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Test & Technik Report

Die SLR-Kameras der Fotoketten

Preis und Leistung

In der stückzahlträchtigen Konsumklasse bieten die Fotoketten und Fotoversandhäuser einige manuell zu fokussierende Spiegelreflexkameras im unteren Preissegment an. Wir haben geprüft, ob sich die sogenannten Billigkameras hinter den teureren Modellen der Wettbewerber verstecken müssen oder nicht. Lohnt sich das Sparen?

Mit dem Image der Spiegelreflexkameras der Fotoketten und Fotoversandhäuser ist noch nicht alles im Lot. Schlechte Verarbeitung, mangelnde Robustheit und Unzuverlässigkeit werden ihnen oft nachgesagt. Daß aber der Ruf einer Kamera, sei er nun gut oder schlecht, nicht immer die Wirklichkeit widerspiegelt, ist hinlänglich bekannt, und auch die Beurteilung der Spitzenmodelle namhafter Kamerahersteller ist nicht immer frei von Mißverständnissen. Um Klarheit im unteren Preissegment zu schaffen, haben wir uns einige MF-Kameras schicken lassen, die Namen wie Carena, Cosina, Phenix, Revue, Soligor oder Zenit tragen. In den Vergleich haben wir auch die Kameras von Praktica und Ricoh aufgenommen, die zwar nicht ausschließlich, aber wohl hauptsächlich über Fotoketten und Fotoversandhäuser vertrieben werden. Hier nun unsere Testkandidaten im einzelnen: Carena 100SX, Carena 1000SX, Cosina C1, Phenix DC 303, Praktica BMS, Praktica BX20s, Revue Solar 100, Ricoh KR-10M, Soligor SR-300 MD, Zenit 12XP und Zenit 122.
Zugegeben, einen ästhetischen- Genuß bietet keine der frisch ausgepackten Kameras. Das ist aber bei den meisten der teureren Konkurrenzmodelle auch nicht anders, denn manche Designer können sich der allseits herrschenden Rundmode nur schwer oder gar nicht entziehen und treiben ungeniert ihre Styling-Spielchen. So wird der eine oder andere Fotograf durch die schnörkellose Kantenführung der Phenix, Praktica BMS, Soligor SA-300MD oder der Zenit-Modelle an die vielbeschworenen guten alten Fotozeiten (aus denen sie eigentlich "herübergerettet" worden sind) erinnert. Aber natürlich sind auch die neueren MF-Kameras nicht frei von mehr oder weniger gelungenen Rundungen, wie beispielsweise die Carena-Modelle, die Cosina C1 oder die Praktica BX20s. Die Frage, die freilich im Vordergrund steht, ist die nach der Praxistauglichkeit dieser Kameras.
Bereits bei den ersten Trockenübungen klingen so manche Betriebsgeräusche nach denen einer fußpedalbetriebenen Nähmaschine, doch auch "echte Markenkameras" erzeugen mitunter Betriebsgeräusche, die bei empfindlichen Naturen zu Unwohlsein führen können.
Der erste Eindruck offenbart insgesamt klassenübliche Verhältnisse, die auf die Ausrichtung auf eine wenig ambitionierte, eher durchschnittliche Fotoklientel schließen läßt. Dementsprechend waren wir gespannt, ob dieser Eindruck durch das Agieren der Kameras im Fotoalltag bestätigt oder widerlegt wird. Dazu nun die Kurzporträts der einzelnen Kameras in alphabetischer Reihenfolge.

