst gegangen: Beide Systeme haben gänzlich verschiedene aufnahmetechnische Einsatzgebiete.
Eine 9x9-Vergrößerung, gleich, ob Farbe oder Schwarzweiß, enttäuscht fast immer. Es sollte wenigstens 13x13 sein, aber das wird erheblich teurer. Kostet beim Fotohändler so um die 2,50 DM in Farbe, 18x18 hingegen bereits zwischen 8 und 9 DM. Anders wird die Sache, wenn man Dias macht. Ich besitze eine große Leinwand, die bis zur Decke unseres Wohnzimmers reicht. Da kommt dann das quadratische Format hervorragend zur Geltung, denn die Farbsättigung eines solchen Dias ist hervorragend, außerdem füllt es die gesamte Leinwand aus. Sehr spürbar wird das bei Makroaufnahmen, wo kleinste Details plötzlich zu leben beginnen. Aber auch Landschaftsaufnahmen sind ein Erlebnis. Kommt noch hinzu, daß mir persönlich das quadratische Format auch vom gestalterischen Aspekt her sehr gut gefällt, auch wenn man sich ein wenig schwerer tut als beim Hoch- und Querformat. Dazu gehört auch das Format 6x7 (z. B. Mamiya RB 67 Pro S). Ein Format, das z. B. von Grafikern zu Reproduktionen bevorzugt wird, für den Amateur jedoch die Schwierigkeit birgt, einen passenden Diaprojektor zu bekommen.
Die Sucher-Systeme der Mittelformatkameras: Die meisten Mittelformat-Kameras haben als Grundausstattung noch den guten alten Faltlichtschacht, oft auswechselbare Einstellscheiben, aber keineswegs immer. Die Hersteller von Mittelformatkameras wissen sehr gut, warum dieser Faltlichtschacht zumeist zur Grundausrüstung gehört. Das merkt man sehr schnell bei Aufnahmen in Bodennähe, da ist er einfach von unschätzbarem Wert. Kommt noch das große und sehr gut zu übersehende Sucherbild hinzu. Bei auswechselbaren Einstellscheiben auch mit Hilfslinien oder - sofern nicht sowieso vorhanden - mit Schnittbildentfernungsmesser, Mikroprismenring oder auch dem äußerst praktischen Schrägkeil: Das Scharfstellen, die Beurteilung der Schärfentiefe, wird hier sehr einfach.
Auswechselbare Sucher- und Meßsysteme für jeden Zweck
Aber - und das ist sehr wichtig - man ist heute nicht mehr auf den Faltlichtschacht beschränkt. Es gibt Prismensucher, mit und ohne TTL-Messung, es gibt Belichtungsautomaten, es gibt Belichtungsmesser, die sich selbsttätig nach 15 Sekunden Meßdauer wieder abschalten (bei Mamiya-645-Modellen). Man kann also bei diesen Prismenaufsätzen niemals vergessen, den Belichtungsmesser abzuschalten. Und während man im Faltlichtschacht noch mit einem aufrechten, aber seitenverkehrten Sucherbild vorlieb nehmen muß (was aber nach ganz kurzer Eingewöhnung überhaupt nicht mehr stört!), ist das Bild im Prismensucher seitenrichtig. Es gibt für viele der Mittelformat-Kameras Sport- und andere Spezialsucher. Solche mit Schrägeinblick von 45 Grad, andere mit aufsetzbarer Lupe für Nahaufnahmen oder Reproduktionen, es gibt sogenannte Drehspiegelsucher, bei denen man bei aufrechtem, seitenrichtigem Bild das Sucherokular um 90 Grad verdrehen kann.
Noch eine Besonderheit muß ich an dieser Stelle erwähnen, weil sie zeigt, welche aufwendigen Wege die Konstrukteure der Mittelformat-Kameras beschreiten, um eine optimale Lösung zu erreichen. Bei der Zenza Bronica EC-TL konstruierte man einen geteilten Rückschwingspiegel, um den Spiegel auf diese Weise besonders groß machen zu können und ein besonders helles Sucherbild zu bekommen. Der Spiegel besteht praktisch aus zwei Teilen, wobei der untere Teil kleiner gehalten ist. Beim Auslösen taucht der untere Teil weg. Das vermindert die Erschütterungen der Kamera beim Auslösen und verhindert obendrein Sucherbildvignettierungen auch bei großen Tele-Objektiven.
