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Photographica Aktuell
Die Superfekta der Welta-Werke
Ein Kind der dreißiger Jahre
Anfang der 30er Jahre hielten Leica und zweiäugige Rollei Einzug in die Fotoszene. Trotzdem bestimmten Balgenkameras noch weitgehend das Bild. Um 1932 erblickte in den Welta-Werken in Freital die "Superfekta" das Licht der Welt.
Nur eine Kuriosität? Oder eine raffinierte Konstruktion, die ein Kameraproblem ihrer Zeit lösen half? Die Superfekta verkörpert wohl beides. Für den einen war sie das Ei des Kolumbus, für den anderen gar zu merkwürdig. So tauchten auf Sammlerbörsen schon Apparate auf, die - wohl vom Zweit- oder Drittbesitzer - mit Eisensäge und Feile brutal mißhandelt worden waren, um ihnen gerade das Unverwechselbare zu nehmen: den klappbaren Spiegelreflexsucher.
Die Welta Superfekta ist nämlich eine zweiäugige Spiegelreflex-Balgenkamera. Die Konstruktion ist zweifellos genial. Der Erfinder mußte immerhin mehrere Probleme lösen, die Balgenkamera gab es zwar schon lange, aber hier muß zusätzlich der Spiegelsucher zusammengefaltet werden. Darum ist der hintere Teil mit der Filmkammer gekröpft, um oben Platz zu schaffen. Der Spiegel wird mittels einer Spreizenkonstruktion in senkrechte Stellung gebracht und nach unten verschoben, die Mattscheibe mit dem Lichtschacht wird außerdem nach vorne geschoben, so daß dieser hinten mit dem Filmgehäuse abschließt. Diese Merkmale hat auch die Perfekta aus demselben Hause, mit dem Filmformat 6x6 cm. Doch die Superfekta hat noch mehr zu bieten, wie der Name andeutet - eben das größere 6x9-cm-Format.
Erinnern wir uns: Negative zu vergrößern war die Ausnahme. Im Amateurbereich wurden eher Kontaktabzüge gemacht, und da war das größere Format ein entscheidender Vorteil. Erst wenn man dies berücksichtigt, kann man die Vorteile der Superfekta recht würdigen: eine zweiäugige 6x9-Kamera für Rollfilm ohne Balgen nahm erheblich mehr Platz in Anspruch als diese raffinierte Klappkamera. Das Rückteil ist um 90 Grad drehbar, ähnlich wie bei den heutigen 6x7-Mamiyas. Ohne diesen zusätzlichen Aufwand müßte man bei Hochformataufnahmen erhebliche Verrenkungen in Kauf nehmen und würde zudem das Sucherbild auf dem Kopf sehen - das Sucherprisma war ja noch nicht erfunden. Außerdem hat die Mattscheibe einen Abdeckrahmen, der automatisch, je nach Stellung des Rückteils, Hoch oder Querformat im Sucher zeigt. Auch dies ist eine komplizierte Angelegenheit.
Die Objektivstandarte mit dem Sucherteil enthält also ein reichhaltiges Arrangement von beweglichen Teilen, von Hebelchen und Schubstreben, von Gleitschienen und Führungszapfen, von Einrasthebeln und Federn. Wer eine Schwäche für mechanisches Spielzeug hat, wird auch von dieser Kamera bestimmt begeistert sein.
Zusätzlich gibt es einen faltbaren Durchsichtsucher. Eine Doppelbelichtungssperre ist nicht vorhanden, da der Auslöser direkt am Objektiv sitzt, aber der Filmtransport ist etwas komfortabler als üblich: er erfordert nicht mehr den Blick durchs rote Fenster, sondern zeigt die Bildzahl auf einem Rädchen an.
Am Ende des Filmes macht ein Surren darauf aufmerksam, daß sich der Mechanismus selbsttätig auf Null stellt.
Das alles ist gut gemacht ich weiß es, weil ich die Einzelteile in einem Schuhkarton angeliefert bekam und mir meine Superfekta erst selbst zusammenbauen mußte. Sie stammt zum Teil aus einem Apparat, den man, wie oben geschildert, auf gewaltsame Weise seines Suchers beraubt hatte. Sonst erreicht der Preis für die Superfekta heute schnell die Schmerzgrenze; bis zu 1000 Mark werden immerhin für erstklassige Exemplare gefordert.
Das Aufnahmeobjektiv ist ein Meyer-Görlitz Trioplan mit den Daten 3,8/100 mm im Compurverschluß (1-1/250 Sekunde, T und B sowie Vorlaufwerk). Es ist mit dem Sucherobjektiv durch einen tangentialen Hebel verbunden. Beide Objektive haben einen eigenen Schraubtrieb; den brauchen sie auch, denn der Sucher hat nur das Format 4,5x6 cm und sein Trioplan hat demzufolge nur 75 mm Brennweite bei gleicher Lichtstärke wie das Aufnahmeobjektiv. Da kommen wir zu den Schwächen dieser interessanten Kamera die Einstellgenauigkeit auf de Mattscheibe reicht nicht aus. Bei der zeitgenössischen Rollei hat man das Sucherobjektiv stets etwas lichtstärker gemacht als das Aufnahmeobjektiv, um Einstellreserven zu schaffen. Bei der Superfekta ist es umgekehrt. Die Lichtstärke beider Objektive ist zwar gleich, aber durch die längere Brennweite bietet das Aufnahmeobjektiv voll aufgeblendet wesentlich weniger Schärfentiefe als das Sucherobjektiv ahnen läßt. Und da die ganze Klappkonstruktion zwar ordentlich und liebevoll gemacht ist, aber nur aus Blech besteht, ist sie anfällig schon gegen kleinere Stöße und Verbiegungen, und die verschiebbaren Teile -
Frontstandarte, Spiegel und Mattscheibe - tun ihr übriges, um der erwünschten Präzision den Garaus zu machen. So war es durchaus folgerichtig, daß die Kamera, die es auch mit Zeiss-Tessar-Objektiv zu kaufen gab, überwiegend mit dem billigeren Trioplan von Meyer geordert wurde. Aber auch dieser Dreilinser ermöglicht scharfe Aufnahmen, und um die erwähnten Probleme zu vermeiden, kann man ja abblenden. Dann zeigt sich, daß die Kameras vergangener Zeiten mit ihren großen Filmformaten Beachtliches leisten können.
So sollen die genannten Kritikpunkte auch keineswegs den Eindruck erwecken, daß wir Heutige eben doch alles besser wüßten. Gegenwärtige technische Highlights sind in der Regel Ergebnisse von aufwendigen Computerberechnungen und mehreren Konstruktionsteams sowie genauer Marktanalysen, die Gewinne versprechen und den hohen Aufwand rechtfertigen . Früher war das anders. Die Produkte trugen die Handschrift ihres Meisters. Und die war im Falle der Superfekta eigenwillig, aber genial.
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