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Normtest

Yashica FR-I und FR-II

Keine Zwillinge

Als Nachfolgemodell der im Sommer 1976 vorgestellten FR bietet Yashica nun die Modelle FR-I und FR-II an. Auf einen kurzen Nenner gebracht, kann man die FR-I als Aufbaustufe der FR und sehr stark angenähert an die Contax RTS sehen, während die FR-II ein abgespecktes Automatikmodell ohne besondere Ausstattung darstellt. Beide Kameras verfügen über das Yashica-ML-Bajonett, das mit dem Contax RTS-Bajonett absolut identisch ist und die wahlweise Verwendung von Yashica ML- oder Zeiss-Objektiven in Contax-Fassung ermöglicht. Ebenso ist die Bodenplatte für den Anschluß des Yashica- oder Contax-Winders ausgestattet.

Merkmal enger Verwandtschaft ist auch die extrem weiche, elektronimagnetische Auslösung und die Anschlußmöglichkeit der Contax-Fernsteuerung bzw. des Infrarot-Auslösers. Im Gegensatz zur "alten" FR sind die beiden neuen Modelle statt mit einem trägen CdS-Widerstand jetzt mit einer schnellen, trägheitslosen Silizium-Photo-Diode ausgestattet. Die Meßcharakteristik ist ähnlich der FR: nicht sehr stark mittenbetont und somit unproblematisch. Während die FR-I als Topmodell wahlweise Zeitautomatik bei Blendenvorwahl (Offenblenden-Methode oder Arbeitsblenden-Methode) bietet und zusätzlich manuell von 1 sec bis 1/1000 sec arbeitet, ist die FR-II ein reines Zeitautomatik-Modell ohne Möglichkeit des Manuellbetriebes. 

Objektive und Bajonett: Alle Objektive aus dem Contax RTS-Programm von Zeiss und das Objektivprogramm ML von Yashica sind uneingeschränkt verwendbar, das gilt auch für Fremdobjektive mit RTS-/ML-Anschluß. Das solide Bajonett aus rostfreiem Edelstahl hat einen Innendurchmesser von 48 mm und ein Auflagemaß (Abstand Filmebene zur Bajonettvorderkante) von 45,5 mm. Der Winkel für die Übertragung der Objektivblendenposition beträgt einheitlich 8xGRADx, was Weiterentwicklungen in Richtung eines Mehrfachautomaten mit wahlweiser Zeit- oder Blendenautomatik in nächster Zukunft nicht ausschließt. Das Objektiv rastet ein, wenn es um 1/5 Drehung nach rechts gedreht wird. Ein roter Markierungspunkt an Objektiv und Gehäuse erleichtern das Einsetzen, leider fehlt ein Tastpunkt am Objektiv. Ein am Objektiv angebrachter zusätzlicher Bolzen verschiebt beim Einsetzen des Objektives automatisch die Blendenskala im Sucher (nur FR-I).

