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Sofortbildtechnik
Polaroid SX70 Sonar
Stellt automatisch scharf - selbst bei Dunkelheit
Die auf der letzten photokina 76 unter dem Sammelbegriff "Autofocus" erstmals der breiten Öffentlichkeit präsentierten Meßvorrichtungen nehmen Fotografen und Filmern tatsächlich die letzte Tätigkeit ab, die sie bislang noch per Hand verrichten mußten: das präzise Einstellen der Entfernung des Motivs zum Objektiv.
Autofocus: Vor kurzem Utopie dennoch nichts Neues!
Was noch vor drei Jahren als utopische Wunschvorstellung abgetan wurde, ist in Wahrheit schon längst Wirklichkeit: Allein 15 Jahre alt ist das Patent, das seinerzeit von Technikern des Agfa-Gevaert-Konzerns im Münchner Patentamt offengelegt worden ist. Später nahm sich der amerikanische Multi Honeywell der Patentschrift an, modifizierte einige Details und bot nunmehr sein "Visitronic" getauftes Automeß-System interessierten Firmen zur Lizenzvergabe an - fast alte griffen zu.
Die japanische Filmkamera-Firma Sankyo präsentierte das erste Modell (als Prototyp) mit Visitronic-Baustein auf der photokina 76. Den Premierenapplaus konnte ein Jahr später Konica kassieren: mit der Kleinbildkamera Konica C 35 AF wurde die erste Visitronic-bestückte Kamera für den breiten Konsum auf den Markt gebracht. Im März dieses Jahres schließlich wurde es auch bei Sankyo ernst: die Super-8-Filmkamera Sankyo ES44XL-VAF kam in die Läden. Dann ging es Schlag auf Schlag - in der ganzen Welt wurden auf den verschiedensten Fotomessen und Verbraucherschauen Film- und Fotokameras mit automatischer Entfernungsmessung präsentiert. Namen wie Minolta (eine Pocketkamera) oder Fuji (Filmkamera P 300) oder Leitz wurden mit Autofocus-Entwicklungen in Zusammenhang gebracht, es folgten Chinon (Filmkamera), Agfa-Gevaert (Film- und Pocketkamera), Canon und Nikon, schließlich noch Asahi.
Verdächtig still war es noch Anfang 78 um einen Fotoproduzenten, der ansonsten immer zuerst genannt wird, wenn es um revolutionierende Neuschöpfungen für den Foto- und Filmbereich geht: Polaroid. Wie auch? Immerhin hatten die Manager um Dr. Edwin Herbert Land gerade genug zu tun: Die weltweite Einführung des Polavision-Systems stand bevor. Für die Promotion dieses ersten Sofort-Schmalfilmsystems waren scheinbar alle verfügbaren Kräfte mobilisiert worden - blieb da überhaupt noch Zeit, sich mit weiteren Entwicklungen zu beschäftigen? Es blieb.
Am 25. April wurde den Aktionären der Polaroid Corporation auf der Jahreshauptversammlung in Needham, Massachusets, die Sonar vorgestellt - ein neues Modell der SX-70 Spiegelreflex-Sofortbildkameras mit automatischer Scharfeinstellung durch Ultraschall-Echo, die das Kameraobjektiv in Bruchteilen von Sekunden auf das gewünschte Motiv mit größter Präzision fokussiert. Die neue Autofocus-Kamera wird das Angebot des Sofortbild-Pioniers Polaroid nach oben erweitern. Der Preis soll deutlich über den Preisen der bisherigen Kamera für das abfallfreie SX-70-Sofortbild-System liegen, die weiterhin im Angebot bleiben wird. Unbestätigte Meldungen sprechen von einem Verkaufspreis um 600 Mark.
Die Sonar bestimmt die Entfernung zwischen Kamera und Motiv durch die Aussendung eines Ultraschallsignals, das vom Motiv reflektiert und zur Kamera zurückgesandt wird. Dieses Autofocus-System, das fest mit der Sonar verbunden ist, arbeitet wesentlich schneller und genauer als die herkömmliche manuelle Scharfeinstellung. Bei allen Lichtverhältnissen - selbst bei völliger Dunkelheit reagiert die Kamera in Tausendstelsekunden. Genau hieraus resultiert der Vorteil dieses Systems gegenüber dem Honeywell-Visitronic-Element: Visitronic-bestückte Kameras brauchen zur präzisen Messung ausreichenden Motivkontrast, im Klartext: die Braut im weißen Gewand vor hellem Hintergrund ist für das Visitronic-Meßauge kaum wahrzunehmen, da das System von Helligkeitsunterschieden abhängig ist. Anders die Ultraschallmessung: so wie Fledermäuse noch bei Dunkelheit Hindernissen rechtzeitig ausweichen können - eben durch Senden und Empfangen eines Schallsignals - so mißt die Sonar die Entfernung selbst bei Finsternis.