Rückteile, Wechselmagazine, Filmeinsätze für jeden Filmtyp
Hier wird klar, worin unter anderem die Stärke der Mittelformat-Kameras liegt: in der Vielfalt ihrer Aus- und Umrüstmöglichkeiten. Und das gilt nicht nur für die Suchersysteme, das gilt in ganz besonderem Maße noch für eine andere Eigenart fast aller Mittelformat-System-Kameras.
Wechselmagazine, Filmeinsätze und Spezialrückwände: Bei den großen Mittelformat-Systemen wie Hasselblad, Zenza Bronica, Mamiya, Kowa, Asahi Pentax, Rollei, Beroflex und last not least - Linhof hat man sich auf auswechselbare Magazine, Spezialrückwände und Filmeinsätze spezialisiert. Der engagierte Amateur, der sich heute entschließt, eine Mittelformat-Kamera aus einem dieser Systeme zu kaufen, profitiert von der Tatsache, daß diese Kameras für Profis, für Journalisten, Werbefotografen, Lichtbildner und andere Aufgaben konstruiert wurden.
Es gibt kaum eine Situation fotografischer Art, die mit diesem Zubehör nicht zu meistern wäre. Es gibt Wechselmagazine für jedes der üblichen Rollfilmformate, also 6x7, 6x6, 6x4,5. Es gibt Magazine für das inzwischen leider so gut wie vom Markt verschwundene 4x4-Format. Für fast alle Systemkameras werden Polaroid-Rückteile gefertigt, und zwar für alle gängigen Sofortbildfilme. Das ist wichtig, denn es gibt viele Aufnahmesituationen, wo der Sofortbildfilm eindeutig von Vorteil ist.
Polaroid-Rückteile haben sich schon oft bei Expeditionen, wo einfach klar sein muß, ob die Aufnahme gelungen ist oder nicht, weil eine spätere Wiederholung mit ernormen Kosten verbunden, wenn nicht sogar unmöglich wäre, als äußerst vorteilhaft erwiesen. Die Industrie hat Rückwände für beiderseitig perforierten 70-mm-Film geschaffen, Fassungsvermögen bis zu 400 Aufnahmen. Äußerst nützlich z. B. bei Luftbild-Kameras wie der Aero Electric von Linhof, die auch zu wissenschaftlichen und Überwachungsaufgaben eingesetzt wird. Es gibt Rückwände, die sich für Hoch- und Querformat-Aufnahmen um 90 Grad verdrehen lassen (z. B. Mamiya RB 67 PRO S, Drehrahmen-Wechselmagazin-System). Spezialkassetten mit motorischem Filmtransport sind ebenso lieferbar wie jene für Planfilm oder Platten. Es gibt Schnelladesysteme mit Rollfilmeinsätzen (z. B. Rolleiflex SLX, Mamiya 645 und Mamiya 645/1000 S, um nur einige zu nennen). Bei diesen Magazinen hat man die Möglichkeit, die Filmeinsätze mit den verschiedensten Filmen zu Hause zu laden. Da sie nur wenig Platz beanspruchen, kann man etliche davon in der Rocktasche oder wo auch immer unterbringen. Das Wechseln der Einsätze ist dann nur eine Sache von Sekunden und auch bei strenger Kälte und mit klammen Fingern leicht und bequem, sowie schnell durchzuführen.
Kowa entwickelte die Super 66. Diese Kamera hat L-förmige Magazine, bei denen der lästige Schieber, wie ihn z. B. alle Hasselblad-Modelle noch heute haben und ohne den man glatt aufgeschmissen ist, weil sich ohne den eingeschobenen Schieber das Magazin nicht wechseln läßt, einfach fortfällt.
Bei den Linhof-Kardan-Modellen entwickelte man neigbare Rückteile und Objektiv-Standarten, um perspektivische Verzeichnungen auszugleichen. Zum gleichen Zweck rüstete man auch die Linhof-Technika-Laufboden-Kameras mit neigbaren Rückteilen aus. Ebenfalls besitzt eine solche Entzerrungsvorrichtung (nach Scheimpflug) die Rolleiflex SL 66, allerdings nicht an der Rückwand, sondern an der Objektivstandarte, die sich bei ausgezogenem Balgen um 8 Grad nach oben und unten neigen läßt. Eine andere Lösung, diesmal mit neigbarem Rückteil, aber feststehendem Objektiv, präsentiert die Mamiya Super Press 23.
