← Zurück

Artikel

Test & Technik Praxisbericht

Prädiktionsautofokus-Systeme im Vergleich

Scharf gerechnet

Gestochen scharfe Bilder von Aufnahmeobjekten in schneller Bewegung sind, den Werbeversprechen zufolge, für moderne AF-Kameras kein Problem. Das Stichwort lautet Prädiktionsautofokus und bedeutet nichts anderes als vorausbestimmende oder -berechnende automatische Scharfeinstellung. Wir haben die wichtigsten Prädiktionsautofokus-Systeme in der Praxis geprüft.

Schnelle Bewegungsabläufe lassen auf unterschiedliche Weise "einfrieren", das heißt scharf abbilden. In Abhängigkeit von der Geschwindigkeit und der Bewegungsrichtung wird eine entsprechend kurze Verschlußzeit eingestellt. Die erforderliche Verschlußzeit kann durch komplizierte Formeln oder relativ ungenaue Faustregeln ermittelt werden. Hier ein Beispiel. Soll ein Fußgänger mit durchschnittlich schnellem Gang aus 5 Metern Entfernung aufgenommen werden, gelten folgende Verschlußzeiten als Anhaltswert für eine scharfe Abbildung:

Bewegungsrichtung quer zur Aufnahmerichtung:	1/500 Sekunde

Bewegungsrichtung schräg zur Aufnahmerichtung: 1/250 Sekunde

Bewegungsrichtung parallel zur Aufnahmerichtung: 1/125 Sekunde

Wenn Lichtverhältnisse und Filmempfindlichkeit es erlauben, kann eine ungenaue manuelle Scharfeinstellung durch eine kleine Blendenöffnung (bei kurzer Verschlußzeit) und die daraus resultierende Schärfentiefe kompensiert werden.

Die Theorie

Die elegantere Lösung ist aber der sogenannte Prädiktionsautofokus, also die vorausbestimmende oder vorausberechnende automatische Scharfeinstellung.
Der Kameracomputer berechnet aus den Daten der kontinuierlichen Autofokus-Messungen die voraussichtliche Position des bewegten Objekts zum Zeitpunkt der Belichtung. Damit wird die Objektbewegung in der geringen zeitlichen Verzögerung zwischen dem Druck auf den Auslöser und der tatsächlichen Belichtung berücksichtigt. Die meisten Kameras können nur Objekte "verfolgen", die sich mit relativ konstanter Geschwindigkeit auf die Kamera zu oder von ihr weg bewegen. Minolta Dynax 7xi und 9xi sprechen auf Bewegungen in allen Richtungen an, und zwar unabhängig davon, ob das Objekt sich mit gleichbleibender Geschwindigkeit bewegt, beschleunigt oder abbremst. Einige Kameras, wie die Minolta Dynax-xi-Modelle, die Nikon F90 und die Canon EOS 5, schalten in bestimmten Programmen von der Schärfepriorität auf Auslösepriorität automatisch um, sobald sich das Objekt bewegt.
Die Schärfenachführung arbeitet mit Auslösepriorität. Diese Autofokus-Betriebsart wird als "Continuous Servo Autofocus" bezeichnet und -je nach Kamera-Hersteller - mit "AF-Servo", "M-Servo", "C" oder auch "Cont" abgekürzt. Die Auslösepriorität ist - zum Beispiel in den Sport- und Action-Programmen - mit der Serienbildschaltung gekoppelt. Die Umschaltung des motorischen Filmtransports auf die Serienbildfunktion wird jedoch auch in den anderen Programmen empfohlen, um "Objektbewegungen jeder Art mühelos einzufangen".
Wir haben für unseren Praxisbericht sechs AF-SLR-Kameras der Spitzenklasse geprüft. Die Prüflinge waren: Canon EOS 5, Minolta Dynax 9xi, Nikon F4, Nikon F90, Olympus IS-3000 und Pentax Z-1.