Belichtungsmessung: Die Anordnung der Silizium-Meßzelle bringt eine Integralmessung mit nicht zu starker Mittenbetonung. Bei der FR-I ist sie der FX-1 von Yashica sehr ähnlich, bei der FR-II ist der Belichtungsmesser nicht ganz sauber in der Suchermitte justiert. Die Anzeige der ermittelten Belichtungszeit im Sucher ist sehr genau, bei der FR-II sogar genauer, als sie tatsächlich zur Belichtung angewendet wird. Das Belichtungsmeßsystem arbeitet unabhängig von der Belichtungsanzeige im Sucher, die lediglich der Kontrolle dient. Genauer gesagt, auch bei ausgeschaltetem Batterieschalter sind die Kameras stets aufnahmebereit, wenn der Auslöser gedrückt wird, die richtige Zeit wird elektronisch gebildet. Für blitzschnelle Aufnahmen ohne lange Überlegung (und bei guten Lichtverhältnissen) kann man ruhig vergessen, den Batterieschalter einzuschalten, die Automatik arbeitet trotzdem zuverlässig, es fehlt lediglich die Anzeige der von der Kamera verwendeten Zeit. Bei der FR-I ist das Meßwerk auch bei abgeschalteter Automatik verwendbar, die von der Anzeigenadel im Sucher ermittelte Zeit muß allerdings dann manuell auf das Zeitenrad übertragen werden. Es geht aber auch so, daß man einen Zeitwert einstellt und dann so lange an der Blende dreht, bis der Zeiger auf dem vorgewählten Zeitwert steht. Zur Kontrolle der Schärfentiefe ist an der FR-I eine Abblendtaste angebracht. Eine Anwendung als Taste für Arbeitsblendenmessung ist mit ML- und RTS-Objektiven allerdings nicht vorgesehen. Werden Fremdobjektive ohne Kupplungselemente verwendet, bzw. werden Zwischenringe, Balgen oder Mikroskopadapter verwendet, arbeiten beide Kameras ohne jede Umschaltung als Zeitautomatik-Kameras mit Arbeitsblendenmessung.
Sehr störend ist an der FR-II, daß hier der Abblendknopf dem Rotstift zum Opfer fiel. Ist es doch ein Hauptargument der Anhänger einer Zeitautomatik, daß die Schärfentiefe exakt vorausbestimmt werden kann, indem eine bestimmte Blende vorgewählt wurde!
Sehr gut an beiden Modellen ist der große Bereich des Belichtungsmessers von ASA 12 bis ASA 3200. Da eine Plus/Minuskorrektur von je 2 Blenden möglich ist, ergibt sich somit ein effektiver Bereich des Belichtungsmessers von ASA 3 bis ASA 12800 (entsprechend 6 DIN bis 42 DIN). Das ist eine praxisgerechte Lösung, die lobend erwähnt werden muß. Für den Anwender ergeben sich jetzt keinerlei Probleme bei der Filmwahl. Vom Dia-Duplikat-Film mit nur 8 DIN bis zum Recording mit 40 DIN (und noch etwas mehr) reicht der Meßbereich. Es gibt also zur Zeit kein Filmmaterial, das meßtechnisch von den Kameras FR-I und FR-I 1 nicht erfaßt würde. Ein weiterer Vorteil gegenüber vielen Kameras mit Blendenautomatik, die diesen Spielraum vielfach nicht bieten können.
Die Belichtungskorrektur arbeitet nur in ganzen Blendenstufen, ebenso wie die Blende am Objektiv. Zwar können halbe Blendenstufen am Objektiv eingestellt werden, rasten aber nicht genau definierbar ein. Die Skala des Belichtungsmessers bei beiden Modellen rastet um 1/3 Blendenstufen steigend ein, was in Einzelfällen eine zusätzliche, individuelle Korrektur ermöglicht.
Bei beiden Modellen fehlt eine Memory-Einrichtung, eine Meßwertspeicherung. Eine wichtige Einrichtung, die man zumindest bei einer Kamera in der Preislage der FR-I verlangen kann. Sicher kann man sich über die ±-Korrektur behelfen. Da aber eine Warnmarke im Sucher der Kamera fehlt, ist dieser Ausweg auch problematisch.

Verschluß: Beide Modelle verwenden einen horizontal von links nach rechts ablaufenden Tuchverschluß mit elektronischer Zeitensteuerung. Auch die X-Zeit (1/45 sec) und die festen Zeiten der FR-I von 1/1000 sec bis 1 sec werden elektronisch gebildet. Die X-Synchronzeit mit 1/45 sec (gemessen 1/42,5 sec) ist sehr lang und wird von den Mitbewerbern längst übertroffen. Zur Not kann bei Amateurblitzgeräten mit kleiner Leistung die 1/60 sec (Offenzeit 1,2 msec) gewählt werden (nur bei FR-I), eine sichere Belichtung ist aber nicht garantiert. Die Verschlußoffenzeit bei X-Zeit beträgt 9,9 msec (FR-I) bzw. 9,8 msec (1:). Offenzeit abzüglich Kontaktverzögerung 9,1 msec (beide Modelle). Verschlußlaufzeit: 13,3 msec (FR-I) bzw. 12,7 msec (FR-II). Mittlere Vorhanggeschwindigkeit 2,7 m/sec (FR-I) bzw. 2,8 m/sec (FR-II). 

Der Auslöser: Der magnetische Auslöser aktiviert beim Niederdrücken den Mikroschalter, wodurch der Elektromagnet erregt und als Folge eine Kettenreaktion ausgelöst wird: er aktiviert die Lichtmessung durch das Objektiv, löst den Spiegel aus und steuert den Schlitzverschluß. Der Auslöseweg beträgt nur 0,6 mm, der Auslösedruck 2,5-3,5 N (FR-I) bzw. 2,2-3,2 N (FR-II). Eine Auslöserverriegelung ist nicht möglich, durch die versenkte Anordnung ist aber die Gefahr einer versehentlichen Auslösung so gut wie ausgeschlossen. Fernauslösung über Kabel, Infrarot-Auslöser oder weitere Steuergeräte aus dem Contax RTS-Programm.

Selbstauslöser: Mechanisches Vorlaufwerk von ca. 2 sec bis 8 sec. Auslösung über getrennten Hebel. Der Ablauf kann jederzeit unterbrochen werden.

Der Sucher: Fest eingebauter Pentaprismensucher mit schrägem Schnittbildentfernungsmesser in einem Mikroprismenring. Bei beiden Kameramodellen ist diese Sucherscheibe fest eingebaut und nicht auswechselbar.