Einäugige und zweiäugige Kameras für Rollfilmaufnahmen
Die Vielfalt ist so groß, daß es nicht möglich ist, an dieser Stelle auf jede vorhandene Variante einzugehen. Deshalb mag dieser Überblick genügen. Denn es gibt bei den Mittelformat-Kameras noch weitere technische Finessen, die nicht unerwähnt bleiben sollten.
Technische Besonderheiten bei Mittelformat-Kameras: Zunächst einmal unterscheidet man grundsätzlich zwei Kameratypen: Einäugige und zweiäugige Spiegelreflexkameras. Auch wenn die einäugigen viel zahlreicher vertreten sind, gab es eine Zeit, wo die zweiäugigen den Markt beherrschten. Wer erinnert sich nicht an die zweiäugigen "Rolleis", mit denen noch heute in der ganzen Welt fotografiert wird, obwohl sie nicht mehr hergestellt werden. Die zweiäugigen Rolleis bewirkten - ähnlich wie die Leica - eine Revolution der Fotografie aufgrund von Präzision, Schnelligkeit und Robustheit der Rollei-Modelle. Sie waren - verglichen mit bisherigen Kameras - von der Konstruktion her weniger aufwendig, mithin auch preisgünstiger. Außerdem -wer viel fotografiert, der schätzt absolute Zuverlässigkeit. Den zweiäugigen 6x6-Kameras fehlte so gut wie nie etwas. Sie verfügten über eine sehr robuste Mechanik, gerade ihre technische Unkompliziertheit war es, die sie auch in extremen Situationen klaglos funktionieren ließ. Das soll nicht bedeuten, daß die heutigen "Einäugigen` nicht über diese Zuverlässigkeit verfügen, aber sie muß teuer bezahlt werden, weil sie aufgrund der technischen Gesamtkonzeption eben erheblich aufwendiger in Konstruktion und Ausführung sind. Dafür verfügen sie aber auch über erweiterte technische Möglichkeiten.
Mamiya C330f: Spitzenmodell aller zweiäugigen Rollfilmkameras
Aber Vorsicht - denn noch gibt es ein paar Modelle zweiäugiger Spiegelreflexkameras, die auch heute noch zu den Spitzenmodellen auf dem Sektor des Mittelformats gehören. Ich denke da an die Mamiya C 330f, die es an technischen Möglichkeiten sehr wohl mit manch einer "Einäugigen" aufzunehmen vermag. Auch ihre technisch etwas vereinfachte Schwester, die Mamiya C 220, verdient es, hier erwähnt zu werden. Als dritte gibt es dann noch die zweiäugige Yashica Mat-124G. Außer diesen drei Kameras wurde über verschiedene Warenhäuser noch eine Zweiäugige vertrieben, die rot-chinesische Seagull. Aber damit hat es sich dann auch schon. Und ehrlich gesagt: Ich finde das schade, denn die zweiäugigen Spiegelreflexkameras besaßen nicht nur Weltgeltung, sondern sie hatten und haben durchaus ihre Daseinsberechtigung. Aber worin liegt denn nun eigentlich ihr Nachteil gegenüber den einäugigen Kameras? Was hat denn zu ihrem allzuplötzlichen Aussterben geführt? Zunächst waren Wechselobjektive für diese Kameragattung nicht gerade billig, denn man brauchte ja grundsätzlich zwei. Eins als Aufnahmeobjektiv, das andere für den Sucher. Wobei das Sucherobjektiv natürlich technisch nicht so aufwendig zu sein brauchte wie das Aufnahmeobjektiv. Das zweite Handicap lag zweifellos bei den Nahaufnahmen. Denn die zwei Objektive (Sucher- und Aufnahmeobjektiv) erforderten einen Parallaxenausgleich, ohne den der Bildausschnitt und auch das Sucherbild nicht mehr stimmten. Natürlich gab es entsprechendes Zubehör. Aber das war oft eine umständliche und ärgerliche Geschichte, Schwierigkeiten, die die Einäugige von Haus aus nicht hatte. Dritter Punkt: Auch die TTL-Messung machte Schwierigkeiten, auch hier erwies sich die einäugige Schwester wirklich überlegen. Trotzdem, sehen wir uns doch die Mamiya C 330 f, eine hochmoderne Zweiäugige, einmal näher an.
