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Artikel
1997
Beratung
Drei starke Charaktere
Kaufberatung - Profikameras
In der dünnen Gipfelluft der weltbesten Kameras für professionelle Ansprüche ist der Lebensraum für Kleinbildapparate beschränkt. Drei Rivalen Canon F-1 N, Nikon F3 und Pentax LX treten als unmittelbare Wettbewerber an.
Wenn es um die bloßen Verkaufszahlen geht, so ist der Wettkampf zwischen Nikon F3, Canon F-1 N und Pentax LX bereits in dieser Reihenfolge gelaufen. Die anspruchsvollen Kamerakäufer entscheiden sich mehrheitlich mit großem Abstand für die F3, die Canon bringt es kaum auf nennenswerte Stückzahlen und die Pentax spielt nur eine Nebenrolle in der Starbesetzung der Kleinbildbühne.
Manch kritischer Leser mag sich fragen, warum wir im soeben eingeläuteten F4 Zeitalter noch die alten Profigrößen auftreten lassen. Die Frage ist leicht beantwortet. Obwohl die drei schon seit nunmehr sieben Jahren um die Käufergunst in der gehobenen Kameraklasse werben, haben sie nichts von ihrer Attraktivität verloren. Jeder für sich betrachtet ist ein Meilenstein konventioneller Kameratechnik. Alle sind Zeugen einer Epoche, in der das technisch Machbare mit einer sinnvollen Kombination von Elektronik und Mechanik angestrebt wurde und die Mechanik dabei meist die Oberhand hatte. Von Autofokus noch keine Spur, Tipptasten und LCD-Display noch in weiter futuristischer Ferne wissend.
Was sie heute am Ende ihres Lebenszykluses wieder zunehmend interessant macht, ist ihr äußerst günstiges Preis-Leistungsverhältnis, gemessen an ihrer Ausbaufähigkeit, ihrer Robustheit, ihrem Prestigewert und ihrer zu erwartenden Lebensdauer.
Dazu selbstbewußt der Leiter des Geschäftsbereichs Consumer-Products bei der Nikon GmbH in Düsseldorf Kristof Friebe: "Wir sind mit Abstand Marktführer im Segment der professionellen Kleinbildkameras mit der Nikon F3 und ihren Varianten. Die Kamera verkauft sich auch im neunten Jahr ihrer Produktionszeit noch ausgezeichnet. Deshalb bleibt sie mindestens bis 1990 trotz der F4 im Programm." Das sind deutliche Worte zur Vitalität des Kamera-Oldies F3. Canon dürfte seine F-1 N (das N steht für "new", ein Attribut, daß nach sieben Jahren etwas ergraut erscheint) in Ermangelung eines Nachfolgers und wegen der zunehmenden Konzentration auf den Kamera-Massenmarkt, vorerst nicht ersetzen.
Als akut existenzgefährdet dürfte hingegen die Pentax LX gelten.
Die ideale Profikamera, gibt's die?
Würde man ein Lastenheft - die sogenannte Vorgabe für Konstrukteure - für Profikameras entwerfen, so kämen dort die Ausstattungsmerkmale Hybrid-Verschluß und Spiegelarretierung neben Wechselsucher, Titan-Verschluß und einem adaptierbaren schnellen Motor vor. Die Canon F-1 leistet sich den Luxus, auf eine Spiegelvorauslösung zu verzichten, die insbesondere bei Makro- oder Fernaufnahmen die schädliche Kameraerschütterung deutlich vermindert. Ein mechanisch elektronischer Hybrid-Verschluß, (das Wort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie Zwitter) wie ihn Canon und Pentax besitzen, verspricht auch bei Batterieausfall größte Sicherheit den lukrativen Fotoauftrag trotzdem durchzuziehen. Denn im Gegensatz zur Nikon F3, deren Batterieabhängigkeit durch einen elektromagnetischen Auslöser, der zugegebenermaßen butterweich funktioniert, noch verstärkt wird und bei der lediglich eine über den Notauslöser zu betätigende mechanische Zeit von 1/60 Sek. zur Verfügung steht, bieten Canon und Pentax im Falle eines Falles mehr Sicherheit. Der LX-Verschluß arbeitet bei manueller Einstellung im Bereich von 1/2000 Sek. bis 1/75 Sek. mechanisch, die F1 kommt im Bereich von 1/2000 Sek. bis 1/90 Sek. ohne Batteriestrom aus. Die längeren Zeiten, die bei der Canon bis 8 Sekunden, bei der Pentax sage und schreibe bis 125 Sekunden reichen, kommen allerdings nicht ohne zusätzliche Energie aus.