Carena 100SX und Cosina C1

Aufgrund ihres gemeinsamen fernöstlichen Ursprungs sind die Carena 100Sx und die Cosina C1 bis ins letzte Detail baugleich (Hersteller wohl Carena). Sie haben das modernste Outfit aller hier geprüften Kameras und liegen gut in der Hand. Beide Kameras funktionieren rein mechanisch, Batteriestrom wird lediglich für den Belichtungsmesser gebraucht. Die Verschlußzeiten zwischen 1 und 1/2000 Sekunde sind gut gerastet und lassen sich problemlos einstellen, mit etwas Übung sogar mit dem rechten Zeigefinger allein. Die Einstellung der Verschlußzeit und Blende, ohne die Kamera vom Auge zu nehmen, ist also theoretisch möglich, praktisch aber problematisch, weil weder Blende noch Verschlußzeit im Sucher angezeigt werden. Dort werden nämlich lediglich die Symbole für den manuellen Belichtungsabgleich angezeigt. Die Cosina C1 kostet im Set mit dem Cosina 1,9/50 mm (Blende in ganzen Stufen gerastet) etwa 300 Mark. Die Carena 100SX wird für dasselbe Geld mit dem Super Carenar 3,5-4,8/35-70 mm angeboten, das zwischen Blende 5,6 und 22 in halben Stufen rastet, was positiv auffällt, vor allem, wenn man bedenkt, daß beispielsweise bei den Objektiven für die MF-Kameras von Contax und Nikon die Blende nur in ganzen Stufen rastet. Sowohl die Carena 100SX als auch die Cosina C1 sind mit K-Bajonett ausgestattet, was der Objektivwahl zugute kommt. Der Druckpunkt am Auslöser für die Belichtungsmessung ist gut zu finden, was in dieser Preisklasse offenbar doch nicht selbstverständlich ist. Der Spiegelschlag ist hart und die Nachschwingung ist förmlich zu spüren, was vor allem bei Stativaufnahmen und längeren Verschlußzeiten problematisch ist.

Carena 1000SX

Die Carena 1000SX ist sozusagen die größere Schwester der 100sx. Sie ist aber zusätzlich zur manuellen Belichtungseinstellung mit einer Zeitautomatik mit Blendenvorwahl ausgestattet. Allerdings fehlt dem elektronisch gesteuerten Verschluß die Verschlußzeit 1/2000 Sekunde, die bei der mechanischen 100Sx vorhanden war. Auch die Blitzsynchronzeit ist 1/60 Sekunde, und nicht 1/125 Sekunde wie bei der 100SX. Im Sucher werden die Verschlußzeiten, Über- und Unterbelichtung sowie der Betriebsmodus (A oder M) angezeigt. Der manuelle Belichtungsabgleich wird nicht nach Symbolen, sondern durch die Anzeige der Belichtungsabweichung auf der senkrechten Verschlußzeitenskala durchgeführt. Die Einstellung der Filmempfindlichkeit erfolgt manuell. Die Kamera ist auch mit einem Selbstauslöser ausgestattet. Was wir über die Bedienung der Carena 100Sx geschrieben haben, gilt auch für die Carena 1000SX, mit dem Unterschied, daß die Zeitautomatik zusätzlichen Belichtungskomfort bietet und der manuelle Belichtungsabgleich auch durchgeführt werden kann, ohne die Kamera vom Auge zu nehmen. Die Carena 1000SX kostet mit dem Super Carenar 3,5-4,8/35-70 mm etwa 400 Mark. Würde die Kamera über eine manuelle Belichtungskorrekturmöglichkeit, eine Blendenanzeige und eine Abblendtaste verfügen, könnte man sie in dieser Preisklasse uneingeschränkt empfehlen.

Phenix DC 303

Die Phenix DC 303 ist ein chinesischer Nachbau der Yashica FX-3 und ist wahlweise mit Contax/Yashica- oder mit K-Bajonett erhältlich. Die mechanische Kamera macht einen robusten Eindruck, obwohl die Finissage an manchen Stellen nicht ganz gelungen ist. Im Sucher wird lediglich die Lichtwaage für den manuellen Belichtungsabgleich angezeigt. Der kleine Durchmesser und die nicht so geglückte Positionierung des Auslösers beeinträchtigen etwas den Bedienungskomfort, was aber angesichts eines Gehäusepreises von etwa 250 Mark vielleicht zu akzeptieren ist. Dasselbe gilt auch für den harten Spiegelschlag und die etwas fummelige manuelle Einstellung der Filmempfindlichkeit. Beim Objektiv 1,7/50 mm kann die Blende in halben Stufen eingestellt werden (ausgenommen die extremen Blenden), der Objektivwechsel läuft allerdings schwergängig ab.