Das Sonar-Geheimnis: Das Ultraschall-Autofocus-System basiert auf fünf Elementen: Meßwertumsetzer, Kristall-Steuerquarz mit Zeitmeßwerk, Ortungsgerät, Speicher und Servomotor. Die Stromversorgung wird von der flachen Batterie sichergestellt, die von jeher in der SX-70-Filmkassette enthalten ist. Das Herz des neuen Entfernungsmeßsystems ist ein elektrostatischer Meßwertumsetzer, der gleichermaßen als Sender und Empfänger für die Ultraschallwellen fungiert. Dieser Meßwertumsetzer besteht aus einer Rückwand aus Metall, über die eine dünne goldbeschichtete Kunststoffolie gespannt ist, Diese Folie ist eine bewegliche Membran, die elektrische Energie in Schallwellen umwandelt und umgekehrt auch Schaltwellen wieder in elektrische Energie umsetzen kann.
Der Meßwertumsetzer sendet ein für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbares Geräusch aus, ein Pfeifton von einer tausendster Sekunde. Jeder Ton besteht aus vier Ultraschallfrequenzen von 60 kHz, 57 kHz, 53 kHz und 50 kHz.
Der Meßbereich des Ultraschallsystems liegt bei rund 10% der im Reflexsucher der SX-70 zu sehende Bildfläche. Die neue SX-70 hat jetzt, einen Vorwiderstand im Auslöser Drückt der Fotograf den elektronischen Auslöser bis zu diesem Punkt so kann er im Reflexsucher das scharfeingestellte Bild betrachten, bevor er die Aufnahme macht. Der Meßwertumsetzer sendet gleichzeitig das Ultraschallsignal, während das elektronische Zeitmeßwerk zu zählen beginnt.
Diese Uhr, ein Hochfrequenz-Kristallsteuerquarz, sichert die Genauigkeit der Entfernungsmessung. Sie mißt die Dauer des akustischen Signals und koordiniert die notwendigen elektrischen Funktionen. Sobald das akustische Signal von der Kamera ausgesendet wird, gibt das Meßwerk regelmäßig gestufte Zeitsignale an den Speicher - solange bis das vom Motiv reflektierte akustische Signal wieder zum Meßwertumsetzer zurückkehrt.
Für höchsten Aufnahmekomfort und für den schnellen Schuß
Nach und nach füllen die Zeitsignale bis zu 128 leere Positionen im Speicher, die genau der Anzahl von Schärfentiefe-Bereichen entsprechen, in die der Meßbereich unterteilt worden ist. Nachdem die akustischen Signale ausgesendet worden sind, bereitet sich der Meßwertumsetzer schon auf die Rückkehr des Echos vor. Gleichzeitig wartet das Ortungsgerät darauf, den ersten ein treffenden Ton an das Zeitmeßwerk weiterzugehen, das sich dann sofort abstellt.
Nach dem Empfang des reflektierten Signals ist die Zeit gemessen, die das Signal von der Kamera zum Motiv und wieder zurück zur Kamera gebraucht hat. Ist das Motiv nah am Objektiv, ist die Zeitdauer bis zur Rückkehr des Signals kurz, und es werden nur wenige leere Positionen im Speicher gefüllt; ist es weiter vom Objektiv entfernt, so werden mehr Positionen im Speicher gefüllt. Hat der Speicher das reflektierte Signal empfangen, bewegt der Servomotor das Objektiv von der Ruheposition (nahe der Unendlichstellung) weg.
Objektivverstellung automatisch mit Servomotor
Das Objektiv ist mit einem Kontrollinstrument verbunden, das entsprechend den 128 Positionen des Speichers Zählwerte übermittelt. Die Verschiebung der Frontlinse im Objektiv schafft den Ausgleich zu den leeren Positionen im Speicher. Wenn alle Positionen des Speichers entsprechend den Meßwerten des Ortungsgerätes besetzt sind, wird ein Elektromagnet aktiviert, der die Bewegung der Frontlinse am Punkt der genauen Scharfeinstellung stoppt. Alle diese Vorgänge spielen sich in Bruchteilen von Sekunden ab. Nach dem vollständigen Drücken des Auslösers belichtet die Kamera vollautomatisch das Bild und transportiert er selbsttätig nach draußen, wo es sich - wie bekannt - ohne Zutun des Fotografen bei vollem Tageslicht fertig entwickelt.
Zweites Sonar-Modell angekündigt: Auf der Basis der Polaroid-Kamera Modell 3000 - Einfachbauweise mit Durchsichtssucher -entwickelte Polaroid das Modell 5000. Das Neue: integriertes Sonar-Element für die automatische Scharfeinstellung. Weitere Daten: dreilinsiges Polatriplet-Objektiv, Aufnahmebereich 1 m bis unendlich; Belichtungsautomatik; Blitzbereich 1 m bis 3,70 m; Langzeit-Belichtungsanzeige im Sucher; Umschaltung auf manuelle Entfernungseinstellung; Drahtauslöser-Anschluß. Auf US-Testmärkten wird die Polaroid 5000 zur Zeit für rund 99 $ verkauft, ihr Verkaufspreis in Deutschland dürfte somit um DM 200,- liegen.
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