Aber eine Kamera will der Fotograf ja nicht nur ansehen, er will vor allem auch hindurchsehen.
Durch die angebotenen Wechselsucher ergeben sich bei Canon, Nikon und Pentax zahlreiche Möglichkeiten dies zu tun.
Kamera nach Maß: Canon F1-N
Immerhin stehen bei der Canon 5, bei der Nikon 6 und bei der Pentax gar 8 Wechselsucher zur Verfügung, wobei Sportsucher und Lupensucher für den Einblick von oben neue Anwendungsgebiete erschließen. Für die Grundausstattung sollte der Interessent folgende Auswahl treffen. Bei der Canon F1-N empfiehlt sich der AE Finder FN, der die Kamera zu einem Zeitautomaten erweitert. Im Gegensatz zu Nikon und Pentax ist bei der Canon die Belichtungsautomatik nicht in das Gehäuse integriert, sie kann erst durch entsprechendes Zubehör aktiviert werden. Für die Blendenautomatik, lange Zeit Canon-typisches Ausstattungsmerkmal bei den Kleinbild-Spiegelreflexkameras, zeichnet entweder der AE Power Winder FN oder der AE Motor Drive FN verantwortlich und wer neben der mittenbetonten Integralmessung zusätzlich eine Spot- oder Selektivmessung wünscht, der kann dies durch die Wahl der Einstellscheibe bestimmen. Die Canon F-1 wird, entsprechend ausgerüstet, zu einer Kamera nach Maß, die sich den Bedürfnissen des Fotografen exakt anpassen läßt.
Drei Philosophien im Sucher
Solche Raffinessen bieten weder Nikon noch Pentax, in beiden Fällen muß sich der Fotograf mit einer Zeitautomatik begnügen. Auch das Belichtungsmeßsystem läßt sich nicht variieren. Bei beiden Kameras hat man es mit einem mittenbetont messenden Integralsystem zu tun, wobei die starke Mittenbetonung bei der F3 einer Selektivmessung - wie sie viele Profis schätzen - schon recht nahekommt. Drei verschiedene Philosophien haben sich auch in den Sucheranzeigen niedergeschlagen. Bei der Pentax gibt es die übliche LED-Kette neben den Verschlußzeiten. Die Zahlen sind bei schlechtem Licht allerdings kaum abzulesen. Die Nikon-Konstrukteure setzten bei der F3 auf die 1980 futuristisch anmutenden LCD-Anzeigen, die bei schlechtem Licht zusätzlich beleuchtet werden müssen und nach zehn Jahren allmählich verblassen. Kompromißlos anders präsentiert sich wieder die Meßnadelanzeige der Canon F1-N, die entweder bei Zeitautomatik am unteren Bildrand die Verschlußzeiten signalisiert oder bei Blendenautomatik und Nachführsystem auf der vertikalen Seite die Blendenwerte angibt. Die Blende wird auch bei der Einstellung auf Zeitautomatik noch zusätzlich eingespiegelt, wie auch umgekehrt die Zeit. Die Konkurrenz kann allerdings den wichtigen Vorteil für sich verbuchen, daß die in das Gehäuse integrierte Zeitautomatik bei allen Suchern erhalten bleibt.
Kinderleichte Bedienung
Früher galt einmal das Vorurteil, Profikameras seien schwer zu begreifen und noch schwerer zu bedienen. Doch im Zeitalter der Multi-Programm-Autofokus nimmt man eine Nikon F3 so unbefangen ans Auge wie früher eine Nikon EM. Auf Anhieb ist man mit der Spitzenkamera vertraut, die wenigen Bedienungshebel auf der Kameraoberseite bedeuten kein Hexenwerk: Verschlußzeitenknopf mit grünem A für Zeitautomatik, Filmempfindlichkeitseingabe und eine Skala für das Override. Mehrfachbelichtungshebel, Auslösersperre und Selbstauslöser. Das wär's. Noch aufgeräumter präsentiert sich das Bedienpult bei der Pentax LX. Der mechanische Selbstauslöser wird mit dem gleichen Hebel an der Frontseite aktiviert, der auch für Spiegelarretierung und Schärfentiefenkontrolle zuständig ist. Auch die Bedienungsorgane der F-1 wirken sachlich und klar, lassen sich aber nicht mit solcher schlafwandlerischen Sicherheit bedienen wie die Funktionen der Pentax und Nikon. Das glanzlos spröde Äußere der Canon setzt sich auch im Umgang mit dem überaus professionell wirkenden Gerät fort. Verschlußaufzug und Filmtransport funktionieren mit relativ viel Kraftaufwand, wirken hart und ruppig, weit entfernt vom geschmeidigen Ablauf einer Nikon F3 oder gar einer Leica R5.
