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Kaufberatung
Mittelformatkameras
Gemischtes Doppel
Drei Duelle im Mittelformat, der Luxusklasse der Amateurfotografie, sollen gezielt Starken und Schwachen der Kontrahenten offenbaren, um eine Kaufentscheidung für die eine oder die andere zu erleichtern. Es treten an: Zenza Bronica ETR-S gegen Mamiya M 645 Super, Hasselblad 500 C/M gegen Zenza Bronica SQ-A und Mamiyas Flaggschiff RZ 67 fordert im Idealformat die Zenza Bronica GS-1 heraus.
Im Gegensatz zu Kleinbild, das auf die Größe 24x36 mm festgelegt ist und als populäre Abart höchstens noch das Halbformat 18x24 mm zuläßt, reicht die Bandbreite des Mittelformats von 4x4 cm bis 6x9 cm. Dabei muß allerdings beachtet werden, daß das tatsächliche Bildformat jeweils einige Millimeter kleiner ist als das Nominalformat. Während die sogenannte Super Slide-Variante 4x4 als Kameratyp ausgestorben ist und höchstens noch als Wechselmagazin-Version zur Hasselblad existiert, verhalf Mamiya dem Format 4,5x6 cm 1975 zu einem glänzenden Comeback. Die Spiegelreflexkamera M 645 nutzte konsequent die Marktlücke zwischen Kleinbild und 6x6 cm, das moderne Flaggschiff M 645 Super treibt diesen Anspruch auf die Spitze der Perfektion.
Überlegenes Mittelformat
Gibt auch die Wahl des richtigen Mittelformats bisweilen noch Anlaß zu heftigen Diskussionen, so ist die Überlegenheit des Mittelformats gegenüber dem Kleinbild langst erwiesen. Höhere Scharfe, feineres Korn, bessere Farbsättigung sind Argumente, die nicht nur in den Werbebroschüren der Mittelformatkamera-Hersteller auftauchen, sondern beim Vergleich mit Kleinbild tatsächlich überzeugen. Auch die qualitative und bildgestalterische Beurteilung der Dia- oder Negativstreifen fällt beim Rollfilm wesentlich leichter als beim Kleinbild. Die Herstellung von Kontaktabzügen kann daher oft getrost entfallen.
Das kleine Mittelformat 4,5x6 cm kommt besonders dem Aufsteiger von Kleinbildkameras entgegen. Diese werden an der Mamiya M 645 Super ihre helle Freude haben. So bietet die Kamera nicht nur einen außergewöhnlichen Bedienungskomfort, sondern auch eine üppige Auswahl an Zubehör und Objektiven. Nicht weniger als zwanzig Brennweiten, darunter so ausgesuchte Spezialitäten wie ein Weichzeichner-Porträt-Tele 4/145 mm oder ein Zentralverschlußobjektiv 2,8/70 mm für die universelle Blitzsynchronisation machen das Mamiya 645-System zum umfangreichsten seiner Gattung. Sogar ein Kleinbild-Wechselmagazin ist lieferbar.
Ein gezielter Blick in die Zubehörliste kann sich gerade im Fall Mamiya M 645 Super lohnen. Denn in der Grundausstattung vermag die 645 Super mit dem Faltlichtschacht nur wenig Freude zu vermitteln. Der Clou der Mamiya ist zweifellos der Automatik-Prismensucher N, der die Kamera zum Zeitautomaten macht, damit der Fotograf auch bei schnellen Aufnahmesituationen, wie beispielsweise Sport oder Schnappschuß, spontan reagieren kann. Wenn es um die Wahl des richtigen Belichtungsmeßsystems geht, denkt der Sucher mit. Je nach Kontrastumfang des Motivs wählt er selbständig die geeignete Meßart. Natürlich kann der M 645 Super-Benutzer auch von vornherein selbst bestimmen, welcher Meßmethode er den Vorzug gibt. Passende, ja notwendige Ergänzung für so eine handliche Mittelformat Action-Kamera, wie sie die 645 Super verkörpert, ist neben dem Automatik-Prismensucher N der Power Drive N, der zu einem handlichen Griffstück ausgebildet ist. Erst jetzt wirkt die Mamiya rund und aus einem Guß, ein Eindruck der sich durch die bequeme Handhabung noch verstärkt. Der Motor schafft vier Bilder in fünf Sekunden und besitzt einen integrierten elektromagnetischen Auslöser.