Sucher der FR-I: Rechts im Fenster die Zeitenskala von 1/1000 sec bis 1 sec, Warnfelder für Ober- bzw. Unterbelichtung, Warnsignal für Manuell-Einstellung. Am Oberrand Blendenskala mit Begrenzung für größte und kleinste Blende, Zeiger für eingestellte Blende. Größe des Sucherbildes 22,0x33,6 mm. Der Sucher zeigt somit 85,1 % vom Filmformat bzw. 91,8% vom Dia. Sucherbildvergrößerung 0,87x (Objektiv 50 mm). 

Sucher der FR-II: Zeitenskala von 1/1000 sec bis 1 sec, Warnfelder für Ober- bzw. Unterbelichtungen. Größe des Sucherbildes 21,9x33,5 mm. Der Sucher zeigt somit 84,5% vom Filmformat bzw. 91,2% vom Dia. Sucherbildvergrößerung wie FR-I.
Beide Kameras sind sehr wenig empfindlich gegen Störlicht durch das Okular, die Übersichtlichkeit für Brillenträger entspricht dem Durchschnitt. Ein Okularverschluß ist nicht eingebaut und die Augenmuschel enthält eine praktische Halterung für Korrekturlinsen.

Stromversorgung und Stromverbrauch: Beide Kameras verwenden als Energiequelle eine Silberoxid-Batterie 6 Volt (Typ PX-28 o. ä.). Sehr geschickt gelöst ist die Unterbringung der Batterie innerhalb der Aufwickelspule. Einwandfreie Funktion wurde bis zu einer minimalen Batteriespannung von 4,3 Volt getestet. Das entspricht auch exakt dem Anzeigebereich der Batteriekontrolle. Die FR-I zeigte folgenden Stromverbrauch: Batterietest: 49 mA, Verschlußbetätigung manuell + Auto: 30 mA, Verschluß "B": 28,5 mA, Belichtungsmessung 2,5 bis 3,5 mA. Daten der FR-II: Batteriekontrolle 56 mA, Verschluß B + Auto: 32 mA, Belichtungsmessung 8 mA. Da die hier verwendeten Batterien sehr kälteempfindlich sind, empfiehlt der Hersteller bei Temperaturen unter -10xGRADx (FR-I) bzw. unter -5xGRADx (FR-II) einen getrennt lieferbaren Kälteschutz-Adapter. Damit arbeiten beide Kameras auch noch bei -20xGRADx zufriedenstellend, wenn auch mit Abweichungen.

Weitere Ausstattungsmerkmale: Schnellschalthebel, der bei Nichtgebrauch glatt am Kameragehäuse anliegt und zugleich den Batterieschalter ausschaltet. Transport in einem Durchzug oder in mehreren Teilschwüngen bei beiden Kameras möglich. Bei der FR-I besteht die Möglichkeit der Mehrfachbelichtung durch Eindrücken des Rückspulknopfes. Dieser blockiert die Aufwickeltrommel und gibt gleichzeitig das Zahnrad frei. Allerdings springt das Zählwerk weiter. Kein Drahtauslöser-Anschluß, dafür Buchse für elektrische Fernauslösung oder externe Steuergeräte. X-Synchronisation, bei der FR-I über Mittenkontakt oder Kabelanschluß, bei der FR-II nur über Mittenkontakt.
Die Rückwand der FR-I ist abnehmbar und gegen eine Datenrückwand austauschbar, die Rückwand der FR-II ist fest montiert. Das Bildzählwerk ist beleuchtbar, das Lämpchen dient gleichzeitig als Batteriekontrolle (-- 4,3 Volt).

Fazit: Die äußerlich fast völlig identisch aussehenden Kameras vermitteln einen soliden Eindruck bei gelungenem Design. Durch die Kompatibilität mit den Objektiven und Zubehörteilen zur Contax RTS ist das Gesamtsystem recht umfangreich und läßt keine Wünsche offen. Während die Meßdaten der FR-I als sehr gut zu bezeichnen sind, zeigt die FR-II leider etwas größere Abweichungen, die allerdings immer innerhalb der DIN-Grenzen liegen. Negativ zu bewerten ist bei der FR-I allenfalls die fehlende Verriegelung der Automatikstellung, die fehlende Warnanzeige bei Korrektur und der fehlende Okularverschluß. Eine Steuerung für ein Elektronenblitzgerät über einen Hilfskontakt wäre heute auch keine zu große Forderung mehr. Nicht mehr zeitgemäß ist die sehr lange X-Zeit (1/42 sec) bei beiden Kameras. Die FR-II ist ein recht abgemagertes Modell, das nur im Automatikbetrieb arbeitet und keine Möglichkeit der Schärfentiefenkontrolle durch Abblendung bietet. Wie bei der FR-I fehlt eine Memory-Einrichtung. Beide Kameras sind sehr schnell und sicher in der Handhabung und auch für den Contax RTS-Besitzer als zusätzliche Ausrüstung interessant. Wer mehr technische Ausstattung verlangt, wird zur FR-I greifen, wer aber nur völlig problemlos fotografieren möchte und keinen technischen Ballast wünscht, der wird zur preiswerteren FR-II tendieren.

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