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Artikel

1996

Beratung

Sparen mit Handelsmarken

Prestigefrage

Noch vor einigen Jahren sah man sie häufig in der Hand von Hobbyfotografen: Fotoapparate der Marken Revue und Porst. Doch das Bild hat sich gewandelt. In den Schaufenstern von Foto Quelle und Photo Porst dominiert die Markenware. Lohnt sich der Kauf einer Handelsmarken-Kamera noch?

Private Label heißt der moderne Marketingbegriff für Handelsmarke. Private-Label-Produkte gibt es bei allen Konsumgütern. Ein Opel Kadett heißt in Südkorea Daewoo Le Mans, die schicke Yves Saint Laurent-Uhr baut der Schweizer Ouarzwerk-Hersteller Eta und der Turacolor-Film kommt von Agfa. Die Strategie der Handelsmarken macht auch vor Kameras nicht halt. Die drei wichtigsten Private-Label-Kunden auf dem deutschen Kameramarkt, Foto Quelle, Photo Porst und Voigtländer, sehen es als Prestigefrage, wenn ihr Name oder Markenname auf den Kameras graviert ist. Dazu meint ein Foto-Quelle-Sprecher: "Der Name Revue ist vielen zufriedenen Kamerakunden seit Jahrzehnten ein Begriff und er hat immer noch einen guten Klang, wir sehen deshalb keinen Grund, unsere Privat-Label-Strategie bei hochwertigen Kameras zu verlassen. Außerdem spart der Kunde ja auch noch Geld, weil wir in großen Stückzahlen einkaufen und deshalb günstig kalkulieren können." Freilich sieht das der Quelle-Hauptkonkurrent, die Porst AG, inzwischen etwas anders. Neben der Hausmarke Carena für preiswerte Sucherkameras, Spiegelreflexkameras aus dem Hause Exakta, und Reflecta Projektoren, verzichtet das Schwabacher Unternehmen inzwischen auf den Schriftzug Porst für hochwertige Spiegelreflexkameras. Noch vor drei Jahren war Porst ein guter Kunde von Kamera-Lieferant Fuji, der seine achtbaren Spiegelreflexkameras AX-3 bis AX-5 unter den Modellbezeichnungen Porst CR3 bis CR7 nach Schwabach lieferte. Doch als Fuji sich aus dem Spiegelreflex-Kameramarkt in Deutschland zurückzog, saßen die Porst-Strategen auf dem Trockenen. Sie machten aus der Not eine Tugend und verkauften in erster Linie Spiegelreflexkameras der Originalmarken. Denn der Wind hatte sich gedreht. Der nur noch geringe Preisunterschied und das bessere Image der Originalhersteller trieben viele Käufer in das Markenlager, die Handelsmarke drohte auszutrocknen.
In den Schaufenstern der Foto Quelle-Agenturen und der Porst Franchise Partner spielte sich ab etwa 1984 das gleiche ab, nämlich ein Verdrängungswetbewerb zwischen Original- und Hausmarken. Inzwischen dominieren auch hier die Markenhersteller von Canon bis Pentax. Allerdings gibt es im Gegensatz zu Porst, wo der Name, der Generationen von Hobbyfotografen ein Begriff ist, von den Kameras verschwand, bei Quelle noch ein stattliches Sortiment von Revue-Spiegelreflexkameras, die die Schickedanz-Fahne im Fotomarkt hochhalten. Das größte Fotohaus der Welt läßt es sich eben nicht nehmen, hauptsächlich Chinon-Produkte in Revue-Kameras zu verwandeln und daraus günstige Set-Angebote zu kombinieren.
Porst, angestammter Quelle-Konkurrent, hat auch seinerseits die Chinon-Kameras groß im Programm, was den Wettbewerb zwischen beiden noch verschärft. Billige Spiegelreflexkameras im Marktsegment um 300 Mark heißen bei Porst Carena und entsprechen bis auf wenige Ausnahmen den Exakta-Modellen. Miranda-Geschäftsführer Helmut Gruschke, der in Deutschland den Vertrieb der Chinon und Exakta-Produkte besorgt, ist über Firmen-Bande mit der Porst AG verknüpft und sieht verständlicherweise keine Berechtigung mehr für Private Labels bei hochwertigen Konsumgütern: "Die Zeit der Handelsmarken auf dem Kamerasektor ist vorbei, weil die Kunden sich zunehmend markenbewußt geben. Handelsmarken lassen sich nur über den Preis absetzen, was die angespannte Wettbewerbssituation ohnehin noch verschärft." Das Umschalten auf Originalhersteller bei Porst und Quelle gibt dem Miranda-Geschäftsführer recht.
Auch ein Preisvorteil zugunsten der Handelsmarke läßt sich nicht von der Hand weisen, obwohl sich dieser meist nur recht umständlich mit viel Rechnerei nachweisen läßt. Daß Chinon hochwertige Kameras mit vielen technischen Finessen zum günstigen Preis anbietet, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Produkte wie die CP-7, die CP-9AF und nicht zuletzt die GS-7, besser bekannt unter dem Namen Genesis, beweisen dies. Die CP-7 ist baugleich mit der Revue AC 5. Sie kostet offiziell 649 Mark inklusive Exakta Zoom-Objektiv 35-70 mm. Quelle bietet die AC 5 hingegen im Set mit Zoom 28-70 mm (made by Exakta), Alu-Koffer, UV-Filter, Sonnenblende und 3 Farbfilmen sowie Batterie für 599,50 Mark an. Eine Ersparnis von rund 150 Mark winkt dem Käufer, der statt auf Prestige lieber aufs Portemonnaie achtet, selbst dann, wenn man die Dreingaben wie Alukoffer und Filme äußerst gering ansetzt.

