← Zurück
Artikel
Beratung
Kaufberatung 4,5x6-Kameras
Gesichter in der Menge
Viereinhalb mal sechs heißt die nüchterne Formel, die eine Synthese verspricht zwischen Kleinbildkomfort und Mittelformatqualität. Drei Vertreter aus der Spitzengruppe treten an, um diesem hohen Anspruch gerecht zu werden. Mamiya M 645 Super, Pentax 645 und Zenza Bronica ETR-S verkörpern hoch entwickelte Technik zum noch erschwinglichen Preis in einer höheren Kameraklasse. Welche dieser Kameras vermag am ehesten Kleinbildaufsteiger für sich zu gewinnen?
Das sogenannte kleine Mittelformat 4,5x6 cm hat keine Schwierigkeiten mit dem Selbstbewußtsein. Es argumentiert sogar gegen die große klassische Schwester 6x6 cm mit ebenso überzeugender Darstellungskraft wie gegen die breite Front technisch qualifizierter Kleinbildkameras mit Profi- Anspruch. Dabei sind es die effektiven 2324 Quadratmillimeter, die schlagkräftig ins Feld geführt werden. Die andere Seite muß sich mit bescheidenen 864 Quadratmillimetern geschlagen geben, während 6x6 cm an Bildfläche mit wirklichen 3136 Quadratmillimetern nominell zwar überlegen ist, aber im Hoch- oder Querformat aufgrund des anfallenden Beschnitts gleichzieht und das bei mehr Volumen, mehr Gewicht und höherem Preis. Soweit die Prospektargumentation der Viereinhalbmalsechs-Branche.
Wenn es um technischen Vorsprung und Innovation im Sinne des Bedienungskomforts geht, hat das kleine Mittelformat ganz eindeutig die Nase vorn. Die Hersteller haben die Zielgruppe für ihre Kameras, nämlich Kleinbildaufsteiger ganz klar im Sucher und diesen wollen sie den Einstieg ins große Format möglichst leicht machen. Das Paradebeispiel für eine 4,5x6-Kamera, die von der Philosophie her eigentlich eine größere Kleinbild ist, heißt Pentax 645.
Technischer Superlativ Pentax
Als sie 1984 den Mittelformat-Markt bereicherte, setzte sie neue Maßstäbe, die heute noch unumstritten gelten. Erstmals gelang es nämlich dem renommierten Hersteller den Stand der Kleinbild-Spiegelreflexfotografie auf das Mittelformat zu übertragen. Das gesamte Repertoire moderner Mikroprozessor-Elektronik wurde dabei ausgeschöpft. Im Klartext heißt dies: Ein Multiautomat mit sieben Belichtungsprogrammen, einem integrierten Motor, mit moderner Tipptastenbedienung und einem LCD-Monitor auf der Kameraoberseite. Der ergonomische Handgriff macht die Kameraeinheit bedienungsfreundlich und der extra flach gehaltene Prismensucher liefert ein brillantes Sucherbild mit LED-Information über Blende und Verschlußzeit. Das Pentax 645-Konzept glänzt also mit lauter Superlativen und macht es der Konkurrenz nicht leicht.
Wenn da nicht der Zielgruppenkonflikt wäre. Die Pentax orientiert sich in ihrem technischen Konzept eindeutig an typischen Kleinbildaufsteigern, die in Bedienungskomfort und Handhabung auf Gewohntes nicht verzichten wollen, die am Prismensucher den Durchblick schätzen und notfalls die Programmautomatik bei Schnappschüssen nutzen.