Wechselobjektive für die universelle zweiäugige Spiegelreflex
Sie hat sieben Wechselobjektive. Dazu eine automatische Anzeige der Parallaxe und des Verlängerungsfaktors bei Nahaufnahmen. Sechs auswechselbare Einstellscheiben, dazu sechs verschiedene auswechselbare Sucher - vom Lichtschacht bis zum CdS-Porroflexsucher, der übrigens durch das Sucherobjektiv mißt. Verschiedene Augenkorrekturlinsen gibt es auch, versteht sich am Rande. Und - ein großer eingebauter Balgen, der völlig problemlose Nahaufnahmen erlaubt: Geringster Abstand mit Weitwinkel vom Aufnahmeobjekt 241 mm. Und natürlich auch - wie fast alle 6x6-Kameras ist sie umstellbar auf die beiden Rollfilm-Konfektionierungen 120 und 220. Das ist eine Ausrüstung, die sogar für einen Profi ausreicht, und deshalb trägt diese Kamera ihren Namen Professional zu Recht.
Ich will hier wirklich keine Reklame für die Firma Mamiya machen, da aber andere Modelle dieser Art nicht mehr am Markt sind, mußte ich das Kind auch beim Namen nennen. Erwähnt sei aber auch noch, daß fast alles Zubehör der C330f auch zur C220 paßt, nur auswechselbare Einstellscheiben hat sie nicht.
Bei der Yashica Mat-124G gehört ein eingebauter CdS-Belichtungsmesser zur Grundausrüstung. Sie hat anstelle der Wechseloptiken Vorsatzlinsen für den Tele- und Weitwinkelbereich. Außerdem sind Nahlinsen der Stärke 1:2 und 3 lieferbar - mit Parallaxausgleich.
Sicher, die einäugige Spiegelreflexkamera ist ausbaufähiger. Einzuholen ist dieser Vorsprung - konstruktionsbedingt - von der Zweiäugigen nicht. Das sollen einige weitere Beispiele belegen.
Umschaltbar auf Zentral- oder Schlitzverschluß: Hasselblad 2000 FC und Rollei SL 66: Es war gar nicht leicht, was das Haus Hasselblad sich mit der Konstruktion der 2000 FC vorgenommen hatte. Ein großes Objektivprogramm war vorhanden, aber alle Objektive hatten einen Zentralverschluß. Der Body der 2000 FC jedoch einen Schlitzverschluß, der Verschlußzeiten bis zu 1/2000 sek. garantierte und dessen Verschlußrollos eine eigene elektronische Steuerung haben. Hasselblad schaffte Rat: Durch einen einzigen Schalter kann wahlweise auf Schlitz- oder Zentralverschluß geschaltet werden. Aber das ist noch nicht alles - auch die Objektive mit Zentralverschluß können mit dem Schlitzverschluß der 2000 FC benutzt werden, weil sich der Zentralverschluß abschalten läßt, dann tritt automatisch der Schlitzverschluß der Kamera in Aktion, und zwar über den gesamten Bereich. Lediglich die neuen, eigens für die 2000 FC konstruierten Objektive, die keinen eigenen Verschluß aufweisen, können an den übrigen Hasselblad-Modellen nicht verwendet werden.
Bei der Rollei SL 66 kann wahlweise vom Schlitzverschluß auf Zentralverschluß umgeschaltet werden. Aber für die SL 66 gibt es lediglich zwei Objektive mit Zentralverschluß. Allerdings können bei der SL 66 drei der Objektive, und zwar das 4/50, das 2,8/80 und das 5,13/1120 auch in Retro-Stellung verwendet werden, ein entsprechender Anschluß an den Objektiven ist vorgesehen. Ein wichtiger Vorteil für Nahaufnahmen!
