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Test & Technik Praxisbericht
Die Nikon F50 im Fotoalltag
Katz- und Maus-Spiel
Besonders bedienungsfreundlich soll nach firmeneigenen Angaben das Konzept der neuen Nikon F50 sein. Verschiedene Einstellebenen und zahlreiche Tasten lassen eher das Gegenteil erwarten. Erbringt die Nikon F50 eine Computerleistung jenseits verwertbarer Ergebnisse oder erfüllt sie die geheimen Sehnsüchte der SLR-Einsteiger?
Widerspruch wird in Japan nicht gern zur Kenntnis genommen und dennoch ist es den japanischen Ingenieuren des blaugelben Fotokonzerns gelungen, eine Kamera zu konstruieren, die durch Widersprüche auf sich aufmerksam macht. Diese resultieren hauptsächlich aus der Bedienung der zahlreichen Funktionen, so daß wir entgegen unseren Gepflogenheiten mit der Beschreibung der Handhabung beginnen. Gegen die fein säuberliche Trennung zwischen einer Ebene für fortgeschrittene (Advanced) und einer für technisch unbedarfte Fotografen (Simple) gibt es zunächst nichts einzuwenden. In der Simple-Ebene erscheinen beim Druck auf die Menütaste vier Piktogramme auf dem Datenmonitor (für Vollautomatik und die Motivprogramme Landschaft, Porträt und Nahaufnahmen). Vier blinkende Pfeile weisen auf die entsprechenden Tasten für die Aktivierung der Programme. In der Simple-Ebene tritt eine Art "Selbstschutzmechanismus" in Kraft, der jegliche Eingriffsmöglichkeiten auf die Kameraeinstellungen verhindert, damit der Fotoanfänger ja keine Fehler machen kann. Leider werden die von der Kamera automatisch gewählten Daten, wie Blende und Verschlußzeit, nicht angezeigt, was an die Zielgruppe der Kamera erinnert, die von Nikon mit "oberem Ende der Kornpaktkamera-Fotografen" näher umschrieben wird. Ist das gewünschte Programm eingeschaltet, muß der Fotograf nur noch auf den Auslöser drücken. Für die Umschaltung zwischen den einzelnen Programmen muß sogar in dieser Ebene zuerst die Menütaste und dann die entsprechende Wahltaste gedrückt werden. Wenn man mindestens zwei Sekunden lang die Menütaste drückt, wird die Programmautomatik eingeschaltet. Bereits die hier geschilderten Schaltvorgänge geben einen Wink hinsichtlich der Bedienung der Kamera, doch richtig spannend und kompliziert wird es erst in der Advanced-Ebene. Entscheidet sich der F50-Besitzer für anspruchsvolle Fotografie in der Advanced-Ebene, muß er den Wahlschalter in die entsprechende Position schieben und anschließend auf die Menütaste drücken. Wenn man die Zeitautomatik, die Blendenautomatik oder die manuelle Belichtungseinstellung wählt, kann man die Blende beziehungsweise die Verschlußzeit mit den durch entsprechende Pfeile markierten Einstelltasten einstellen. Beim Druck auf die Einstelltaste für das "P"-Symbol wird nicht etwa die Programmautomatik eingeschaltet, sondern eine weitere Benutzerebene aktiviert, in der sich neben der Programmautomatik sieben einzelne Motivprogramme befinden, die wiederum auf drei verschiedenen Ebenen verteilt sind. Pfeile auf dem Datenmonitor informieren darüber, welche Funktion mit welcher Einstelltaste zu aktivieren ist; die Umschaltung in die unterschiedlichen Ebenen durch wiederholten Druck auf die entsprechend umfunktionierten Einstelltasten bleibt dem Fotografen aber nicht erspart. Die Klagen über die Bedienung ließen sich beliebig fortführen. Nur noch ein weiteres Beispiel: die manuelle Belichtungskorrektur. Diese vor allem für Diafotografen wichtige Funktion kann in der Advanced-Ebene mit allen Programmen (unabhängig vom gerade eingestellten Programm) nach folgendem Muster durchgeführt werden:
1. Menütaste drücken, auf dem Monitor erscheint das Hauptbelichtungsmenü (PSAM).
2. Menütaste erneut drücken, auf dem Monitor erscheint das Funktionsmenü.
3. Die erste Einstelltaste von rechts drücken (mit dem Plus-Minus-Symbol markiert).
4. Mit einer der beiden rechten Einstelltasten den gewünschten Korrekturwert eingeben.
5. Die Eingabe durch Druck auf die linke Einstelltaste (auf die nun das Plus-Minus-Symbol zeigt) bestätigen.
Fünf Einstellschritte, um eine einfache Belichtungskorrektur einzugeben, sind einfach zuviel und reduzieren den Belichtungskomfort der Nikon F50 erheblich, zumal die manuelle Korrektureingabe nur durch Wiederholung der gerade beschriebenen Schritte wieder gelöscht werden kann (durch Druck auf die Menütaste in der letzten Ebene kann ein Schritt eingespart werden). Diese Beschreibungen dürften sicher genügen, um sich ein Bild von dem "besonders bedienungsfreundlichen Konzept" der Nikon F50 zu machen.