Selbst die Entscheidung, ob eine Blenden- oder eine Zeitvorwahl für das entsprechende Motiv nützlicher ist, nimmt ihnen die Kamera nicht ab. Sie bietet beides und verlangt Entscheidungsfreude vom Fotografen. Bei dieser Programmvielfalt, die auch eine TTL-Blitzsteuerrung, eine Blitz-Programmautomatik sowie die Möglichkeit der Nachführmessung und der vollen Blitzsynchronisation im Zentralverschlußobjektiv (LS = Lens Shutter) enthält, vermißt der engagierte Fotograf allenfalls noch eine Wahlmöglichkeit von Selektiv- auf Integralmessung, das einzige, was die Pentax 645 im Vergleich zur High-Tech-Kleinbildkamera nicht zu bieten hat. Da bleibt noch Spielraum für Modellpflege. Dafür ist die Kamera außerordentlich kultiviert und man merkt ihr in der Verarbeitungsqualität und im Geräusch die langjährige Erfahrung von Pentax im Bau hochwertiger Spiegelreflexkameras deutlich an. Der motorische Filmtransport ist so leise, wie man ihn sich nur wünschen kann und das auch noch bei Serienbetrieb mit einer Frequenz von 1,5 Bildern pro Sekunde. Bemerkenswert ist auch der leise Spiegelschlag, der mit einem aufwendigen Schwungradsystem realisiert wurde. Darüber hinaus finden sich an allen reibungsintensiven Punkten in der Kamera Kugellager, die ebenfalls verschleißmindernd und geräuschdämpfend wirken. Die fummelige Tipptastenbedienung und das LCD-Display wirken allerdings in der Mittelformatszene deplaziert. Durchdachte Details wie die Notfunktion ohne Batterie und der Dioptrienausgleich am Okular entschädigen dafür allerdings für diesen konzeptionellen Ausrutscher.
Konzentration auf das Wesentliche bei der ETR-S
Für die andere Aufsteiger-Zielgruppe, die im Gegensatz zu den Fortschrittsgläubigen im Mittelformat nicht nur die bessere Bildqualität suchen, sondern eine andere Art des bewußteren Fotografierens mit der Konzentration auf das Wesentliche, ist die Pentax 645 sicher nicht die richtige Empfehlung. Jenen dürfte die Zenza Bronica ETR-S sicherlich am meisten am Herzen liegen. Schließlich hat diese Kamera alles, was Kleinbildkameras normalerweise nicht haben. Sie repräsentiert die klassischen Ausstattungsmerkmale des Mittelformats, sprich Wechselmagazin, Wechselsucher, Zentralverschluß und natürlich Wechselobjektiv. Die Elektronik hält sich bei der kleinsten Zenza Bronica dezent im Hintergrund. Sie steuert lediglich den Zentralverschluß und sorgt in Verbindung mit dem Prismensucher AE-11 für die Zeitautomatik nach Blendenvorwahl. Im Gegensatz zum Ausstattungswunder Pentax 645 kommt selbst eine mit Automatik-Prisma bestückte ETR-S spartanisch daher. Einen Motorantrieb gibt es zwar als Zubehör, doch viele Fotografen werden auf den Bereitschaftsgriff E zurückgreifen, der die Kamera-Prismensuchereinheit erst so richtig handlich macht und einen Schnellschalthebel a la Kleinbild aufweist. Doch mit diesem Detail sind die ETR-S-Gemeinsamkeiten mit einer profanen Kleinbildkamera weitgehend erschöpft. Im Gegenteil, die drei Stilelemente Wechselmagazin, Wechselsucher und Zentralverschluß machen sie zu einer klassischen Vertreterin der Mittelformat-Philosophie und der Fotograf, der sich noch einer bewußteren Fotografie mit mehr handwerklichem Einsatz sehnt und Kleinbild-Vollautomatik-müde geworden ist, wird sicher Freude an ihr haben. Die Kamera liegt gut in der Hand und bietet schon in der Grundausstattung ein hohes Maß an Fotografierfreude und fotografischer Selbstverwirklichung.
Hochformat nur mit Prisma
Leider lassen sich - und das ist die Achillesferse des Rechteckformats - Hochformataufnahmen praktisch nur mit Prismensucher realisieren, wo doch gerade die Bildkomposition per Faltlichtschacht eine typische Mittelformat-Domäne ist.