Die Wirklichkeit

Betrachten wir nun die Fotos, mit denen in den jeweiligen Prospekten die vorausberechnende Scharfeinstellung veranschaulicht wird. Dabei gehen wir davon aus, daß die Fotos nicht manipuliert, sondern tatsächlich in den angegeben AF-Funktionen aufgenommen wurden. Im Prospekt zur Canon EOS 5 sehen wir eine Gruppe von zwei Radfahrern, die sich auf die Kamera zu bewegen. Die Radfahrer sind weit entfernt, und die Fotos (Serie) wurde wohl mit einem Objektiv mit langer Brennweite aufgenommen. Der Prospekt zur Nikon F90 zeigt eine Gruppe von vier Radfahrer, die sich frontal der Kamera nähern (Serie). Die Aufnahmeentfernung scheint groß und die Brennweite lang zu sein. Bei der Pentax Z-1 wird auf dem Prospekt eine Gruppe von drei Skiläufern gezeigt, die sich in größerer Entfernung auf die Kamera zu bewegen. Die Aufnahmen (Serie) wurden ebenfalls mit einer längeren Brennweite aufgenommen, die Schärfentiefe ist groß, die Verschlußzeit kurz, wie am aufgewirbelten Schnee zu erkennen ist. Im Prospekt zur Minolta Dynax 9xi werden zwei Einzelmotive mit einem Eisschnelläufer und einem Skifahrer gezeigt bei denen man die Wirkung einer längeren Brennweite unschwer erkennt. Diese Bildserie wurde mit dem Zoom 28-105 mm, wohl in Weitwinkelstellung, bei der Verschlußzeit 1/2000 Sekunde aufgenommen. Die Aufnahme ist von vorn bis hinten scharf. Auch die Bildserie mit den zwei Reitern im Prospekt zur Nikon F4 wurde offenbar mit einer kurzen Brennweite aufgenommen. Die gesamte Bildfläche befindet sich in der Schärfentiefenzone. Die Verschlußzeit war kurz, was die Wasserspritzer im Bach zeigen. Das Sportprogramni der Olympus IS-3000 wird durch eine Aufnahmeserie mit einem Schlauchboot dokumentiert, die mit einer sehr kurzen Verschlußzeit (an den Wasserspritzern zu erkennen) vermutlich mit der Brennweite 180 Millimeter aufgenommen wurde. Die Serienbildfunktion wird durch eine in der Bildmitte reitende Person dargestellt, die sich im Bereich der Schärfentiefe bewegt.
Analysiert man die Einzelbilder und die Bildserien, die das Funktionieren der vorausberechnenden Scharfeinstellung veranschaulichen sollen, so kristallisieren sich zwei Grundsituationen heraus.

Erstens: Das Objekt ist von der Kamera weit entfernt und wird mit einer längeren Brennweite aufgenommen. Die Verschlußzeit ist sehr kurz. Die Objekte befinden sich im Bereich der Schärfentiefe.

Zweitens: Das Objekt befindet sich in mittlerer Entfernung zur Kamera und die Aufnahme wird mit einer kürzeren Brennweite gemacht. Die Verschlußzeit ist auch hier sehr kurz. Die Schärfentiefe reicht von ganz vorn bis ganz hinten.

In derartigen Aufnahmesituationen und unter diesen Voraussetzungen hätte man mit einem Kamera ohne Autofokus ähnlich Bildergebnisse erreicht. Es hätte genügt, eine der erforderlichen Schärfentiefe angepaßte Blende und eine sehr kurze Verschlußzeit einzustellen. Dafür wäre angesichts der gezeigten Motivsituationen (Radfahrer, Skiläufer, Reiter) ausreichend Zeit gewesen. Damit sind die Funktionstüchtigkeit und der Sinn der vorausberechnenden Scharfeinstellung in Frage gestellt - eine gewisse "Hellhörigkeit" stellt sich aber unwillkürlich ein.

Die Praxis

Wir haben die sechs Kameras in vier verschiedenen Motivsituationen in der Praxis geprüft:

Beim ersten Motiv wurde eine Person im normalen Gang aufgenommen.

