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Beratung

Welche Rollei wählen?

Die Charakterfrage

Wer sich ernsthaft mit dem Kauf einer Mittelformatkamera befaßt, kommt an Rollei nicht vorbei. Der Marktführer auf diesem Sektor ist gleich mit fünf Modellen für das Bildformat 6x6 cm vertreten, von denen jedoch nur drei vollkommen unterschiedliche Charaktere repräsentieren. Es lohnt sich, diese einmal anhand der Kameras 2,8 GX, SL 66 SE und 6006 ausführlich zu erläutern. Damit Sie Ihren richtigen Einstieg zu mehr Format finden.

Von Rollei-Gründer und Konstrukteur Reinhold Heidecke stammt der legendäre Spruch: Nur über meine Leiche wird eine Kamera mit nur einem Objektiv das Werk verlassen'. Nun, der alte Herr mußte tatsächlich das Zeitliche segnen, bis es 1966 passierte. Rollei-Chef Heinrich Peesel brach zur photokina mit der Monokultur der Zweiäugigen, die sich zuletzt eher als Fluch, denn als Segen für die Firma entwickelt hat. Der Trend zu Wechselobjektiven war auch beim Mittelformat unaufhaltsam. Er führte schnurgerade zur Rolleiflex SL 66, die nicht einfach ein Hasselblad-Abklatsch war, sondern schon in Grundausstattung viel mehr konnte. Sie ist nahbereichstauglich bis zum Abbildungsmaßstab 1,56:1, wenn das Objektiv in Retrostellung adaptiert ist. Der eingebaute Balgen sorgt auch für einen Einstellkomfort wie er sonst nur bei Großbildkameras üblich ist. Er laßt sich um jeweils acht Grad nach oben und unten schwenken, das ist zwar kein Allheilmittel gegen den Schärfentiefenschwund im Nahbereich, bringt aber oft jenes Quentchen mehr, das gerade erforderlich ist. Der berühmte Geodat Theodor Scheimpflug laßt grüßen. Heute bietet die SL66SE dieselben Eigenschaften gepaart mit hohem Bedienungskomfort. Denn die integrierte Belichtungsmessung, umschaltbar von Integral- auf Spotmodus, macht ein TTL-Prisma überflüssig.
Versöhnlicher als das Erscheinen der SL 66 dürfte den Rollei-Pionier die Wiedergeburt der Zweiäugigen 20 Jahre später gestimmt haben. Auf der photokina 1986 wurde erstmals seit 1960, dem Todesjahr von Reinhold Heidecke, eine mehr als nur detailverbesserte 2,8 F vorgestellt. Die 2,8 GX wartet mit TTL-Blitzsteuerung auf. Mit dem neuen Modell liegen die Braunschweiger voll im von der Leica M6 begründeten Trend de hochwertigen und modernisierten Klassiker. Vorbestellungen gab es bereits zuhauf und der große Erfolg lohnt die Mühen der schwierigen Werkzeug- und Bauteilefertigung, die den Serienanlauf immer wieder verzögerte.
Mit allen Traditionen brach dagegen bewußt die Rolleiflex SLX zehn Jahre vorher. Die "Revolution im Mittelformat" leuchtete die Überschrift zum noblen Hochglanzprospekt und dies war noch nicht einmal übertrieben. Motorischer Filmtransport, Blendensteuerung über Linearmotore im Objektiv, Blendenautomatik nach Zeitvorwahl, integrierte Belichtungsmessung schon in Verbindung mit dem serienmäßigen Faltlichtschacht, dazu die Frerndlichtkompensation, die von oben einfallendes Licht in den Schacht zur Messung ignoriert, das waren Argumente, die geradewegs Richtung Zukunft wiesen. Wie sehr, das zeigt die Rolleiflex 6006 mod. 2 von heute, die in ihrer Grundkonzepion der SLX von damals entspricht. Freilich realisiert sie die Funktionen zuverlässig und funktionssicher mit neuer Elektronik.
Drei Grundmodelle, drei Philosophien. Aus der Beschreibung ihrer Technik und Geschichte geht noch nicht eindeutig genug hervor, wodurch sie sich unterscheiden. Man muß sie in der Praxis erleben, um ihre Starken und Schwachen nachzuvollziehen. Wir taten es für Sie.