Vorteile für die Blitz- und Studiofotografie bietet der Zentralverschluß, der bekanntlich für alle Zeiten synchronisiert ist. Bei den Konkurrenten Mamiya M 645 Super und Pentax 645 muß man für diesen Komfort tief in die Tasche greifen, spezielle Zentralverschlußobjektive gehören zum umfangreichen Systemprogramm der beiden Schlitzverschlußkameras die mit der schnellen 1000stel Sekunde glänzen. Dafür schlagen die jeweils mit einem Seiko-Zentralverschluß ausgestatteten Zenzanon E-Objektive preislich höher zu Buche. Auch ist ihr Angebot zahlenmäßig beschrankter als bei der Mamiya M 645 Super, die mit 20 verschiedenen Objektiven, darunter Spezialitäten wie ein Weichzeichnerobjektiv, ein Fisheye, zwei Zooms und ein Shift keine Wünsche offenläßt. Eine Spiegelarretierung, die gut zum professionellen Touch der Zenza Bronica passen würde, sucht man leider vergebens. Der Spiegelschlag ist fast unangemessen laut. Immerhin sorgen fünf verschiedene Wechselmagazine für eine einmalige Formatvielfalt. Neben dem Nennformat, der 220er-Kassette, der Kleinbildkassette 135 und dem Polaroidmagazin, die es allesamt auch zur Mamiya M 645 Super gibt, kann der Fotograf auch auf ein Kleinbildmagazin mit dem Panoramaeffekt einer 24x54mm Bildgröße zurückgreifen. Die Filmempfindlichkeit muß er allerdings nach alter Vater Sitte am Prismensucher einstellen, eine moderne Übertragung über Kontakte vom Magazin zum AE-Prisma wie bei der Mamiya gibt es noch nicht. Das Sucherbild mit der Standardeinstellscheibe fällt angenehm durch seine Helligkeit auf, bei der Pentax ist es noch brillanter, bei der Mamiya allerdings deutlich schlechten Fotografen, die eine Alternative zur Kleinbildfotografie suchen, ausgestattet mit den typischen Merkmalen der Mittelformat-Klasse, sind mit der Zenza Bronica ETR-S zweifellos sehr gut bedient.
Bester Kompromiß: Mamiya 645 Super
Auch die Mamiya M 645 bekennt sich eindeutig zum Mittelformatlager. Hier finden sich ebenfalls die typischen Komponenten wie Wechselmagazin und Wechselsucher, allenfalls der Schlitzverschluß erinnert an Kleinbild. Allerdings haben es die Mamiya-Konstrukteure verstanden genügend Kleinbild-Bedienungskomfort aufs größere Format zu übertragen, ohne daß dabei wie bei der Pentax eine High-Tech-Kleinbildkamera im Rollfilm-Format herauskam. Schon im gefälligen Design drückt sich die Modernität dieser Kamera aus, die sich auch unter ihrem hübschen Gehäuse fortsetzt. Der Schlitzverschluß ist elektronisch gesteuert, Meßwertspeicherung und Spiegelarretierung sind ebenso selbstverständlich wie die Filmempfindlichkeitseinstellung am Magazin. Doch wie bei vielen Bausteinkameras im Mittelformat weckt erst der AE-Prismensucher alle verborgenen Talente. Neben der Zeitautomatik hat dieser Prismensucher auch noch das Talent je nach Kontrastumfang des Motivs darüber zu entscheiden, ob die Spot- oder Integralmeßmethode die jeweils sinnvollste ist. Natürlich lassen sich beide Meßarten auch fest vorwählen. Verschlußzeiten und Meßart werden im Sucher signalisiert. Als sei es von den Kaufleuten mit Absicht so gewollt, macht erst der Power Drive N die Kamera-Prismensucher-Einheit zu einer runden Sache. Allerdings trüben herbe Mißtöne diese optische und ergonomische Harmonie. Der Motor Drive produziert ein enervierendes Geräusch. Hier tut eine Verbesserung ebenso Not wie bei dem nicht sonderlich brillanten Sucherbild.
Fazit
Dennoch ist die Mamiya klarer Favorit innerhalb dieser Dreiergruppe. Sie wird dem 4,5x6-Anspruch am besten gerecht, indem sie das größere Bildformat mit typischen Mittelformat-Eigenschaften wie Wechselsucher und Wechselmagazin erfolgreich paart und das ganze mit hohem Bedienungskomfort anreichert. Denn die 4,5x6-Kundschaft resultiert aus ambitionierten Kleinbildfotografen, die Bedienungskomfort schätzen. Die Pentax ist zwar das technische Highlight in dieser Runde und ein preisgünstiges Komplettangebot, bei dem nichts mehr hinzugekauft werden muß, aber sie ist zu sehr Kleinbildkamera geblieben. Abgesehen vom Bildformat und von der hohen Qualität der Aufnahmen, die mit ihr gelingen bietet sie kein Mittelformat-Flair. Wer auf ein besonders günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis großen Wert legt und auf Wechselmagazin und Wechselsucher verzichten kann, für den ist die Pentax 645 die richtige Wohl.
Die Zenza Bronica übt die Beschränkung auf das Wesentliche. Doch wendet diese überzeugende Konstruktion reinrassige Mittelformat-Stilmittel an, die bei Puristen auf Begeisterung stoßen.
{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}