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Normtest
Voigtländer VSL 3-E
Ein kompakter Zeitautomat
Das Konzept scheint zu funktionieren: Entwicklungs-Know-How in Braunschweig, wo diese neue Kamera entstand, und Fertigung in Singapur. Der Technologietransfer in den fernen Osten klappt. Die Muttergesellschaft der Voigtländer GmbH in Braunschweig sind die Rollei-Werke. Sie verfügen über den riesigen Technikerstab, der für eine Kamera-Neuentwicklung erforderlich ist.
Die Voigtländer VSL 3-E ist seit einigen Wochen auf dem Markt, ist also schon vor der "photokina` da. Mit einem Zirka-Preis von 800 DM liegt sie gut im Mittelfeld der Kameras mit Zeit- oder Blendenautomatik (Canon AE-1, Pentax ME, Konica T4, Olympus OM-1, Minolta XG-2 um nur einige zu nennen). Dem Trend entgegenkommend ist sie recht kompakt ausgeführt. Ein Winder wird noch in diesem Jahr lieferbar sein, ein professioneller Motortrieb ist in Planung. Der Metallschlitzverschluß ist über hochintegrierte Bausteine gesteuert und arbeitet als Zeitautomat nach Blendenvorwahl. Die Automatik ist abschaltbar, eine manuelle Belichtungsregelung und -messung ist dann möglich. Man hat sich bei Voigtländer zum Anzeigesystem mittels Leuchtdioden im Sucher entschieden: Ein Display von 16 Dioden neben den Verschlußzeiten bringt eindeutige Informationen.
Objektive: Die Palette der Voigtländer-Objektive reicht von 14 mm bis 200 mm. Als Normalbrennweiten werden wahlweise ein Color-Ultron 1,8/50 mm oder 1,4/55 mm angeboten. Verwendet werden können auch alle Rollei-Objektive mit dem QBM-Bajonett sowie alle Weltmarktobjektive mit M42-Gewinde über einen separat lieferbaren Adapter (dann allerdings nur Arbeitsblendenmessung möglich). Auch modifizierte Versionen des M42-Gewindeanschlusses (z. B. Pentax, Fuji, Mamiya etc.) lassen sich montieren. Objektive der Voigtländer VSL-1 lassen sich ebenfalls verwenden, allerdings auch nur mit Arbeitsblende, da diesen Objektiven der Blendensimulator fehlt.
Belichtungsmessung: Ziemlich stark mittenbetonte Ganzfeldmessung mit einem Meßsystem aus zwei Silizium-Zellen. Die Zone höchster Empfindlichkeit liegt genau in der Suchermitte innerhalb des Mikroprismenfeldes. Mit Originalobjektiven Offenblendenmessung oder wahlweise Arbeitsblendenmessung, mit Fremdobjektiven Arbeitsblendenmessung. Meßbereich bei 21 DIN (ASA 100) und Objektiv 1,4/55 mm: EV 1 - 18 entspricht 0,8 bis 100000 asb). Der Einstellbereich des Belichtungsmessers reicht von 15 bis 39 DIN bzw. ASA 25 bis 6400 (!). Die Einstellung ist in 1/3 Blendenstufen möglich, die Skala ist kombiniert mit einer Belichtungskorrekturmöglichkeit. Allerdings funktioniert diese nicht ganz in den Endbereichen: Beim beliebten Kodachrome mit 15 DIN ist eine Pluskorrektur (Gegenlicht!) nicht möglich, was als deutlicher Minuspunkt zu bewerten ist. Dagegen ist die fehlende Möglichkeit der Minuskorrektur bei der höchsten Filmempfindlichkeit unwichtig. Insgesamt macht das Einstellrad einen sehr dürftigen Eindruck. Es ist aus einem Kunststoffteil gespritzt und mit einer simplen dünnen Scheibe aus transparentem Kunststoff abgedeckt. Zwar ist der Belichtungsmesser gegen unbeabsichtigte Verstellungen gesichert, die Einstellung der Filmempfindlichkeit bzw. die Plus/Minuskorrektur ist aber nicht optimal gelöst.
