← Zurück

Artikel

Test & Technik Neuvorstellung

Autofokus-Sucherkamera mit Wechselobjektiven

Mit der neuen Contax G1 unterwegs

Wer eine Sucherkamera will, aber bei der Leica M6 den Autofokus vermißt, sollte sich die Contax G1 ansehen. Die G1 ist die erste Sucherkamera mit Autofokus, Wechselobjektiven und Metallgehäuse. Der Praxisbericht nennt ihre Stärken und Schwächen.

Mit der Contax G1 könnte ein neuer Klassiker geboren sein. Schon ihr Auftritt macht einen guten Eindruck. Die Kamera liegt schwer und solide in der Hand. Die Gehäuseabdeckungen sind aus Titan. Und auch innen garantiert Metall langfristige Maßhaltigkeit. So ist der Gehäusekern aus einer Kupfer-Silumin-Legierung. Hinzu kommen die technischen Eckwerte: passiver, externer Autofokus mit recht breiter Meßbasis, TTL-Belichtungsmessung, automatischer Zoomsucher sowie vier Carl-Zeiss-Wechselobjektive mit 16, mit 28, mit 45 und mit 90 Millimeter Brennweite. Die Contax lockt zudem mit zahlreichen automatischen Funktionen wie Zeitautomatik oder Belichtungsreihenautomatik. Natürlich kann man auch Belichtungszeit, Blende und Entfernung von Hand einstellen. Es existiert also ein ganzes Bündel guter Gründe, diese Kamera genauer unter die Lupe zu nehmen. Für den Praxisbericht standen drei Objektiv T* 2,8/28 mm, das Carl Zeiss Planar T* 2,0/45 mm und das Carl Zeiss Sonnar T* 2,8/90 mm. Lediglich das Carl Zeiss Hologon T* 8,0/16 mm war zum Zeitpunkt unseres Tests noch nicht verfügbar.

Ausstattung/Bedienung

Die Contax G1 ist sehr reichhaltig ausgestattet und erfüllt die Ansprüche von Spiegelreflexfotografen.

Einerseits bietet die Kamera zahlreiche sehr brauchbare Features und verzichtet auf Unsinniges wie Motivprogramme, anderseits sind zahlreiche Features nicht optimal angelegt. Insgesamt stehen die Bedienelemente zu eng beieinander. 

Beispiel 1: Contax hat den Verriegelungsknopf für das Bajonett versenkt und gewinnt so eine glatte Oberfläche. Dies sieht gut aus, erschwert jedoch den schnellen Objektivwechsel, da sich der versenkte Knopf nur schwer eindrücken läßt.

Beispiel 2: Die Belichtungsreihenautomatik macht drei Aufnahmen mit 0 EV, ± 0,5 EV Abweichung oder mit 0 EV, ± 1 EV Abweichung. Wer eine solche Belichtungsreihe mit abgespeicherter Schärfe machen will, hat zwei Möglichkeiten. Im ersten Fall stellt er den Transport auf kontinuierliches Auslösen "C". Die Kamera macht dann alle drei Aufnahmen, ohne daß man den Finger vom Auslöser nehmen muß. Allerdings hat die Kamera in Stellung "C" keinen Autofokus-Speicher. Man muß also die Schärfe am Einstellrad manuell festlegen. Nun ist aber dieses Rad so leichtgängig, daß man es schnell unbeabsichtigt verstellt. Deswegen ist es sicherer, in Funktion "S" (für Einzelaufnahmen) zu bleiben und die Schärfe über den Druckpunkt des Auslösers abzuspeichern. In diesem Fall muß man jedoch dreimal auslösen, ohne den Schärfespeicher zu lösen - eine Übung, die Fingerspitzengefühl verlangt. Denn man darf den Finger nur so weit lüpfen, daß man zwar ein zweites Mal auslösen kann, aber gleichzeitig unterhalb des ersten Druckpunkts bleibt, der die Schärfe speichert.

Beispiel 3: Der Hauptschalter (ein Drehschalter) hat drei Stellungen: für "Kamera aus", "Kamera ein" und "Kamera ein, Belichtungsmeßwert abgespeichert (AEL)". Wer will, kann zusätzlich die erste Stufe des Auslösers zur Speicherung des Belichtungsmeßwerts nutzen. Darüber hinaus dient diese erste Stufe als AF-Speicher. Man kann also, über Haupschalter und Auslöseknopf, Belichtung und Schärfe getrennt abspeichern (Hauptschalter: Belichtung, Auslöseknopf: Schärfe). Hierbei bereitet der Belichtungsmeßwertspeicher (Hauptschalter) jedoch ein Problem: Man muß den Finger vom Auslöser nehmen, um den Haupschalter als Meßwertschalter in die AEL-Position zu bringen. Nun ist aber der Hauptschalter etwas schwergängig, und so hat man die Kamera schnell einmal verkippt und den falschen Wert abgespeichert. (Der beim Umgreifen losgelassene Auslöser speichert die Belichtung nicht länger.) Besser wäre ein Speicherknopf auf der Rückseite, der den Zeigefinger am Auslöser beläßt. Trotz aller Kritik kann man aber mit der Contax zügig arbeiten, wenn man sich an ihre Eigenheiten gewöhnt hat.