Die Prakticas

Die Produktion der Praktica BMS soll demnächst eingestellt werden. Das Auslaufmodell ist aber in einigen Detaillösungen dem Topmodell des Hauses, der Praktica BX20s, überlegen. So ist das Sucherbild der BMS aufgeräumter und die Blendenanzeige besser abzulesen als bei der BX20s. Das Fehlen jeder Automatikfunktion, die Gehäuseform und die Belederung machen die Praktica BMS zu einer klassischen, ja fast nostalgischen Kamera. Sie ist gut zu bedienen und besitzt mehr Ausstrahlung als das Nachfolgemodell. Die Praktica BX20s ist aber reichhaltiger ausgestattet, nämlich mit Zeitautomatik, Meßwertspeicher und DX-Kodierung. Die Belichtungskorrektur kann im Bereich von ±2 Blenden in ganzen Stufen eingestellt werden, zählt aber von der Bedienung her zu den miserabelsten Lösungen, die wir bislang kennen. Das Pentacon Prakticar 1,8/50 mm der BMS ist mit einem wenig griffigen Blendenring ausgestattet, der allerdings recht genau in halben Stufen rastet (außer bei den Blendenextremen). Der Blendenring des Prakticar 3,5-4,5/3570 mm für die BX20s ist griffiger, dafür aber schwergängiger und nur in ganzen Stufen gerastet. Keines der Praktica-Modelle verfügt über eine Abblendtaste. Bei einem Gehäusepreis von etwa 400 Mark für die Praktica BX20s dürfte man jedoch sowohl eine Abblendtaste als auch eine brauchbare Einstellung der manuellen Belichtungskorrektur erwarten.

Revue Solar 100

Die Revue Solar 100 ist die erste elektronische Kamera, die durch Solarzellen unabhängig von Batterien ist. Weil die Kamera kein eingebautes Blitzgerät hat, wird sie serienmäßig mit dem hochlichtstarken Objektiv Revuenon 1,2/55 mm bestückt. Von Cosina gibt es eine baugleiche Kamera (in Deutschland nicht erhältlich). Deren Objektiv heißt natürlich Super Cosina 1,2/55 mm. Der gemeinsame Hersteller ist Vermutlich Carena.
Der Vorstoß in den Bereich der Solartechnik ist nicht nur unter ökologischen Aspekten zu begrüßen und kameratechnisch gut gelöst. Man kann mit der Kamera auch bei Dunkelheit fotografieren, denn ein Kondensator speichert die Energie, so daß man vier Filme nacheinander belichten kann (genau genommen gilt das nur für die Belichtungsmessung, denn die Verschluß- und Blendensteuerung ist mechanisch). Und selbst nach zehn Tagen Dämmerschlaf ist der Kondensator noch fit für einen ganzen Film. Der leere Kondensator regeneriert sich in fünf Minuten, wer jedoch noch schneller die Belichtung messen möchte, kann über einen Schalter die Solarenergie direkt, also ohne Umweg durch den Kondensator, zum Meßsystem leiten. Die Revue Solar 100 hat aber mit Abblendtaste und Spiegelvorauslösung (in der Selbstauslöserfunktion) auch noch andere Funktionen zu bieten, die in dieser Preisklasse (549 Mark mit Objektiv 1,2/55 mm) alles andere als gewöhnlich sind. Technisch gesehen ist die Revue Solar 100 eine Art Synthese aus den Carena-Modellen 100SX (Verschluß) und 1000SX (Filmempfindlichkeitseinstellung). Die Gehäusekonstruktion im Innern und die Filmandruckplatte ist bei allen drei Kameras identisch. Im Sucher wird aber leider nur der Belichtungsabgleich angezeigt (Plus/Minus/Korrekt). Die Bedienung der Revue Solar 100 ist, trotz gleicher Anordnung der Bedienungselemente, problematischer als bei den Carena-Modellen. Das liegt am Fehlen eines genau definierten Druckpunkts am Auslöser für die Belichtungsmessung und an der vor dunklem Hintergrund schlecht lesbaren Anzeige für den Belichtungsabgleich. Diese scheinbar geringfügige Schwäche beeinträchtigt in der Praxis das Fotografieren mit der Solarkamera mitunter ganz erheblich, denn nicht selten löst man beim Versuch, die korrekte Belichtung zu ermitteln, versehentlich aus.

