← Zurück

Artikel

Sammlerkamera des Monats

Balda Baldamatic

Volkskamera mit Finessen

Der nicht gerade berühmte Kamerahersteller Balda zeigte sich innovativ. Die mechanische Blendenautomatik und der "Servo Baldamat" stellten dies eindrucksvoll unter Beweis. Grund genug für Sammler und Liebhaber, Balda nicht links liegen zu lassen.

Das Schicksal des Kameraherstellers Balda ist ein Paradebeispiel für die deutsche Fotoindustrie. Vor dem zweiten Weltkrieg war das Unternehmen des Max Baldeweg in Deutschlands Fotometropole Dresden angesiedelt. In den wirren Nachkriegsjahren flüchtete es in das westfälische Bünde und baute in einer ehemaligen Zigarrenfabrik die Kameraproduktion wieder auf. Der Kameraboom der fünfziger Jahre brachte das Unternehmen zu voller Blüte, und als in den späten Sechzigern die Japaner bereits auf dem Vormarsch waren und viele Konkurrenten mit klangvolleren Namen bereits kapitulierten, gaben die Westfalen nicht auf. Balda-Konstrukteure und Kaufleute verstanden es geschickt, neue Trends zu nutzen. Ob Instamatic oder Pocket, Berührungsängste mit dem unteren Marktsegment gab es nicht, das Überleben zählte. Kleinbild-Kompaktkameras nach Minox-Vorbild bildeten die letzte Existenzgrundlage der Kamerafertigung, die 1986 der japanischen Autofokus-Konkurrenz erlag. Die eigenartige rundliche Gehäuseform, Kennzeichen aller Baldamatics der fünfziger und sechziger Jahre entsprach voll dem Zeitgeschmack. Die Kamera wartet aber noch mit anderen Kuriositäten auf, deren Eigenwilligkeit der Marke Citroen im Automobilbau zur Ehre gereichen würde. So ist der Schnellschalthebel ausklappbar am Kameraboden untergebracht (Originalton Balda: "praktischer Schnelltransport-Schlüssel") und die Rückwand nicht anscharniert, sondern voll abnehmbar gestaltet. Doch diese liebenswürdigen Schrulligkeiten, kombiniert mit qualitativ hochwertigen Komponenten wie Schneider Objektive, Compur- und Prontor-Verschlüsse machen gerade den besonderen Reiz der Baldamatic-Modelle aus, die so harmonisch ins fünfte Jahrzehnt unseres Jahrhunderts passen wie Nierentische, Cocktail-Sessel und Elvis Presley. "Alle Probleme der richtigen Belichtung" löst laut zeitgenössischem Prospekttext des Jahres 1959 die Super-Baldamatic, dank "absoluter Vollautomatik". Hinter diesem Superlativ verbirgt sich eine mechanische Blendenautomatik, wie sie erstmals von Agfa bei der Optima präsentiert wurde. Der Fotograf stellt das rote "A' am Blendenring des Compur-Automat ein und wählt die 125stel Sekunde als Verschlußzeit. Die Kamera steuert dann die zur richtigen Belichtung erforderliche Blende automatisch. Mit einem Entfernungsmesser kann die Super Baldamatic I als zusätzliches Ausstattungsplus aufwerten. Für Amateurkameras vom Schlage einer Baldamatic oder Super Baldamatic geradezu revolutionär ist der elektrische Filmtransport Servo Baldamat. Er läßt sich sogar über Auslösekabel und über Funk fernsteuern und kam 1960 einer Revolution gleich. Im Spitzenmodell Baldamatic III lief der Kamerahersteller Balda zur technischen Höchstform auf. Im biederen Gewand bot man die feinsten Zutaten, die der Zulieferermarkt zu bieten hatte, nämlich den Synchro-Compur-Verschluß, kreuzgekuppelt und mit automatischer Schärfentiefenanzeige sowie Wechselobjektive von Schneider-Kreuznach, jedoch keine Blendenautomatik. Baldamatic-Kameras sind auf dem Gebrauchtkamera-Markt keine Seltenheit. In erster Linie von Hobbyfotografen benutzt, wurden sie gut gepflegt. Die Nachfrage hält sich in Grenzen. Super Baldamatic I und Baldamatic Ill heißen die Favoriten für den Liebhaber solider westfälischer Hausmannskost.

{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}