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Photographica Aktuell

Halbformat-SLR von Olympus

Ein moderner Klassiker

Man übersieht sie leicht oder hält sie für eine in die Jahre gekommene Kompaktkamera - so schlicht und schmucklos sieht sie aus. Aber die Olympus Pen F von 1963, zweifelsohne schon ein Klassiker, hält einige Überraschungen bereit.

Sie ist trotz ihres Aussehens so ungewöhnlich, daß selbst anerkannte Standardwerke der Kamerageschichte Schwierigkeiten haben, sie richtig zu beschreiben. Also: Die Pen F ist eine Halbformat-System-Spiegelreflexkamera mit Rotationsverschluß - die einzige ihrer Art. Gerade diese Kombination von Halbformat und Reflextechnik ermöglicht einige Vorteile: Blitzsynchronisation bis 1/500 Sekunde, ein Sucherokular, das nach links versetzt ist, so daß man sich nicht die Nase am Gehäuse plattdrückt, und schließlich eine Kompaktheit, die man im Gebrauch bald zu schützen lernt. So ist dieser Klassiker auch heute noch unbedingt zur Benutzung zu empfehlen.
Der Name "Pen" bezeichnet eine ganze Reihe von Halbformatkameras der Firma Olympus. Schnörkellos und handlich - so sollten diese Kameras sein, eben wie ein Schreibgerät. Ende der fünfziger Jahre kam die erste Sucherkamera dieses Namens heraus. Die Pen F war sozusagen die Krönung. Und sie war die kleinste 35-Millimeter-Spiegelreflexkamera der Welt. Wenn man sich klarmacht, daß beim Halbformat das Bild hochkant steht, dann begreift man auch, warum hier vieles anders ist als gewohnt: Die Mattscheibe steht natürlich senkrecht, ebenso wie die Drehachse des Spiegels.
Der Sucher besteht aus einer Kombination von Prismen und Spiegeln (sogenanntes Porro-System). Sein Bild erscheint zwar nicht ganz so groß und hell wie bei guten Vollformat-SLRs, aber der Unterschied ist gering. Der Verschluß ist ebenso einzigartig: Er besteht aus einer rotierenden Blechscheibe aus Edelmetall, die auch bei kürzester Verschlußzeit stets für einen Moment das ganze Bildfeld freigibt und dadurch Blitzaufnahmen bei allen Verschlußzeiten erlaubt. Die kürzeste Zeit, die "Fünfhundertstelsekunde", war auch in den sechziger Jahren nicht rekordverdächtig, aber ich kann mich an keine Situation erinnern, in der ich unbedingt kürzere Zeiten gebraucht hätte.
Beim ersten Hinsehen wirkt die Pen F auffällig kleiner als übliche Kleinbild-SLRs. Sie hat immerhin den gleichen Film aufzunehmen, und obwohl man vom "Halbformat" spricht, beträgt die lineare Verkleinerung des Filmbildes nur ein Drittel. Etwa ein Drittel wurde auch bei den äußeren Maßen eingespart. Oben gibt es kein Prismengehäuse und kaum Bedienungselemente; das kommt der Kompaktheit zugute. Zudem ist das Gehäuse sehr schlank. Nur an der Länge wurde nicht gespart aus zwei Gründen: Der rotierende Verschluß und das Sucherprisma brauchen Platz, und das längliche Gehäuse ist bei der Aufnahme sehr bequem. Man kann die Kamera sowohl für Hoch- als auch für Querformataufnahmen gut mit einer Hand halten.
Die erste Pen F verfügte noch nicht über einen eingebauten Belichtungsmesser, sondern er war als Zubehör zum Aufstecken auf das Zeitenrad erhältlich. 1966 kam das Modell FT heraus - mit TTL-Messung. Ansonsten gab es nicht viel zu verbessern.
Auch bei der Belichtungsmessung geht die Pen FT eigene Wege: mit einer TTL-Offenblendmessung. Doch die Objektive haben außer dem Springblendenhebel keine Übertragung zum Gehäuse - wie ist da eine Offenblendmessung möglich? Im Sucher wird, je nach eingestellter Filmempfindlichkeit und Verschlußzeit, auf einer Skala ein Wert zwischen 0 und 7 angezeigt. Die Objektive weisen am Blendenring ebenfalls diese Skala auf, und die Werte müssen zur Übereinstimmung gebracht werden. Dies ist zwar nicht superschnell, aber immerhin bequemer als Arbeitsblendenmessung. Und wer es eilig hat, wählt die Blende vor und dreht, mit der Kamera am Auge, so lange am Zeitenrad, bis im Sucher der vorgewählte Wert erreicht ist - eine einfache, aber gute Lösung.
Der Zeitenknopf mit Filmempfindlichkeitseinstellung befindet sich aus technischen Gründen an der Vorderseite; aber er ist dort auch sehr handlich. Der Hebel schräg über dem Objektiv ist der Selbstauslöser. Das Objektivsortiment war reichhaltig: siebzehn verschiedene Typen wurden angeboten, von 20 bis zu 800 Millimeter Brennweite. Normalobjektive hatten 38, 40 und 42 Millimeter Brennweite und verschiedene Lichtstärken bis 1:1,2. Das häufigste hatte die Daten 1,8/38mm.
Auch Zoomobjektive gab es schon für die Pen Fund FT. Außerdem gibt es einen Adapter für Olympus-OM-Objektive. Pen-F-Freunde können sich freuen: der Adapter ist heute noch lieferbar. Das Zubehörprogramm war reichhaltig. Alle Objektive glänzen durch kompakte Ausmaße und, wie die Kameras, durch herrliches Finish.
Die Pen F/FT ist also ein ausgesprochen vielseitiges Arbeitsgerät, besonders praktisch auf Reisen, wo großes Gepäck stört.
Daß sich das Halbformat nicht durchsetzte, lag nicht an der Kamera, sondern an den Grenzen des kleinen Formats. 1971 kam dann auch die erste Olympus-Vollformat-SLR heraus, eine unspektakuläre Kamera mit M42-Objektivanschluß. 1972 wurde die Pen FT aus dem Programm genommen, und im selben Jahr erschien die OM-1, die wiederum einen Weltrekord aufstellte: sie war die kleinste Spiegelreflexkamera mit dem vollen 24x36-Format. Der heutige Benutzer kann auf wesentlich feinkömigere Filme zurückgreifen und so die ausgezeichnete Qualität der Pen-FObjektive erst so richtig ausnutzen. Und da 72 Bilder auf einen Kleinbildfilm passen, hat er noch den Vorteil der halbierten Filmkosten.
Wer sich für diese Kamera interessiert, wird allerdings feststellen: sie ist trotz ihres zarten Alters ein begehrtes Sammlerstück geworden - die Chance, ein unterbewertetes Exemplar irgendwo billig zu erstehen, ist äußerst gering. In Klassiker-Preisführern werden sogar die Objektive einzeln aufgeführt, eine Beachtung, die nicht viele Kamerasysteme genießen. Das festigt die Preise. So werden in Anzeigen für eine Pen FT mit drei Objektiven im Bestzustand schon bis zu 1500 Mark verlangt. Das ist schmerzlich für alle, die sich in die Pen FT verguckt haben, aber eine späte, verdiente Ehre für eine wunderbare Kamera.

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