Führend bei 4,5x6 cm ist Mamiya
Damit der Mamiya 645 Super Fotograf vollkommenen Fotografierspaß mit seiner Kamera erleben kann, sollte er in diesen beiden Zubehörteile investieren. Sie schlagen mit rund 1800 Mark zu Buche und erhöhen den Grundpreis von 2700 Mark noch einmal beträchtlich. Die inzwischen recht betagte Zenza Bronica ETR-S gilt dagegen als Sonderangebot. Die leicht zu bedienende Kamera vermittelt schon in der Grundausstattung mit dem Faltlichtschacht sehr viel vom typischen Mittelformat-Feeling. Die Komposition des Bildes per Lichtschacht, der Kleinbildaufsteigern aufgrund seines seitenverkehrten Sucherbildes zunächst gewöhnungsbedürftig erscheint, ist ein Erlebnis ganz besonderer Art. Bewußte Zurückhaltung beim Belichten ist durch die begrenzte Filmkapazität von nur 15 Bildern pro 120er Rollfilm angesagt. Positiv gesehen bedeutet es die Erziehung zum bewußteren Fotografieren. Zwar gibt es zur Zentralverschluß-Bronica ebenfalls einen AE-Prismensucher II, der die Kamera in einen Zeitautomaten verwandelt, doch stellt er aufgrund der beschaulicheren Philosophie nicht so ein unbedingtes Muß dar wie bei der Mamiya. Es sei denn man möchte häufig von Querformat auf Hochformat wechseln, was mit dem Lichtschachtsucher schier unmöglich ist. Störend an der Bronica wirkt das harte Auslösegeräusch mit kernigem Spiegelschlag. Tribut an das frühe Erscheinungsjahr der Kamera, die bereits 1976 als ETR Premiere feierte, ist die fehlende Filmempfindlichkeitseinstellung am Magazin, was beim raschen Magazinwechsel eine mögliche Fehlerquelle beinhalten kann, wenn der Fotograf keine Korrektur am Handbelichtungsmesser oder am ASA-Einstellrad des AE-Prisma vornimmt.
6x6 cm: Klassik contra Moderne
Probleme mit dem Wechsel von Hoch- auf Querformat kennt das klassische Mittelformat 6x6 cm nicht, ein Prismensucher scheint gerade hier entbehrlich, es sei denn man benötigt ihn zur Belichtungsmessung. Ansonsten ist die entspannte Betrachtung des Sucherbildes in Brusthöhe weit weg vom Auge kann man mit ein bißchen Übung auch ohne die Klapplupe sicher und exakt scharfstellen - vorzuziehen. Die altehrwürdige Hasselblad 500 C/M offenbart immer noch zahlreiche Reize. Die Beschränkung auf das Wesentliche fernab modischer High Tech macht sie so sympathisch. Überzeugen vermag immer noch die solide Verarbeitung der Ganzmetallkamera, die mit ihren polierten Ecken und Kanten schon äußerlich einen sehr gediegenen Eindruck macht. Robuste, zuverlässige Mechanik und eine relativ hohe Wertbeständigkeit machen eine Hasselblad immer noch zu einer langfristigen Investition. Die vorbildliche Kompatibilität aller Zubehörteile -eine Philosophie des Göteborger Hauses - läßt die 500 C/M gelassen einer weiteren 30jährigen Zukunft entgegensehen. Sie hat das Flair, das andere nicht bieten können. Außerdem liegt die Kamera ganz ausgezeichnet in der Hand der Besten, auch mit dem sündhaft teueren TTL-Prisma, das es bei seiner Funktion als Belichtungsmesser lediglich mit der Anzeige des Lichtwerts bewenden läßt. Eine Automatik gar ist ihm völlig fremd.
