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Test & Technik
Neue Kamera im alten Kleid
Die Rolleiflex 6008 setzt in ihrer Klasse Maßstäbe für Technik und Bedienungskomfort
Rollei entwickelte die 6000er-Reihe konsequent weiter. Die Basis lieferte 1976 die SLX, 1983 folgte die 6006 mit Wechselmagazin und modernisierter Elektronik. Das nächste Kapitel schlägt jetzt die 6008 auf, ein Kamerasuperlativ im Mittelformat mit vier Belichtungsprogrammen und drei Belichtungsmeßarten.
Die beiden Begriffe Mittelformat und Elektronik standen sich lange Zeit feindlich gegenüber. Kleinbild-Spiegelreflexkameras hatten immer die Nase vorn, wenn es um elektronische Innovationen ging, ob Zeitautomatik, Multi-Belichtungsautomatik oder TTL-Blitzmessung auf der Filmebene. Rollei gelang es als erstem, die Begriffe Elektronik und Mittelformat miteinander zu versöhnen. Das Ergebnis hieß SLX und bildete die konstruktive Basis für die heutige 6000-Reihe, die jetzt mit dem Spitzenmodell ihren logischen Abschluß nach oben findet. Integrierte TTL-Belichtungsmessung, TTL-Blitzsteuerung, Wechselmagazin, motorisierter Filmtransport, lauten die konstruktiven Merkmale, denen auch die 6008 folgt.
Unter Modellpflege läßt sich die Entwicklung von der 6006 zur 6008 nicht mehr so ohne weiteres buchen. Die 6008 ist eine neue Kamera im alten Gewand. Ihre inneren Werte vermögen auch Mittelformat-Skeptiker zu überzeugen, die aus dem High-Tech-Kleinbildlager stammen und gerne aufsteigen wollen.
Wer indes von der 6006 umsteigt, stellt auf Anhieb große Unterschiede in Bedienung und Handhabung fest, ohne daß das grundsätzliche Konzept verlassen wurde. Der einstige bloße Zeiteinstellknopf hat sich zum Multifunktionsrad gemausert, mit dem man nicht nur die gewünschte Verschlußzeit bei manuellem Abgleich einstellt oder den favorisierten Wert für die Blendenautomatik vorgibt. Auch ein solider Griff läßt sich zwecks besserer Handhabung adaptieren. Die im Rad eingelegte grüne Taste dient als Auslöser, eine weiße Taste auf der gegenüberliegenden Seite ist für das Einschalten des Belichtungsmessers und für den Meßwertspeicher verantwortlich. Nach ihrem Betätigen bleiben die Anzeigen 20 Sekunden lang im Sucher sichtbar. Hinzu kommt ein ebenfalls integrierter Hauptschalter, der die Kamera betriebsbereit macht und über den der Fotograf sich für Einzelbild- oder Serienbildschaltung entscheidet oder sogar automatische Belichtungsreihen von insgesamt drei Aufnahmen abrufen kann. Ja, Sie haben richtig gehört, selbst das bietet die 6008. Die entsprechende Plus/Minus-Differenz zum exakten Sollwert beträgt 2/-3 Lichtwertstufen, eine andere Abstufung kann der Fotograf über das Override-Einstellrad auf der gegenüberliegenden Kameraseite eingeben. Dieses zeichnet ebenfalls für die Wahl des Meßmodus verantwortlich. Je nach Einstellung aktiviert es die mittenbetonte Integralmessung, die Spotmessung oder gar die Multispotmessung. Mit Hilfe der letztgenannten kann der Fotograf bis zu fünf Motivpartien einzeln anmessen, der Kameracomputer errechnet daraus den Mittelwert. Der Drehknopf für die Mehrfachbelichtung ist hingegen schon ein alter Bekannter von der 6006 Mod. 2.
Auch nach dem Öffnen des Faltlichtschachts erlebt der 6006-Anwender eine große Überraschung. Bislang von Sucheranzeigen - abgesehen von ein paar eher zufällig plazierten roten Warnlämpchen - nicht gerade verwöhnt, erlebt er bei der 6008 eine geradezu offenherzige Informationspolitik. Gut ablesbare numerische LED-Anzeigen informieren großzügig über Verschlußzeit und Blende, zusätzlich wird die Tendenz über einen Punkt neben der Anzeige angegeben. Eine Lichtwaage mit Punkt-LED tritt beim manuellen Belichtungsabgleich in Erscheinung. Über eingeschalteten Override, gespeicherten Meßwert und aktivierte und vorgewählte Spotmessung informieren Symbole im Sucher. Angenehm überrascht dürfte der 6006-Umsteiger von der Offenblendmeßmethode sein. Beim Topmodell verdunkelt sich im Moment der Belichtungsmessung das Sucherbild nicht. Bei der 6006 schloß sich die Blende beim Betätigen der Meßtaste auf den gemessenen Wert, der per Pfeilindikator im Objektivsichtfenster am Einstellring markiert wird.
Die neue Rolleiflex 6008 kostet komplett mit Planar 2,8/80 mm rund 6000 Mark, das sind 1500 Mark mehr als die 6006. Dafür bietet sie in erster Linie einen hohen Belichtungskomfort, der separate Belichtungsmesser überflüssig macht. Bewährtes wie Akkubetrieb und Wechselmagazin wurde beibehalten, moderne sinnvolle Elektronik kam hinzu und die Modellpflege blieb nicht auf der Strecke. Der Motor schafft jetzt echte zwei Bilder pro Sekunde, die ISO-Einstellung erfolgt direkt am Magazin, das den Wert jetzt automatisch auf die Kamera überträgt. Die Offenblendmessung fordert allerdings ihren Tribut bei den Übertragungselementen, sie läßt sich nur mit den neuen als PQ gekennzeichneten Objektiven realisieren. Schneider-Kreuznach nutzte die Chance, gleich bei der Einführung der 6008 zwei hochlichtstarke Objektive vorzustellen: ein Xenotar 2/80 und ein Tele-Xenar 2,8/180 mm. Trotz der neuen 6008 hat die 6006 aufgrund des wesentlich geringeren Preises und ähnlicher konstruktiver Qualitäten nach wie vor ihre Berechtigung. Rollei behielt für die 6008 die bewährte Basis der 6006 bei und paßte sie dem elektronischen Standard hochentwickelter Kleinbildkameras an. Beide Kameras sind trotz der Änderungen an Magazinen und Objektiven kompatibel. Schneider-Kreuznach-Objektive bereichern die bewährte Carl Zeiss-Palette. Die vielbeschworene Synthese aus Tradition und Fortschritt, bei der Rolleiflex 6008 wurde sie Wirklichkeit.
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