Preisvergleich empfohlen

Die Revue ML ist samt Normalobjektiv rund 50 Mark billiger als die vergleichbare Praktica MTL 5 B im regulären Fotohandel. Wenn man sich für eins der lukrativen Revue ML-Sets entscheidet, läßt sich noch mehr Geld sparen, nämlich bis zu 150 Mark. Trotzdem empfiehlt sich immer ein detaillierter Preisvergleich, denn nicht immer fällt der Unterschied zwischen Handels- und Originalmarke so überzeugend aus wie im Beispiel Chinon CP-7: Chinons High-Tech Aushängeschild CP-9 AF kostet bei Photo Porst, dem größten Vertreiber von Chinon-Produkten in Deutschland, 899 Mark inklusive Chinon Autofokus Macro-Zoom 28-70 mm. Foto Quelle bietet die mit geringfügigen optischen Modifikationen zur Revue AC-6AF umgewandelte Kamera mit dem gleichen Objektiv, einem simplen Kompaktblitz, Alukoffer, UV-Filter und drei Filmen für 999,50 Mark an. Hier lohnt es sich zwar immer noch, doch läßt ein geringer Preisunterschied die Käufer erfahrungsgemäß lieber zu Originalen greifen. Erst recht wenn einem die angebotenen Extras nicht zusagen.
Voigtländer, seit eh und je Inbegriff hochwertiger Qualität bei anspruchsvollen Gebrauchskameras, verlor 1974 seine konstruktive Identität. Zwar wurden unter Rollei-Regie noch einige echte Voigtländer-Kameras verkauft, doch blieb der Marke 1982 das Schicksal nicht erspart endgültig zur bloßen Handelsmarke zu verkümmern, als der Plusfoto Geschäftsführer Hugo Scheufele die Voigtländer-Namensrechte erwarb. Er war sich der ungebrochenen Anziehungskraft des Namens wohl bewußt. Zuerst kamen die Voigtländer-Kompaktkameras von Balda. Die heutige Autofokuskamera Voigtländer Vito TF stammt von Ricoh, heißt im Original TF900 und bietet sogar mehr Markenimage zum günstigeren Preis. Während das Original um 450 Mark gehandelt wird, kostet die Vito TF 429 Mark.
In einer Zeit, in der Namen mehr sind als Schall und Rauch, in der insbesondere bei der jungen Generation ein gesteigertes Markenbewußtsein herrscht und in der man am liebsten das Pullover-Etikett nach außen trägt, haben Handelsmarken nur noch eine Nischenfunktion. Porst und Quelle haben den Trend glasklar erkannt und frühzeitig auf die Markenhersteller bei Kameras gesetzt. Die wenigen Private-Labels die noch existieren, wie beispielsweise der Markenname Revue, haben eine Prestigefunktion für den Anbieter. Er gibt sich damit den schmucken Anstrich einer eigenen Marke. Für den Käufer verheilen sie indes keinen Imagegewinn. im Gegenteil. Dafür wird der Prestigeverlust mit günstigen Preisen wieder wettgemacht. Die durchschnittliche Ersparnis bei Handelsmarken beträgt je nach Modell zwischen 50 und 150 Mark. Nachteile bringt die Private-Label-Kamera dann allerdings beim Wiederverkauf.
Der größte Handelsmarken-Hersteller bei Kameras ist Chinon aus Japan, der auch für Kodak die Kompaktsucherkameras fertigt. Ricoh baut für Voigtländer, Mamiya baute früher ebenso für Quelle wie Balda. Reflecta bietet seine Projektoren unter Carena bei Porst an, und Konkurrent Carl Braun liefert seine Novamat-Projektoren auch mit Revue-Schriftzug. Das "who is who" der Private-Label-Hersteller enthält also auch renommierte Firmen.

Vorzüge und Nachteile von Handelsmarken

Pro

Günstigerer Preis als vergleichbares Originalprodukt. 
Besonders knapp kalkulierte Set-Angebote.
Technische Identität mit einem guten Originalprodukt.
Günstige Zahlungsbedingungen (Foto-Quelle) .

Kontra

Geringerer Prestigewert. 
Wiederverkaufswert bei Inzahlungnahme deutlich geringer als beim Original.

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