Der Lichtwert läßt sich dank EV-Skala direkt auf die Kamera übertragen, die gewünschte Zeit-/Blendenkombination kann der Fotograf mit nur einer Handbewegung sicher einstellen. Professionalität, jenes geprügelte Modewort, hier hat es ausnahmsweise seine Berechtigung. Die Hasselblad-Konkurrenz Zenza Bronica GS-1 kann gegenüber ihren schwedischen Rivalen in erster Linie einen günstigeren Preis und eine moderne Technik ins Feld führen. Letzte drückt sich am spektakulärsten im elektronisch gesteuerten Seiko-Zentralverschluß und im fortschrittlichen AE-Prismensucher S aus, der die Kamera in einen Zeitautomaten verwandelt. Die Bronica SQ-A ist genauso schwer wie die Hasselblad, die optische Leistung des neuen Zenzanon PS 2,8/80 mm steht der des Zeiss Planar 2,8/80 mm bei praktischen Aufnahmen in nichts nach. Das Auslösegeräusch der Bronica hört sich im Gegensatz zum dumpf satten Hasselblad-Sound metallisch harter an. Die Verschlußzeiteneinstellung geschieht bei der Bronica nicht am Objektiv wie bei der Hasselblad, sondern am Kameragehäuse. Ärgerliche Kleinigkeiten gibt es da wie dort. Der Magazinschieber wird bei beiden, da ihm eine Unterbringungsmöglichkeit an der Kamera fehlt, zum potentiellen Verlustobjekt. Die Bronica hat nur ein kleines metrisches Stativgewinde und ein Batteriewechsel (PX 28) wird zur Fummelei. Die Hasselblad wirkt im Detail durchdachter, Kleinigkeiten wie der Filmlängen-Indikator am Magazin und die Anzeige ob der Verschluß gespannt ist oder nicht, weisen darauf hin. Spiegelvorauslösung besitzen beide Kameras, bei der Hasselblad laßt sich der Sucher nur dann wechseln, wenn auch das Magazin vorher abgenommen wird. Hier gibt sich die Schwedenkamera eine Bedienungsblöße, die nicht so recht ins durchdachte Profikonzept passen will.
Gilt die Hasselblad weltweit neben Rollei als Synonym für die 6x6-Kamera, so kann die Mamiya RZ 67 diesen hohen Stellenwert im Idealformat 6x7 cm für sich verbuchen. Das hat sie in erster Linie ihrem mechanischen Schwestermodell RB67 Professional S zu verdanken, die aus den Studios vieler Profifotografen nicht mehr wegzudenken ist. Die RZ67 stellt eine wesentlich Modernisierung und Verbesserung des RB 67-Konzeptes dar. Der Zentralverschluß ist nun elektronisch gesteuert, Filmtransport und Verschlußaufzug wurden funktionell mit einem Schalthebel zusammengefaßt. Ein Winder sorgt als Zubehör für motorischen Filmtransport und der AE-Prismensucher RZ steuert die Zeitautomatik dazu. Seine Belichtungscharakteristik laßt sich außerdem je noch Motivkontrast wählen. Sie ermöglicht Spot- und Integralmessung. Das Drehrückteil macht die Kamera außerordentlich flexibel, was Wechsel von Hoch- auf Querformat anbelangt, die Maskierung im Sucher wird automatisch an die Stellung des Drehrückteils angepaßt, eine umständliche Orientierung über Hilfslinien ist nicht notwendig. Erfreulich auch die Formatvielfalt bei der RZ 67, neben dem Idealformat hat der Fotograf noch die Auswahl von Wechselkassetten der Dimensionen 6x6 cm und 4,5x6 cm, Kassetten der RB 67 können über einen Adapter verwendet werden. Ganz ohne Zweifel bietet die Mamiya RZ 67 innerhalb dieser Vergleichsgruppe die meisten fotografischen Möglichkeiten.
Mamiya RZ 67: keine kann mehr
Der eingebaute Balgen, über den die Fokussierung erfolgt, ersetzt ein Makro-Objektiv. Er ermöglicht mit dem Standardobjektiv 2,8/110 mm eine kürzeste Aufnahmeentfernung von 31,3 cm. Doch diese technische Vielfalt hat ihren Preis, den man im wahrsten Sinne des Wortes spürt. Allerdings weniger beim Geldbeutel als vielmehr am Gewicht. Bestückt mit dem Normalobjektiv wiegt die Kamera 2,4 Kilo, ihre Konkurrentin Zenza Bronica GS-1 entpuppt sich im Vergleich dazu mit 1,8 Kilo beinahe als Leichtgewicht. Der AE-Prismensucher RZ wiegt noch einmal 935 Gramm, womit die technisch anspruchsvolle RZ-Kombination deutlich mehr als 3 Kilo wiegt und somit nurmehr auf dem Stativ zu bändigen ist. Dennoch hohe Nehmerqualitäten wegen des Idealformats und der überzeugenden Technik der Kamera vorausgesetzt, sind einen Versuch wert, die Studiokamera auch einmal im Freien zu benutzen. Es geht auch ohne Stativ, wenn der hervorragende Agfachrome 1000 RS eingelegt ist. Als Lohn der Mühe erhält man brillante 6x7 cm Dias, die bereits auf dem Filmstreifen versprechen, was sie in der Projektion halten.