Die Elektronik wird durch leichtes Antippen des Auslösers eingeschaltet. Bei Automatikbetrieb leuchtet neben der von der Kamera gewählten Verschlußzeit eine Diode auf, bei Zwischenwerten leuchten zwei Dioden. Drückt man die Taste etwas weiter, wird die gefundene Zeit gespeichert (Memory). Der Weg des Auslösers bis zur Messung beträgt 0,5 mm, bis zur Stellung "Memory" 1 mm. Ein Druckpunkt zwischen Messung und Memory ist leider nicht fühlbar. Die Kamera verfügt über Warnsignale gegen Unter- oder Überbelichtung bzw. falsche Stellung der Blendenschließtaste. Bei abgeschalteter Automatik arbeitet der Belichtungsmesser nach dem Nachführprinzip weiter.
Dabei ist die Anzeige der richtigen bzw. der eingestellten Zeit recht sinnvoll gelöst: die eingestellte Zeit leuchtet dauernd, während die für richtige Belichtung notwendige Zeit blinkt. Durch Verstellen der Blende wird nachgeführt. Bei genügender Fingerfertigkeit kann auch die Zeit nachgestellt werden: Dazu muß der Zeigefinger den Auslöser leicht antippen, der Mittelfinger aber am Verschlußrad rubbeln. Übrigens rastet das Verschlußzeitenrad bei Manuellbetrieb nicht ein. Ob die eingestellte Zeit stimmt, muß über die LED's im Sucher kontrolliert werden!
Verschluß: Vertikal von oben nach unten ablaufender Metall-Schwinglamellenverschluß mit elektronisch gebildeten Zeiten von 1/1000 sek. bis 16 sek. Mechanisch gesteuerte Zeiten: X = 1/125 sek. und B. In den Stellungen Automatik, X und B ist das Zeitenrad verriegelbar. Auslösung über die Kombitaste, die auch zur Messung dient. Der erforderliche Auslösedruck von 5 N (ca. 500 Gramm) ist recht hoch, der Auslöser ist auch etwas schwergängig, der Spiegelschlag deutlich vernehmbar und bei längeren Zeiten etwas kritisch. Bei Reproduktionsarbeiten oder bei Nahaufnahmen mit langem Auszug und längeren Belichtungszeiten muß ein sehr stabiles Stativ verwendet werden. Rollei/Voigtländer sollte hier eine Verbesserung vornehmen! Die mechanisch definierte X-Zeit 1/125 sek. arbeitet auch bei fehlendem Batteriestrom, ebenso wie die Zeiteinstellung auf B". Weitere Verschlußdaten: Verschlußlaufzeit: 6,3 msek. (mechanisch 6,4 msek.). Verschlußoffenzeit bei 1/125 sek. = 1,4 msek. Bei Stellung X = 2,0 msek. X-Kontaktverzögerung = 0 (0..:3 mikrosek.). Offenzeit abzüglich Kontaktverzögerung somit bei 1/125 sek. = 1,4 msek., bei X = 2,0 msek. Mittlere Vorhanggeschwindigkeit 3,81 m/sek. für den Elektronikbetrieb, 3,73 m/sek. für die X-Zeit. Der Verschluß zeigt eine hervorragende Genauigkeit und Reproduzierbarkeit und fällt nur bei den sehr kurzen Verschlußzeiten etwas ab, bleibt aber weit innerhalb der DIN-Toleranzen.