Ricoh KR-10M

Gemessen am Gehäusepreis von etwa 400 Mark ist die Ricoh KR-10M reichlich und gut ausgestattet: Zeitautomatik, Belichtungsreihenautomatik, manuelle Belichtungskorrektur in Drittelstufen zwischen ±4 EV, Belichtungsspeicher, eingebauter motorischer Filmtransport, DX-Kodierung und natürlich manuelle Belichtungseinstellung. Im Sucher werden die Verschlußzeiten, die Belichtungskorrekturerinnerung, die Meßwertspeicherung, die Über- oder Unterbelichtung und die Blitzbereitschaft angezeigt. Die Kamera liegt besser in der Hand, als man es nach dem wenig ansprechenden Äußeren vermuten würde. Auch die Bedienung liegt im Bereich des Klassenüblichen, sie ist nämlich weder vorbildlich gelöst, noch bereitet sie nachhaltige Schwierigkeiten.

Soligor SR-300 MD

Die Soligor SR-300 MD ist ein Nachbau der Minolta X300 und kann mit Minolta-MD- und mit Soligor-Objektiven bestückt werden. Die Kamera ist mit Zeitautomatik und manueller Belichtungseinstellung ausgestattet. Im Sucher werden die Betriebsart, die Verschlußzeiten sowie Unter- oder Überbelichtung angezeigt. Die Verschlußzeiten werden über ein leichtgängiges Einstellrad eingestellt und auch die sonstige Bedienung der Kamera ist recht gut gelöst. Für eine wirklich perfekte Arbeitsweise fehlen aber die manuelle Belichtungskorrektur, die Blendenanzeige im Sucher und eine Abblendtaste.

Zenit 12XP und Zenit 122

Die beiden Zenit-Kameras aus russischer Produktion sind nicht nur eine exotische, sondern auch eine antiquierte Erscheinung. Oder um mit der Tür ins Haus zu fallen: Sie wirken nicht nur grobschlächtig, sie sind es auch tatsächlich. Die 12XP ist etwas robuster, die 122 etwas moderner verarbeitet. Beiden Kameras gemeinsam ist der reduzierte Verschlußzeitenbereich, der von 1/30 bis zu 1/500 Sekunde reicht, die Belichtungsmessung bei Arbeitsblende, die manuelle Einstellung der Filmempfindlichkeit in halben statt in Drittelstufen, Schraubgewinde M42 statt Wechselbajonett. Belichtungsmessung bei Arbeitsblende bedeutet außerdem, daß der Weg des Auslösers recht lang und holprig ist, weil die Blendenlamellen bei Erreichen des Druckpunkts am Auslöser geschlossen werden. Das große Drehmoment macht den "Schnellschalthebel" langsam. In der Preisklasse um 200 Mark sind die Zenit-Kameras für kleine Geldbeutel gut geeignet, weniger geeignet sind sie, um Freude am Fotografieren zu verbreiten.

Fazit

Das Grundkonzept der getesteten MF-Kameras stammt aus einer Zeit, in der die Zusammenhänge zwischen Blende und Verschlußzeit den Fotoamateuren noch geläufig waren. Wer also den "direkten" Umgang mit Blende und Verschlußzeit nicht scheut, wird mit jeder MF-Kamera im großen und ganzen gut arbeiten können. Im Detail freilich stecken nicht nur die Verbesserungen und die Innovation, sondern bekanntlich auch der Teufel. Und da kann dann die Freude am autofokusfreien Fotografieren auch schon mal nachhaltig getrübt werden. Das Gesamturteil kann also, trotz günstiger bis sehr günstiger Verkaufspreise, nicht so eindeutig positiv ausfallen. Irgendeinen "Pferdefuß" hat jedes der geprüften Modelle, wie wir bei der Einzelvorstellung festgestellt haben. Die billigeren Kameras des Testfeldes sind nicht nur billig, sondern sie vermitteln auch das Gefühl von Billigkeit. Ob man sich dennoch dafür entscheidet, ist vielleicht eher eine Frage der Kaufkraft als der fotografischen Raison. Die Abbildungsqualität der Objektive, das sei hier gesagt, ist nicht besser als die allgemeine Qualität der Kameras. Genauere Aussagen könnten allerdings nur im Rahmen eines Normtests gemacht werden. 

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