Dieselbe Person bewegte sich beim zweiten Motiv im Laufschritt auf die Kamera zu.

Ein mit relativ konstanter Geschwindigkeit fahrendes Auto bewegte sich beim dritten Motiv frontal auf die Kameras zu.

Um die Einflüsse der Schärfentiefe und der ultrakurzen Verschlußzeiten auszuschließen, wurde beim vierten Motiv in etwa 3 bis 4 Metern Entfernung ein Pendel aufgebaut, das stets vom selben Punkt aus in Bewegung gesetzt wurde.

Die Vergleichsaufnahmen wurden mit jeder Kamera vom gleichen Standpunkt aus gemacht. Die Brennweite der Zoomobjektive war jeweils etwa auf 70 Millimeter eingestellt. Wir haben mit Blendenautomatik bei einer der jeweiligen Geschwindigkeit angepaßten Verschlußzeit gearbeitet. Die Kameras waren auf kontinuierliche Schärfenachführung mit Auslösepriorität und Serienbildfunktion geschaltet. Bei der Canon EOS 5 und der Olympus IS-3000 haben wir zusätzlich im Action-Programm fotografiert. Hier die Ergebnisse im einzelnen.

Canon EOS 5

Bei der Canon EOS 5 haben wir den augengesteuerten Autofokus abgeschaltet und nur den mittleren Kreuzsensor aktiviert. Die Schärfenachführung hat bei der gehenden Person gut funktioniert - alle Aufnahmen waren scharf. Beim Laufschritt dagegen hat es manchmal geklappt - und manchmal nicht. Das gilt für die Blendenautomatik wie auch für das Action-Programm. Die gezeigten Fotos stammen aus der besten Bildserie. Bei den Aufnahmen vom fahrenden Auto bereitete die Prädiktion keine Probleme. Die größten Schwierigkeiten hatte die Canon EOS 5 - wie die anderen Kameras übrigens auch - beim Pendelmotiv. Nur ausnahmsweise war eine Aufnahme scharf.

Minolta Dynax 9xi

Bei der Minolta Dynax 9xi machten wir die Aufnahmen in der Blendenautomatik sowohl bei Auslösepriorität als auch bei Schärfepriorität. Der rnultidimensionale Prädiktionsautofokus der Dynax 9xi kann nämlich auch bei Schärfepriorität die Position eines Objekts vorausberechnen, sobald eine Objektbewegung erkannt wird. Bei den Motiven mit gehender und laufender Person hatte die Kamera in keiner der beiden Autofokus-Betriebsarten Schwierigkeiten mit der Schärfenachführung. Das gleiche gilt ohne Einschränkung für das Automotiv. Auch beim Pendelmotiv hat die Dynax 9xi am besten abgeschnitten, doch die wirklich scharfen Aufnahmen waren ,selten. Das Autofokussystem der Dynax 9xi und das große AF-Meßfeld mit vier AF-Sensoren machen die Kamera schnell und "treffsicher".

Nikon F4

Die Nikon F4 hat beim Motiv mit der gehenden Person tadellos gearbeitet. Beim Laufschritt hat die Kamera gelegentlich geringe Probleme mit der Schärfenachführung gehabt. Einige der Aufnahmen waren nicht ganz scharf. Sehr gut hat die Nikon F4 aber beim Automotiv nachfokussiert. Beim Pendelmotiv stellten wir wieder wenige Treffer und nachhaltige Schwierigkeiten beim Fokussieren fest.

Nikon F90

Das Autofokussystem der Nikon F90 hat beim Personenmotiv sowohl bei gehender als auch bei laufender Person sehr gut funktioniert, im letzteren Fall sogar besser als die Konkurrenz aus dem eigenen Haus, die Nikon F4. Beim Automotiv wurde ebenfalls problemlos nachfokussiert, Das Pendelmotiv hat auch der F90 Schwierigkeiten bereitet, die sie aber fast so gut wie die Minolta 9xi und somit besser als andere Kameras gemeistert hat.