Spitzenreiter modernster Technik: Die Hasselblad 2000 FC
Die Hasselblad 2000 FC hat noch etwas, was mich beeindruckt, auch wenn es sich eigentlich nur um eine Kleinigkeit handelt: Die 6-Volt-Batterie (PX 28) ist in einem auslaufsicheren Einschiebfach untergebracht, so daß auch eine auslaufende Batterie keinerlei Schaden anzurichten vermag. Beeindruckt an dieser Kamera hat mich ebenfalls das Spiegelprogramm. Das hört sich kompliziert an, von der Konstruktion her ist es das auch. Aber hinter diesem Wort verbirgt sich die Möglichkeit, den Schwingspiegel der Hasselblad 2000 FC vorzuprogrammieren. Programm
1:Der Spiegel bleibt nach der Belichtung in hochgeschwenkter Lage stehen, geht aber sofort nach Beginn von Filmtransport und Verschlußspannung in die Ausgangslage zurück. Programm
2: Der Spiegel geht sofort nach der Belichtung in die Ausgangslage zurück. Nach 1/30 sek. ist das volle Sucherbild wieder zu sehen. Programm
3: Der Spiegel wird nach der Belichtung in hochgeschwenkter Lage arretiert. In dieser Lage schließt der Spiegel einen Kontakt, der eine sofortige Neubelichtung ermöglicht. Außerdem gibt es noch eine Besonderheit am Spiegelprogrammwähler. Durch einen Druck auf die zentrale Federscheibe werden beabsichtigte Doppelbelichtungen ermöglicht.
Das Doppelbajonett für Präzision und extreme Robustheit
Dies alles ist auch für einen wirklich engagierten Amateur sehr wichtig und es zeigt technische Möglichkeiten modernen Kamerabaus auf, die der Profi und jeder Anwender ganz bestimmt zu schätzen und auch zu nutzen weiß.
Doppelbajonett - eine aufwendige, aber notwendige Sache bei schweren Objektiven: Konstrukteure von SLR-Mittelformat-Kameras müssen manchmal außergewöhnliche konstruktive Lösungen anstreben. Das gilt besonders für die Bajonette an den Kameragehäusen. Es gibt immerhin Tele-Objektive für SLR-Mittelformat-Kameras bis zu 1200 mm Brennweite. Ein solches Objektiv wiegt nicht nur (in diesem Fall handelt es sich um das Nikkor 1200/1:1 für die Zenza Bronica EC-TL), sondern es hat auch eine beträchtliche Länge. Auch die Asahi Pentax 6x7 verfügt über ein 1000-mm-Spiegelobjektiv und über ein 800er mit Linsenelementen. Selbst ein 280-mmObjektiv wiegt schon fast 1800 Gramm bei der Einäugigen. Und bis zu 500 mm reichen die Objektive fast aller Mittelformat-SLR-System-Kameras.
Aus diesem Grunde haben sich beispielsweise die Konstrukteure der Zenza Bronica EC-TL und die der Asahi Pentax 6x7 etwas Entsprechendes einfallen lassen. Bei der Zenza Bronica EC-TL gibt es einen kleinen Bajonettring, der sieben Objektive bis zu 200 mm aufnimmt. Für Objektive von 300-1200 mm (fünf Objektive) ist der große Bajonettring! Ähnlich gelöst wurde dieses Problem bei der Asahi Pentax 6x7. Sie verfügt über ein sehr präzise gearbeitetes Innenbajonett, das alle Objektive von 35-300 mm aufnimmt. Das Außenbajonett reicht dann von 400 bis 1000 mm. An dieser Stelle sei noch erwähnt, daß z. B. die Asahi Pentax 6x7 auch über ein ganz speziell für sie angefertigtes Unterwassergehäuse verfügt, das vom 55mm-Weitwinkel übers 35-mm-Fisheye bis hin zum 200-mm-Teleobjektiv alles mittels vorschraubbarer Spezial-Frontteile aufzunehmen vermag. Es ist absolut wasserdicht bis zu 50 Metern Tiefe. Ober ein ähnliches Unterwassergehäuse eigener Fertigung verfügen auch die Hasselblad-Modelle, ausgenommen die 2000 FC.
Aber damit sind die technischen Raffinessen der Mittelformat-System-Kameras keinesfalls erschöpft.