Allerdings sei an dieser Stelle nicht verschwiegen, daß die RZ-67-Domäne ohne Zweifel das Studio ist.
Von ganz anderem Charakter präsentiert sich die Zenza Bronica GS-1. Das jüngste Kind des Tokioter Mittelformat-Spezialisten, an dem der Elektronikgigant Sony eine größere Beteiligung halt, wurde bewußt als sogenannte "Field"-Kamera für die Benutzung im Freien konzipiert. Ihre Ähnlichkeit mit der SQ-A ist unübersehbar, allen Zenza Bronica-Kameras ist darüber hinaus das technische Konzept mit Zentralverschluß und Wechselmagazin als typische Familienmerkmale gemeinsam. Alle Bronica-Kameras lassen sich über das entsprechende AE-Prisma zum Zeitautomaten ausbauen und typisch für die vier Schwestern - die SQ-AM als motorisierte Variante der SQ-A nicht zu vergessen - sind die zahlreichen Aufnahmeformate.
Die Achillesferse der GS-1 im Vergleich zur RZ 67 liegt im fehlenden Drehrückteil begründet, 'auf das der Kompaktheit zuliebe verzichtet werden mußte. Einen gangbaren Ausweg aus dem Hochformatdilemma zeigt der AE-Drehspiegelsucher G an. Bei einem Wechsel von Quer- auf Hochformat kann der Okularstutzen des Suchers in die Senkrechte gedreht werden, so daß ein Einblick von oben gewährleistet bleibt. Alle Finessen des AE-Prismensuchers G hat der Drehspiegelsucher übernommen wie beispielsweise die LED-Anzeige der Verschlußzeit und die Umschaltbarkeit auf Zeitautomatik. Darüber hinaus wartet er mit einer Spotmeßcharakteristik auf, während das starre Pendant auf mittenbetont integrale Messung setzt. Sieben Wechselobjektive von 50-250 mm Brennweite sowie zwei Telekonverter werden den meisten Ansprüchen gerecht, was die Vielseitigkeit des Systems anbelangt, und allen, was die Qualität anbetrifft. Der Zentralverschluß wird von den meisten Mittelformat-Kameras eindeutig favorisiert, das hängt mit den Einsatzgebieten der Mittelformatfotografie zusammen. Porträt- oder Stillife-Fotografie im Studio mit der Blitzanlage erfordern kürzere Synchronzeiten, die nur ein Zentralverschluß realisieren kann. Einzige Ausnahme in diesem Mittelformat-Sextett ist die Mamiya M 645 Super, die noch Kleinbild-Spiegelreflex-Manier einen Schlitzverschluß besitzt, der auch noch die quarzgesteuerte 1000stel Sekunde realisiert und damit hervorragend zur Action-Philosophie der Kamera paßt.
Fazit
Bei den drei Vergleichsgruppen gibt es drei Favoriten: Mamiya M 645 Super, Hasselblad 500 C/M und Zenza Bronica GS-1. Generell läßt sich sagen, daß alle hier vorgestellten Mittelformat-Kameras einen sehr hohen Standard in Verarbeitungs- und Bildqualität aufweisen und das sie jede für sich vom Konzept her überzeugen. Grund genug für Kleinbildfotografen einmal kritisch zu überprüfen, ob ein Aufstieg ins größere Format auf die Dauer nicht doch befriedigender ist, als mehr Bedienungskomfort bei der Kleinbildkamera zu genießen. Bei einer Gegenüberstellung der Anschaffungskosten darf eines nicht vergessen werden: Das vielgeschmähte Standardobjektiv kommt im Mittelformat zu neuen Ehren.
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