Olympus IS-3000

Die Olympus IS-3000 fällt als Bridgekamera ein wenig aus dem Rahmen, doch als Autofokus-Spiegelreflexkamera ist sie mit von der Partie. Die IS-3000 hat zwar keinen Prädiktionsautofokus im engeren Sinn, aber sie stellt in der Serienbildfunktion ("Cont") bei jeder Aufnahme die Schärfe neu ein. Bei den beiden Personenmotiven und sogar beim Automotiv hat sich die Olympus IS-3000 - trotz dieses Handikaps - den anderen Kameras als ebenbürtig erwiesen. Auch beim Pendelmotiv hatte sie keine wesentlich größeren Probleme mit der Fokussierung als die anderen Prüflinge.

Pentax Z-1

Das Flaggschiff des Hauses Pentax, die Z-1, hat ein ganz ähnliches Fokussierverhalten wie die Nikon F4 an den Tag gelegt. Die Pentax Z-1 zeigte eine tadellose Scharfeinstellung beim Motiv mit der gehenden Person im Gehen und gelegentlich auftretende Schwierigkeiten beim Scharfstellen auf die laufende Person. Beim Automotiv hat die Pentax Z-1 genau gearbeitet. Mit dem Pendelmotiv hatte aber auch sie ihre Schwierigkeiten mit der Scharfeinstellung.

Fazit

Am besten haben alle Kameras, wie auch nicht anders zu erwarten war, beim langsamsten Bewegungsablauf fokussiert, nämlich bei der Person im Gehen. Bei der laufenden Person dagegen haben sich bereits die ersten Schwierigkeiten angedeutet. Alle Kameras, bis auf die Minolta Dynax 9xi und die Nikon F90, haben innerhalb der Bildserien immer wieder einmal unscharfe Aufnahmen belichtet. Die Anzahl der unscharfen Aufnahmen war hier aber im Verhältnis zu den scharfen Fotos noch recht gering. Warum die Kameras dabei gelegentlich Probleme hatten, läßt sich vom technischen Standpunkt aus nicht genau klären, weil das Motiv von den Autofokus-Sensoren voll erfaßt war und sich direkt auf die Kamera zu bewegt hat. Die Ursache ist vermutlich darin zu suchen, daß die Entfernung zwischen der Kamera und dem Objekt bei den Aufnahmen jeweils ungefähr 6 und 2 Meter betrug. Das fahrende Auto wurde hingegen von allen geprüften Kameras genau fokussiert. Das wiederum ist wohl darauf zurückzuführen, daß die Aufnahmeentfernung in diesem Fall zwischen etwa 60 und 20 Meter lag. Außerdem hat sich das Auto mit einer nur geringen Abweichung von der Objektivachse bewegt.
Die insgesamt doch etwas größeren Schwierigkeiten mit der Scharfeinstellung auf das Pendel durften ihre Ursachen in folgenden Umständen haben: in der relativ kurzen Aufnahmeentfernung (sie betrug jeweils nur etwa 3 bis 4 Meter), in der nur geringfügigen Beschleunigung des pendelnden Objekts sowie schließlich in der Bewegung des Pendels selbst, die von der Objektivachse mehr oder weniger abweicht. Die wenigsten Probleme bei diesem Motiv wiesen die Minolta Dynax 9xi und die Nikon F90 auf.
Zur Gesamtbeurteilung der hier geprüften Prädiktionsautofokus-Systeme läßt sich folgendes festhalten: Bei großen Aufnahmeentfernungen hat keine der genannten Autofokus-Spiegelreflexkameras Schwierigkeiten, auf bewegte Objekte zu fokussieren, sofern deren Bewegungsrichtung nicht allzu sehr von der Objektivachse abweicht. Bei den kürzeren Aufnahmeenfernungen sowie auch bei größeren Abweichungen der Bewegungsrichtung von der Objektivachse können allerdings mehr oder weniger große Probleme bei der Scharfstellung auftreten.

{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}