Sie fotografieren häufig und haben hohe Qualitätsansprüche. Ihre Kleinbildausrüstung ist hochwertig und besteht zum Großteil aus lichtstarken den Vorsprung in Schärfe und Farbsättigung spüren wollen. Dann ist die 2,8 GX genau die richtige für Sie. Eine Kamera für besondere Anlässe, ideal für die bildgestalterische Fotografie, wenn es auf Schnelligkeit nicht ankommt. Wegen des Lichtschachtsuchers und fehlender Objektivwechselmöglichkeit schult sie das Sehen, Porträtfotos gelingen vortrefflich, weil das Modell nicht durch ständigem Anvisieren und durch laute Auslösegeräusche eingeschüchtert wird. Dank des zweiäugigen Prinzips, das eine Sucherkamera mit einer Aufnahmekamera kombiniert, kann der Fotograf das Sucherbild auch während des Auslösens kontrollieren dafür entfällt aus eben diesen konstruktiven Gründen, eine Kontrolle der Schärfentiefe. Ein ganz wesentlicher Vorteil der Zweiäugigen liegt in ihrer Handlichkeit. Keine andere Mittelformatkamera laßt sich so unbeschwert für Fotospaziergänge einsetzen. Trotz des größeren Bildformats empfindet sie der Fotograf nicht klobiger als eine Leica R3.
In Sachen Handlichkeit kann die SL 66 SE naturgemäß nicht ganz mithalten. Wechselobjektiv, Wechselmagazin und der eingebaute Balgen fordern ihren Tribut bei Größe und Gewicht, steigern andererseits die Aufnahmemöglichkeiten erheblich. Die Rolleiflex SL 66 ist ursprünglich als Studiokamera konzipiert worden, und das kann sie schwerlich verleugnen. Dennoch sind Größe und Gewicht gerade noch so bemessen, daß man auch im Freien und ohne Stativ mit ihr fotografieren kann, die Verwendung des Normalobjektivs allerdings vorausgesetzt. Der eingebaute Belichtungsmesser mit wahlweiser Umschaltung von Integral- auf Spotmessung kommt dem "Field-Einsatz" sehr entgegen. Der SL 66 SE gebührt die Krone im Rollei-Programm, die Kamera kann einfach am meisten, sie läßt sich am vielseitigsten benutzen. Nicht von ungefähr markiert sie auch vom Preis her die Spitze. Die Vorzüge andern allerdings wenig daran, daß sie für ernsthafte Amateure, die zum Mittelformat aufsteigen wollen, nicht gerade die beste Empfehlung ist. Zu viele ihrer Möglichkeiten könnten ungenutzt bleiben. Prädestiniert für die Action- und Reportagefotografie ist schon wegen ihrer Blendenautomatik und des integrierten Motors, der in zwei Sekunden drei Bilder automatisch transportiert, die Rolleiflex 6006 mod. 2. Die vielseitige Kamera macht dem Aufsteiger vom Kleinbildformat sogar besondere Freude. Dank hohem Bedienungskomfort und einer ausgezeichneten Belichtungsautomatik schießt es sich schon nach kurzer Zeit ein. Spontane Freude an gelungenen Bildern läßt die hohe Investition schnell vergessen. Die Kamera ist zwar schwer, doch noch ausreichend handlich. Wenn man auf das Wechselmagazin mit dem genialen Laminarverschluß - der lästige Schieber wird hierbei durch ein Rollo ersetzt - verzichten kann, empfiehlt sich sogar die kleinere Schwester 6002, die in einem preiswerten Action-Set inklusive Konverter und Ledertasche für ca. 3600 Mark angeboten wird.

Fazit

Alle drei Rollei-Mittelformat-Philosophien bieten viele Vorzüge: Das große 6x6-Format in Verbindung mit dem Faltlichtschacht für bessere Bildgestaltungsmöglichkeiten, höhere Farbsättigung und bessere Scharfe, den hohen Bedienungskomfort dank integrierter Belichtungsmessung und die TTL-Blitzsteuerung für problemloses Blitzen. Unter dem Aspekt des Kleinbild-Aufsteigers empfehlen sich je noch Charakter ganz besonders die 2,8 GX und die 6006/6002.

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