Sucher: Der festeingebaute Pentaprismensucher ist auch für Brillenträger sehr gut überschaubar. Die Ablesung der Zeitwerte und der eingespiegelten Blende (nur bei Originalobjektiven) ist gut. Die Werte sind alle außerhalb des Bildfeldes angebracht und stören somit nicht. In der Grundausstattung wird eine Sucherscheibe mit Mikroprismenring und schräg verlaufendem Schnittbildentfernungsmesser geliefert. Der Schnittbildindikator ist als Zylinderlinse ausgebildet, was die Scharfeinstellung sehr erleichtert und eindeutig macht, da die anvisierten Bildteile scheinbar nach links oder rechts abzukippen scheinen, wenn defokussiert ist. Weitere Sucherscheiben sind in Vorbereitung. Das Okular, ein Achromat ist - wie die Sucherscheiben - vom Service für Fehlsichtige austauschbar (± 4 Dpt.). Eine Warnmarke für Manuellbetrieb ist überflüssig, da bei dieser Betriebsart neben der dauernd leuchtenden Diode der eingestellten Zeit eine weitere Diode mit der richtigen Zeit blinkt. Mit dieser Methode sind im Manuellbetrieb gezielte Ober- oder Unterbelichtungen kein Problem. Der Sprung von einer Diode zur nächsten entspricht jeweils einer Zeit- bzw. Blendenstufe, also der halben bzw. doppelten Belichtungszeit. Lediglich im Automatikbetrieb ist somit die Korrektur über das Filmempfindlichkeitsrad notwendig. Selbstverständlich gibt es aber auch hier einen Trick: man visiert je nach gewünschter Mehr- oder Wenigerbelichtung ein helleres oder dunkleres Motivdetail an und drückt den Auslöser bis zur Stellung "Memory" durch. Das ist sinnvoller als die Manipulation am Einstellrad und gewährleistet, daß nicht versehentlich eine eingestellte Korrektur vergessen wird und die folgenden Aufnahmen dadurch zwangsläufig fehlbelichtet werden.
Das Sucherfenster hat die Abmessungen 21,5x33,5 mm und zeigt somit 84,9% vom Filmformat oder 91 % vom Dia (ausgehend v. Filmfenster mit 23,8x35,7 mm). Ein in der Kamera eingebauter Okularverschluß fehlt, allerdings ist die Augenmuschel in der Halterung schlittenartig verschiebbar und dient hochgeschoben als Okularverschluß, in der Grundstellung aber als Rückwandsicherung.
Der Auslöser: Großflächig und günstig angeordnet dient er in der Mitte des Zeitenrades zugleich als Hauptschalter, Meßwerkschalter und Memorytaste. Wie bereits erwähnt, ist der Druckpunkt zwischen Messung und Memory-Einstellung nicht genau definierbar, der Druckpunkt für die Verschlußauslösung ist nach einem Weg von 2,5 mm tastbar. Auch bei Auslösung werden nacheinander durch langsames Niederdrücken die Positionen "Hauptschalter ein", "Messung", "Memory", "Auslösung` durchlaufen. Die Aufnahmefassung des Drahtauslösers ist als Auslöseverriegelung konstruiert. Dadurch, daß nur bei Betätigung des Auslösers die Kamera eingeschaltet ist, wird eine erhebliche Stromeinsparung der Batterie erzielt (zusätzliche Stromersparnis durch Zeit-Multiplex-Ansteuerung der LED-Anzeigen).
Selbstauslöser: Elektronisch gesteuert, Auslösung erfolgt über die Kombitaste Messung/Verschlußauslösung. Bei ablaufendem Selbstauslöser leuchtet an der Kamerafrontseite eine rote Leuchtdiode auf. Der Selbstauslöser ist für Automatik oder Manuellbetrieb einsetzbar. Laufzeit angegeben 10 sek., gemessen 11 sek. Der Ablauf kann unterbrochen werden, allerdings löst dann die Kamera sofort mit der X-Zeit 1/125 sek. aus und das Bild ist verloren. Der Selbstauslöser ist nicht selbsttätig rückstellend und muß von Hand in die Nullposition zurückgestellt werden. Das ist für Serienreproduktionen recht praktisch, für gelegentliche Selbstauslöser-Aufnahmen aber eher hinderlich.
Blitzsynchronisation: Ausschließlich X-Synchronisation über den ISO-Mittenkontakt oder die seitlich angebrachte Kabelkontaktbuchse am Gehäuse. Bei Kabelanschluß ist der Mittenkontakt spannungsfrei und somit berührungssicher. Synchronzeiten für Elektronenblitzgeräte 1/125 sek. bis 16 sek., für Blitzlämpchen oder -würfel 1/30 sek. bis 16 sek. Bei Zeiten, die kürzer als die 1/125 sek. sind, wird der Synchronkontakt nicht geschaltet (Blitzsperre). Die Blitzauslösung ist auch im Automatikbetrieb bei entsprechend angezeigten Zeiten möglich. Es ist empfehlenswert, statt der Verschlußzeit 1/125 sek. bei Elektronenblitzbetrieb auf die Stellung "X" umzuschalten, da die Verschlußoffenzeit wesentlich länger ist und bei Geräten mit hoher Blitzenergie zu perfekter Belichtung führt.