Sucher

Zwar ist der Sucher einigermaßen groß und durch den Vorbau gut erreichbar, dennoch gehört er zu den Schwachpunkten. Gegenüber der Leica M6 fällt zunächst die automatische Brennweiten-Anpassung sehr positiv auf. Bei Leica begrenzt ein jeweils unterschiedlich großer Leuchtrahmen das Bild. Dieser Leuchtrahmen ist je nach Brennweite des eingesetzten Objektivs groß oder klein.
Contax dagegen verwendet eine Art Zoomsucher, der sich den Brennweiten anpaßt und mit seinem Rand das Bild begrenzt. So bleibt das Sucherbild auch bei langen Brennweiten stets groß. Allerdings hakte an der Testkamera zweimal die mechanische Übertragung der Objektivbrennweite auf die Kamera. Bei einem zum Vergleich herangezogenen zweiten Modell trat dieser Fehler nicht auf. Grundsätzliche Kritik trifft den unzureichenden Parallaxenausgleich. Der automatische Parallaxenausgleich zeigt zwar an, welche Bildteile im Nahbereich wegfallen, nicht jedoch, welche hinzukommen. Der Contax-Sucher versorgt den Fotografen mit zahlreichen Informationen wie Belichtungszeit und eingestellter Entfernung. Allerdings fehlt eine Blendenangabe. Und auch der Dipotrienausgleich ist verbesserungswürdig, denn man kann entweder die eingeblendeten Daten oder das Bild scharfstellen, jedoch nicht beides. Darüber hinaus sitzt das Einstellrad viel zu nahe am Sucher und ist kaum erreichbar. Besser wäre eine High-Eyepoint-Konstruktion.

Autofokus

Wie zahlreiche Kompaktkameras, so verwendet auch die Contax G1 einen externen, passiven Autofokus. Die Erfahrungen von COLOR FOTO mit diesen Systemen sind gut. Und gegenüber den anderen externen Systemen hat die Contax eine deutlich größere Meßbasis. Da die Objektivpalette nur bis 90 Millimeter reicht, ist der Verzicht auf einen TTL-Autofokus verständlich und in Ordnung. Problematisch ist jedoch die manuelle Scharfeinstellung. Das Rad dafür ist viel zu leichtgängig und sitzt so ungünstig an der Kameraecke, daß man es schnell unbeabsichtigt verdreht. Zudem muß man die Entfernung schätzen oder über den Fokusindikator abgleichen. Doch dann kann man auch gleich den Schärfespeicher aktivieren. Es gibt keine Möglichkeit, per Mattscheibe scharfzustellen.

Technische Qualität und Verarbeitung

Das Testmodell neigte zu unterbelichteten Aufnahmen bei ordentlicher Abbildungsleistung.
Von der Verarbeitung her wirkt die Contax sehr solide, und ihr Metallkern verspricht ein langes Kameraleben. Lediglich die Rückwand ist nicht ganz so massiv wie es die anderen Gehäuseteile sind.
Die einzelnen Teile sind sauber eingesetzt, ohne Spalten oder Verschrägungen. Gleiches gilt für die Einstellräder und Hebel. Allerdings arbeiten die einzelnen Motore (Objektiv, Filmtransport) viel zu laut.

Urteil

Die Contax G1 bietet viele Ausstattungsdetails, die gerade Profis sehr schätzen. Ihre beiden größten Mankos sind der ungenaue Sucher und die gewöhnungsbedürftige Bedienung. Wenn der Sucher einer Systemkamera im Nahbereich einen Teil des Bildes abschneidet, dann schränkt dies die Praxistauglichkeit der Kamera ein. Dennoch fasziniert die Contax G1, denn sie ist eine Kamera mit "Charakter". Doch damit ist sie im harten Profialltag fehl am Platz. Die Contax wendet sich so eher an Amateure, die bei der Leica M6 den Autofokus vermissen. Die optische Qualität der vier Carl-Zeiss-Objektive muß ein zukünftiger Normtest bewerten.

{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}