Fernauslöseeinrichtungen, Intervalometer, Belichtungsverlängerungen und Sonstiges: Das Mittelformat hätte niemals zum System der Profis werden können, wenn es nicht auch über diverse Möglichkeiten der Fernbedienung verfügen würde. Es stehen Kabelfernauslösung, Funksteuerung, Intervalometer, Simultanauslöser und sogar Zusatzgeräte zur Verfügung, mittels derer man Belichtungsverlängerungen um den Faktor 60 (!) erreichen kann. (Letztere bei der Hasselblad 2000 FC, es geschieht durch Austauschen des Akkufaches gegen ein Batteriekassettenfach mit eingebautem Elektronikkreis, der als Zeitvervielfacher ausgelegt ist. Dadurch wird z. B. 1 Sekunde zu einer Minute.) Sicher gäbe es noch eine ganze Menge, was zu sagen sich lohnte, aber wirklich ins Detail zu gehen, ist nicht Sache dieser Marktübersicht und dieses Reports, sondern von Einzelbeiträgen.
Was man an Geld investieren muß, um ins Mittelformat einzusteigen! Sie werden es nicht glauben, aber schon für runde 450 DM sind Sie dabei. Das etwa kostet die Yashica Mat-124G. Eine vollwertige Kamera, die bereits viele fotografische Möglichkeiten eröffnet. Nach oben sind allerdings auch kaum Grenzen gesetzt. Mittelformat-System-Kameras mit einigem Zubehör an Objektiven, Suchern, Einstellscheiben, Wechselmagazinen oder Filmeinsätzen - da sind 3000 oder 4000 Mark schnell beisammen. Trotzdem - nur keine Furcht.
Die preisgünstige, universelle Mittelformat-System-Ausrüstung
Denn Sie erhalten auch schon vollwertige System-Mittelformat-Kameras um 1500 Mark. Ich denke da hauptsächlich an die neue Generation der Mittelformatkameras mit dem 6x4,5-Format, die, jede für sich, auch über beachtliches Zubehör an Wechselobjektiven, Suchern, Einstellscheiben etc. verfügen.
Das Mittelformat - ein neuer Trend auf dem Fotomarkt? Ein Weg zur kreativen Fotografie? Bestimmt. Ich weiß aus ureigenster Erfahrung, daß ich zwar sehr oft zu meiner Kleinbildkamera greife, aber daß ich die Aufnahme mit der "großen", mit meiner "6x6", geradezu zelebriere. Es gibt da eine Reihe von Aufnahmen, die ich mir immer wieder in einer stillen Stunde ansehen kann und über die ich immer wieder die gleiche Freude empfinde.
Noch ein Wort zur Tabelle. Es war schwierig, bei dieser Fülle der Details eine tabellenmäßige Übersicht zu erarbeiten, die den Fakten und Möglichkeiten einigermaßen gerecht wurde. Ich habe deswegen auf manche Selbstverständlichkeit und deren Erwähnung von vornherein verzichtet und mich mehr auf die Kriterien gestützt, die mir wirklich wichtig erschienen. Aus diesem Grunde lohnt es sich auch, die Rubrik "Besonderes" aufmerksam zu lesen.
Positiv und erfreulich: Die Zukunft des Mittelformat-Systems
Ganz bewußt habe ich auch die Linhof-Großbildkameras mit in die Tabelle hineingekommen. Es ist weitgehend unbekannt, welche hervorragenden Möglichkeiten gerade die Linhofs dem engagierten Amateur bieten. Und es handelt sich beileibe nicht nur um Kameras (siehe z. B. Rubrik Linhof Technika- oder Spezial-Kameras!), für die man zum Transport gleich einen Kleinlaster benötigt. Insgesamt hat die Kamera- und die Objektiv-Technik für Mittelformat längst nachgezogen und befindet sich auf einem ebenso hohen Stand wie die KB-SLR-Systeme neuester Prägung. Zu beachten ist auch, daß alle Hersteller von Mittelformat-Objektiven längst alle Objektive neu, also mit Computer, berechnet haben - ebenso wie alle Mittelformat-Zubehöre ständig verbessert wurden und werden. Alles in allem erfreuliche Aussichten für das Mittelformat!
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