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Test und Technik Praxisbericht
Contax RX mit Digital Focus Indicator
Scharfmacher
In der manuell zu fokussierenden Contax RX hat ein sogenannter Digital Focus Indicator seinen Platz gefunden. Wir haben in der Praxis unter anderem auch geprüft, ob dieses neue Ausstattungsmerkmal nicht fehl am Platz ist.
Wenn man im eigenen Hause Autofokuskameras baut, liegt die Versuchung nahe, AF-Technologie auch in MF-Kameras einzubauen. Dieser Versuchung ist der japanische Konzern Yashica Kyocera offenbar erlegen, denn in der neuen Contax RX will man mit einem an die AF-Technologie angelehnten Digital Focus Indicator (DFI) die manuelle Scharfeinstellung erleichtern. Diese digitale Fokussierhilfe ist mit einer abschaltbaren Schärfentiefenanzeige kombiniert. Das Grundprinzip ist seit Jahren Gekannt und in zahlreichen AF-Kameras eingebaut: Bei angetapptem Auslöser und manueller Scharfeinstellung signalisiert eine grüne Leuchtdiode die erfolgte Fokussierung. Bei der Contax RX wurde die Fokussieranzeige zu einem mehrstufigen Indikator ausgebaut und um eine Schärfentiefenanzeige ergänzt. Beide Anzeigen sind bei eingeschalteter Belichtungsmessung für etwa 16 Sekunden zu sehen. In der Praxis arbeitet die Fokussierhilfe so genau wie ein Autofokussystem. Sie weist aber freilich nicht nur die Genauigkeit, sondern auch die Schwächen der Autofokussysteme auf. Bei kontrastarmen oder sehr hellen oder dunklen Motiven, die keine deutliche Struktur aufweisen, macht der Digital Focus Indicator durch Arbeitsverweigerung auf sich aufmerksam. Starkes Gegenlicht oder Spitzlichter in der Nähe des Schnittbildes können die Fokussierhilfe ebenfalls irreführen. Die DFI-Sensoren können außerdem gleichmäßige Muster oder Linien, die parallel zur Schnittbildkante verlaufen, normalerweise nicht erkennen. Problematisch kann es auch werden, wenn zwei deutlich erkennbare Motivdetails in unterschiedlicher Entfernung von der Schnittbildkante erfaßt werden: Mal wird die Schärfe für das kontrastreichere, mal für das näher entfernte Detail angezeigt und mal wird keine Fokussiermöglichkeit signalisiert. Von diesen systembedingten Schwächen abgesehen, kann der Digital Focus Indicator eine willkommene Hilfe beim manuellen Scharfeinstellen sein. Vor allem fehlsichtige Fotografen werden die Fokussieranzeige zu schätzen wissen.
Eher zweifelhaft ist dagegen der Wert der Schärfentiefenanzeige, die in Verbindung mit dem Fokussierindikator anzeigen soll, ob eine abweichende Scharfeinstellung sich noch im Bereich der Schärfentiefe befindet. Das anzeigen zu wollen, ist an sich ein lobenswerter Vorsatz. Leider ist aber die Verwirklichung dieses Vorsatzes in der Contax RX eindeutig mißlungen. Die Schärfentiefenanzeige besteht aus einem zentralen quadratischen Indikator, der von bis zu maximal sechs Strichen auf jeder Seite frankiert wird. Bei kleineren Blenden (= größere Blendenöffnungen) als 3,5 leuchtet nur der quadratische Indikator auf. Bei Blende 4 bis 4,5 leuchtet je ein Strich auf jeder Seite, bei Blende 5,6 bis 6,5 sind es je zwei Striche und so weiter, bis die Anzahl von je sechs Strichen bei Blende 22 erreicht wird. Die Fokusskala befindet sich direkt unter der Schärfentiefeskala, und jeder Kreismarkierung für die Fokusabweichung entspricht eine Strichmarkierung für die Schärfentiefe. Wenn sich die Fokusabweichung innerhalb der angezeigten Schärfentiefe befindet, dann "liegt die Abweichung noch im Schärfentiefenbereich der eingestellten Blende", so die Bedienungsanleitung - wenn man Glück hat, muß man hinzufügen, denn die Schärfentiefe folgt anderen Gesetzen als die Schärfentiefenanzeige der Contax RX. Die Schärfentiefe ist nämlich nicht nur von der Blendenöffnung, sondern auch vom Zerstreuungskreisdurchmesser und dem Abbildungsmaßstab abhängig. Für die Ausdehnung der Schärfentiefe gelten grundsätzlich folgende Faustregeln: Bei Aufnahmeentfernungen zwischen 'unendlich und etwa dem Zwanzigfachen der Brennweite dehnt sich die Schärfentiefe ein Drittel vor und zwei Drittel hinter der Einstellebene aus. Im Bereich zwischen etwa dem Zwanzigfachen der Brennweite und der Entfernung bei Aufnahmen im Maßstab 1:1 erstreckt sich die Schärfentiefe je zur Hälfte vor und hinter der Einstellebene. Bei Aufnahmen im vergrößerten Abbildungsmaßstab dehnt sich die Schärfentiefe zwei Drittel vor und ein Drittel hinter der Einstellebene aus. Die Schärfentiefenanzeige der Contax RX gilt also für bestimmte Nah- und Makroaufnahmen, nicht aber für den Entfernungsbereich, in dem normalerweise die meisten Aufnahmen entstehen, nämlich für Aufnahmeentfernungen zwischen unendlich und etwa dem Zwanzigfachen der Brennweite. Die Schärfentiefe wird neben dem Zerstreuungskreisdurchmesser und der Blendenöffnung vor allem durch die Brennweite und Aufnahmeentfernung, das heißt durch den Abbildungsmaßstab bestimmt.