Energieversorgung und Stromverbrauch: 1 Silberoxydbatterie 6 Volt (Typ Mallory PX-28 o. ä.) Die Kamera arbeitet einwandfrei im Spannungsbereich von 6,3 Volt bis herunter zu 4,3 Volt. Eine Beeinflussung der Belichtungszeiten durch sinkende Spannung tritt in diesem Bereich nicht auf. Unter 4,3 Volt leuchtet die LED-Anzeige an der Kameravorderseite bei Druck auf den Batterietestknopf nicht mehr auf. Stromverbrauch für Batteriertest 58 mA, für Selbstauslöser 45 mA, für Belichtungsmessung und Anzeige im Sucher 16,7 mA.
Weitere Ausstattungsdetails: Gut bedienbar mit dem Mittelfinger oder dem Fingernagel des Mittelfingers ist an der Kameravorderseite rechts unter den Objektivbajonett eine arretierende Abblendtaste für Arbeitsblendenmessung oder Schärfentiefenkontrolle angebracht. Sehr gut konstruiert ist das Bildzählwerk. Es arbeitet nur dann, wenn der Film auch tatsächlich transportiert wird und zählt vorwärts und rückwärts. Es ist also auch eine Kontrolle bei der Rückspulung des belichteten Films möglich. Die angelenkte Rückwand ist mittels eines kleinen Riegels abnehmbar, eine Datenrückwand ist in Vorbereitung, ebenso spricht man von einem 250 Bilder-Rückteil. Die Bodenplatte ist mit vier vergoldeten Kontakten für Winder/Motor ausgestattet, der Motoranschluß wird bei Nichtgebrauch staubsicher mit einem kleinen Gewindeteller abgedichtet. Etwas ungewohnt ist der Rückspulhebel an der Oberseite der Kamerarückseite, wo man ihn zunächst nicht sucht. Durch diese Anordnung spart man sich natürlich irgendwelche Hebelchen oder Stifte am Winder bzw. Motortrieb, wenn bei angesetztem Winder/Motor der Film gewechselt werden soll.
Leider stand uns der Winder noch nicht zur Verfügung. Aus dem Hause Voigtländer wurde uns aber mitgeteilt, wie eingangs schon erwähnt, daß der Winder und das wichtigste Zubehör noch in diesem Jahr lieferbar sein werden.
Maße und Gewicht: 135x86x49 mm (Body), 135x86x99 mm mit Objektiv 1,8/50 mm und Augenmuschel. Gewicht der Kamera mit Objektiv 760 Gramm (Body allein 540 Gramm).
Fazit: Mit knapp 800 DM ist die Kamera relativ teuer. Sollte sich der Preis bei etwa 680 DM einpendeln, ist der Preis gerechtfertigt. Trotz der recht sauber arbeitenden Elektronik fehlen fast schon selbstverständliche Features wie z. B. eine Blitzsteuerung, eine Einrichtung zur Mehrfachbelichtung oder ein eingebauter Okularverschluß. Als positiv ist zu bewerten, daß die Verwendung älterer VSL-1-Objektive und M42-Schraubobjektive möglich ist. Das Finish ist gut, wenngleich ein Tastknopf am Objektiv fehlt (es wäre genügend Platz hinter dem Blendenring). Der Schnellschalthebel geht sehr schwer aus seiner Grundposition, der metallisierte Kunststoff des Gehäuseoberteils wetzt sich schnell blank und verliert sein feines, mattsilbernes Aussehen. Man ist bei Rollei/Voigtländer mit dieser VSL-3E ein Stück vorwärts gekommen, muß sich aber trotzdem sehr anstrengen, den Anschluß an die Großen dieser Branche zu finden. Ein Renner im harten Wettbewerb der Branche wird diese Kamera wohl kaum werden, trotz des guten und mittlerweile recht strapazierten Namens des legendären Kameraherstellers, Herrn Voigtländers.
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