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1997

Sammlerkamera des Monats

Zeiss Ikon Contarex

Die Königin

Den Ruf einer typischen Sammlerkamera wie Leica oder Contax hat die Contarex nie gehabt, dafür ist sie zu groß, zu schwer und zu ausgefallen, doch gerade jene Superlative machen sie begehrenswert.

Die Anforderungen des Hauses Zeiss-Ikon an die eigenen Produkte waren schon immer besonders hoch. Eine hehre Firmenphilosophie verlangte stets nach hoher konstruktiver und fertigungstechnischer Qualität, die sich in einem Präzisionswerkzeug zum Bildermachen namens Contax niederschlug. Die wohl berühmteste Zeiss Ikon-Kamera wurde zur ernsthaften Herausforderung für die Leica.
Dem zeitgemäßen Spiegelreflexprinzip sollte die Nachfolgerin der Contax gehorchen, die Mitte der fünfziger Jahre in den Stuttgarter Konstruktionsbüros heranreifte. Und mehr noch, sie sollte alle möglichen Superlative erringen, die der Kleinbildkamerabau zu vergeben hatte. Vor exakt dreißig Jahren, auf der photokina 1958 lüftete man den Schleier, enthüllte die bemerkenswerteste Kamera-Neukonstruktion der Nachkriegszeit, deren besondere Meriten sich für heutige Verhältnisse recht undramatisch aufzählen lassen: Schlitzverschluß bis 1/1000 Sekunde, eingebauter Belichtungsmesser, gekuppelt mit Zeit und Blende, Anzeige im Sucher, automatisch kuppelnde Vorwahlspringblende und ein heller Sucher mit Schnittbild und Mikroprismenraster sowie Gewicht und die üppigen Ausmaße ließen sie gegenüber der Spiegelreflex-Konkurrenz derart majestätisch erscheinen, daß der Name Contarex, der sich ganz nüchtern aus Contax und Spiegelreflex zusammensetzt, geradezu zwangsweise Assoziationen an das lateinische Wort "rex" (König) freisetzte.
Erst 1960 wurde die neue Spitzenkamera ausgeliefert, zum sündhaft teuren Preis von 1356 Mark angeboten, ein weiteres Superlativ-Indiz für die Nonplusultra-Spiegelreflex des Weltmarktes. Allerdings sah sich die Contarex schon kurz nach ihrem Erscheinen mit der japanischen Konkurrenz konfrontiert. Nikon belieferte das Gros der Bildreporter und Berufsfotografen mit der 1959 erschienenen F, deren Robustheit schnell sprichwörtlich wurde und die einen auswechselbarem Lichtschacht bot. Zeiss Ikon griff dieses Ausstattungsmerkmal, das bereits von der Dresdner Exakta Varex her bekannt war, 1961 im preiswerteren Grundmodell der Contarex-Serie auf. Die Special mußte allerdings dafür ohne Belichtungsmesser auskommen. Pentax setzte 1964 mit der Spotmatic Zeichen. Endlich gab es eine Spiegelreflexkamera mit einer echten Belichtungsmessung durch das Objektiv.
Zeiss-Ikon trug dem technischen Fortschritt 1967 mit einem neuen Modell Rechnung, das ebenfalls über eingebaute TTL-Belichtungsmessung verfügte. Die Contarex super entsprach in Design und Technik weitgehend der ein Jahr vorher präsentierten Contarex professional, unterschied sich von dieser aber durch den eingebauten Belichtungsmesser. Kennzeichnend für diese beiden Vertreter einer neuen Contarex-Generation ist die besonders weiche Verschlußauslösung. Viele Zubehörteile wie Objektive und sogar die Wechselmagazine konnten ohne Probleme zwischen Contarex 1 und Contarex super ausgetauscht werden.
Drei Jahre vor dem Ende der Kameraproduktion bei Zeiss-Ikon raffte sich die Contarex abermals zu einem Höhenflug auf. Im Herbst 1968, debütierte die Contarex S electronic, auch kurz SE genannt. Sie war die erste Spiegelreflexkamera der Welt mit elektronisch gesteuertem Schlitzverschluß. Als moderne Systemkamera konnte sie mit professionellem Zubehör ausgestattet werden. Aber der Schwanengesang der deutschen Kameraindustrie war schon deutlich zu vernehmen. 1971 gab Zeiss-Ikon seine Kamerafertigung auf. Die Königin der Zeiss-lkon-Kameras überlebte noch ein Jahr, dann starb eines der bemerkenswertesten Kleinbildkamerasysteme aus. Freilich nicht ganz ohne Nachkommen. Als Stieftöchter der großen Alten lebten Contax RTS und RTS II mit Yashica-Blut weiter und auch die Zeiss-Objektivlinie für Kleinbild wird für Contax und Rollei weitergeführt. Viele Konstruktionen der heutigen Objektivpalette basieren noch auf den Rechnungen für die Contarex.
Contarex-Kameras trifft man auf dem Gebrauchtkameramarkt nur seiten an. In den rund 15 Jahren Bauzeit produzierte Zeiss Ikon nur etwa 55000 Stück, die zum größten Teil bei Behörden, und in Forschung und Wissenschaft Verwendung fanden. Die Polizei setzte Contarex-Kameras wegen ihrer Zuverlässigkeit gerne zur Verkehrsüberwachung ein.
Berufsfotografen fühlten sich wohl durch den hohen Preis des Systems abgeschreckt. Aber betuchte Hobbyfotografen entschieden sich gerne für die Königin aus Stuttgart. Eine gebrauchte Contarex I in gutem Zustand kostet ohne Objektiv um die 800 Mark, die Super wird ab 1200 Mark gehandelt, eine SE kostet 1800-2000 Mark. Empfehlenswert ist die Königin für Leute, die kompromißlose Qualität Made in Germany schätzen und das Besondere lieben.
Literatur: Contaflex-Contarex, Geschichte, Technik, Fakten, Hans Jürgen Kuc, Hamburg 1988.

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