Sind die einzelnen Belichtungsprogramme einmal eingeschaltet, zeigt die Nikon F50 eine vorbildliche Arbeitsauffassung, die durch relativ laute Betriebsgeräusche eindrucksvoll dokumentiert wird. Als störend haben wir vor allem den etwas "hinkenden" Filmtransport empfunden: Nachdem der zurückschwingende Spiegel seinen angestammten Platz wiedergefunden hat, setzt ein zunehmend lauter werdendes Motorgeräusch ein, das rund eine Sekunde dauert und schmerzhaft an den letzten Zahnarztbesuch erinnert. Der Autofokus arbeitet recht schnell und präzise, allerdings haben wir ihn in einigen japanischen Kameras derselben Preisklasse schon eifriger (und leiser) erlebt. Die 6-Feld-Matrixmessung führt in den Automatikprogrammen, vor allem beim Einsatz von D-Objektiven, zu korrekt belichteten Aufnahmen. Lediglich bei kontrastarmen Motiven kann sich bei Diafilm eine geringe Tendenz zur Überbelichtung bemerkbar machen, die aber andererseits bei kontrastreicheren Motiven (trotz 3D)- Matrixmessung) eine Unterbelichtung weitgehend verhindert. Bei manueller Belichtungseinstellung erfolgt die Messung mittenbetont integral. Für die Einstellung der Verschlußzeit und der Blende stehen die vier Einstelltasten zur Verfügung, die neben der Menütaste und der Selbstauslösertaste plaziert sind. Pfeile auf dem externen Datenmonitor informieren über die Funktion der jeweiligen Einstelltasten (Verschieberichtung der Verschlußzeiten- oder Blendenreihe) - was aber wenig nützt, wenn man die Kamera am Auge hält. In der Blenden- beziehungsweise Zeitautomatik sind glücklicherweise nur jeweils zwei Einstelltasten aktiv.
Die Motivprogramme kann man sowohl im Advanced- als auch im Simple-Modus problemlos einsetzen. Im Advanced-Modus besteht auch die Möglichkeit einer manuellen Belichtungskorrektur. Die Programmautomatik kann im Advanced-Modus "geshiftet" werden, das heißt nichts anderes, als daß man die Zeit-Blenden-Kombination bei gleichbleibendem Belichtungswert über zwei Einstelltasten verschieben kann. Zur Ausstattung der Nikon F50 gehört auch eine Speicherfunktion, mit der ein bestimmtes Programm gespeichert und durch mindestens zwei Sekunden langen Druck auf die Menütaste wieder abgerufen werden kann. Bei leerem Speicher bewirkt der anhaltende Druck auf die Menütaste die Einstellung der Programmautomatik (in Advanced und Simple). Auch die Programmrückstellung läuft bei Kameras anderer Hersteller wesentlich schneller ab. Die Blitzfotografie mit der Nikon F50 ist dagegen sehr einfach. Mit der matrixgesteuerten Aufhellblitz-Technik beispielsweise wird in den Automatikprogrammen das Verhältnis zwischen Blitzlicht und Umgebungslicht genau dosiert, und zwar sowohl mit dem ausklappbaren Kamerablitz als auch mit systemkonformen Aufsteckblitzgeräten. Die nicht praxisgerechte Bedienung schmälert erheblich den Gesamteindruck, den die Kamera hinterläßt, und führt zur Abwertung, so daß die Nikon F50 das Prüfsiegel Praxisbericht mittelmäßig" erhält.
Kommentar
Die Nikon F50 ist, gemessen am Gehäusepreis von 850 Mark, reichlich und gut ausgestattet. Das Vorhandensein der Funktionen sagt aber nichts über deren Bedienbarkeit aus, so daß aus dem Umgang mit der Kamera durchaus größere Probleme erwachsen könnten. Zwar kann man natürlich in jedem Programm mit der Nikon F50 fotografieren, die Aktivierung wichtiger Funktionen bereitet dem Fotografen mitunter aber auch subtile Formen eines Martyriums. Der Hinweis, daß die Bedienung logisch aufgebaut ist und der Fotograf Schritt für Schritt in die entsprechenden Ebenen geführt wird, kann nicht über die große Anzahl der einzelnen Schritte hinwegtrösten. Man kann außerdem nicht ganz ausschließen, daß der Fotograf vor lauter Einprogrammieren das Fotografieren vergißt. Es ist im Interesse der Fotografie nur zu hoffen, daß an diesem praxisfernen Bedienungskonzept nicht mit japanischer Unbeirrbarkeit festgehalten wird. Die Bedienung über winzige Einstelltasten statt Einstellräder mag, je nach Sichtweise, als Fortschritt erscheinen. Es ist aber kein beruhigender Fortschritt, denn er dient nicht dazu, die Freude am Fotografieren zu vermehren. Ein Fortschritt, der das Fotografieren weder einfacher noch besser macht, hat seine eigentliche Bestimmung verfehlt. Darüber hinaus sind die Tasten für wichtige Einstellungen recht klein und vor allem schlecht positioniert, so daß man die Hände einer erfahrenen Hebamme für eine sachgerechte Bedienung benötigt. Es bleibt außerdem offen, ob Nikon mit der F50 nicht einen ähnlichen Fehler begeht wie seinerzeit Minolta mit der Dynax 7xi: Eine gut ausgestattete, aber mühsam zu bedienende Kamera auf den Markt zu bringen, die als Antwort auf eine Frage konzipiert wurde, die niemand gestellt hat. Fotografen, die hauptsächlich an Bildern interessiert sind, müssen sich den Weg zur eigentlichen Aufnahme durch zu viele Schaltebenen erarbeiten, und Computerfreaks, die hauptsächlich am Einprogrammieren verschiedener Funktionen und weniger am Fotografieren interessiert sind, werden auch keine ungetrübte Freude an der Nikon F50 haben, denn sie werden sicher eine Maus oder ein Touchdisplay vermissen. Daher läßt sich, trotz präzisen firmeneigenen Angaben, die Zielgruppe nicht genau erkennen. Vielleicht ist die neue Kamera aber auch nur ein Mißverständnis, das mit einer Kundenbefragung im Rahmen der nächsten Modellpflege zu beheben ist. Bis dann muß sich die Nikon F50 mit dem COLOR FOTO-Prüfsiegel mittelmäßig** begnügen.
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