Grundsätzlich gilt folgendes: Bei gleichbleibendem Abbildungsmaßstab ist die Schärfentiefe um so größer, je kleiner die Blendenöffnung ist, und umgekehrt. Bei gleichbleibender Aufnahmeentfernung nimmt die Schärfentiefe mit zunehmender Brennweite (genauer: mit dem Quadrat der Brennweite) ab und umgekehrt. Bei gleicher Brennweite nimmt die Schärfentiefe proportional zur Aufnahmeentfernung ab oder zu. All diese Faktoren bleiben bei der Schärfentiefenanzeige der Contax RX jedoch unberücksichtigt. Die Schärfentiefenanzeige der Contax RX wäre eine echte, wertvolle Hilfe, wenn sie genau wäre. Tatsächlich ist diese Digitalanzeige aber ungenauer als die altehrwürdige Schärfentiefenskala der MF-Objektive.
Die Belichtungsprogramme der Contax RX arbeiten sowohl mit Integral- als auch mit Selektivmessung gut. Auch über die Arbeitsauffassung der sonstigen Funktionen, wie automatische Belichtungsreihen, manuelle Belichtungskorrektur, motorischer Filmtransport oder Belichtungsspeicherung, läßt sich keine Klage führen. Die Kamera ist gut ausgestattet und es gibt eigentlich keine Funktion, die man vermissen würde, obwohl beispielsweise Programmshift, die manuelle Einstellung der ,Verschlußzeiten in halben Stufen, Spiegelvorauslösung und ein herkömmliches Drahtauslösergewinde einer hochwertigen MF-Kamera gut zu Gesicht stünden.
Die Blende ist leider nur in ganzen Stufen gerastet. Im Sucher werden zwar auch halbe Blendenstufen angezeigt, die Anzeige gilt jedoch für einen bestimmten Drehbereich und ist somit nicht so präzise wie es bei genau definierten Rastpunkten der Fall wäre.
Mehr Anlaß zu Kritik gibt jedoch die Bedienung. Die Umschaltung zwischen den einzelnen Belichtungsprogrammen ist etwas schwergängig und holprig, und auch die manuelle Belichtungskorrektur könnte leichter zu erreichen sein. Die Anzeige des aktiven Belichtungsprogramms und des eingestellten Korrekturwertes im Sucher wären ebenso sinnvoll wie eine Arretierung des Einstellrades für den Dioptrienausgleich.
Für Fotografen, die an Kameras anderer Hersteller gewöhnt sind, kann die Plazierung des Verschlußzeitenrades auf der schmalen Gehäuseseite gewöhnungsbedürftig sein. Auch für die Bajonettentriegelung und das Batteriefach sind bessere Lösungen schon seit langem bekannt. Daß die Abblendtaste in der Programm- und Blendenautomatik nicht eingesetzt werden kann, ist gewollt und soll vermutlich die Logik der Konstruktion untermauern, wobei man das natürlich auch anders sehen kann.
Die Verarbeitung macht einen guten Eindruck und der Verkaufspreis von etwa 2500 Mark erscheint angemessen.
Die Contax RX erhält das COLOR FOTO-Prüfsiegel Praxisbericht gut***.
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