Einen Meßwertspeicher bietet nur die Nikon F3, was dieser zum Vorteil gereicht und den hohen Bedienungskomfort abrundet. Ein Meßwertspeicher würde der Belichtungsmeßphilosophie der Pentax LX zuwider laufen. Ähnlich wie die Olympus OM-2 offeriert die Pentax LX ein autodynamisches Meßsystem, bei Pentax IDM - integrierte Direktmessung auf der Filmoberfläche genannt, das bei Verschlußzeiten ab 1/60 Sek. direkt auf der Filmebene mißt und bei kürzeren Verschlußzeiten auf ein Phantombild des ersten Verschlußvorhangs zielt.
Berufsfotografen legen - vor allem, wenn sie als Fotoreporter arbeiten - großen Wert auf eine hohe Aufnahmefrequenz. Die als Zubehör lieferbaren Motore der F1-N, LX und F3 erfüllen die Ansprüche der Profis voll und ganz. Der AE-Motor-Drive FN schafft fünf Bilder pro Sekunde bei entsprechend kurzer Verschlußzeit, der MD-4 zur Nikon F3 bringt es normalerweise auf 4 Bilder pro Sekunde mit der Akkueinheit gar auf rasend schnelle 6 Aufnahmen. Fünf Bilder pro Sekunde transportiert auch der Motor Drive LX, der sich dank seiner Kompaktheit gut der Kamera anpaßt. Dank besonders ergonomischer Handgriffe liegen die motorisierten Kameras Canon F-1 und Nikon F3 besonders gut in der Hand. Wobei die Canon-Motoreinheit noch mit einem zusätzlichen Auslöser für die vertikale Kamerahaltung aufwartet. Alternativ bietet Canon einen Winder an, der ebenso wie der Motor die Blendenautomatik ermöglicht, es aber nur auf zwei Bilder pro Sekunde bringt.
Die Canon für Profis, die Nikon für alle
Die Begegnung mit dem altgedienten Profi Trio Canon F-1, Nikon F3 und Pentax LX erwies sich wieder einmal als außergewöhnlich lustvoll und erfreulich. Auch in den vielen Jahren ihrer Produktionszeit haben die drei Kameras nichts von ihrem spezifischen Reiz verloren, dem auch der futuristisch-kühle Charme einer Nikon F4 nichts anhaben kann. Die Kameras lassen sich erstaunlich leicht bedienen und wirken, verglichen mit den Vollautomaten unserer Tage, ohne Motor sogar zierlich. Die Pentax LX hat es am schwersten, sich gegen die etabliertere Profi-Konkurrenz von Canon und Nikon durchzusetzen. Ihr filigranes Äußere läßt sie offenbar spürbar an Autorität einbüßen. Sie wirkt eher wie eine getunte ME-super denn wie eine handfeste Profikamera. Daß sie eine ist, beweisen die Qualitäten unter ihrer zierlichen Figur. Sie hat alles, was eine Kamera professionell macht: Wechselsucher, Spiegelarretierung, Titanverschluß, TTL-Blitzsteuerung, und ein umfangreiches Objektivprogramm. Etwas amateurhaft wirken Sucheranzeigen und Bedienungselemente. Zwar ist sie gut verarbeitet, strahlt aber dennoch nicht jene Unverwüstlichkeit aus wie eine Nikon F3 oder eine Canon F-1.
Der Bestseller Nikon F3 leistet sich nirgendwo gravierende Schwächen und hat somit gute Chancen, die Profiriege nicht nur von den Verkaufszahlen her, sondern auch von ihren technischen Qualitäten her anzuführen. Wenn da nicht ein paar Kleinigkeiten stören würden. Da ist zum einen ihre ausgesprochene Batterieabhängigkeit und zum anderen die fehlende Spotmessung und nur zwei Belichtungsprogramme, nämlich TTL-Blitzmessung und Zeitautomatik. Unter professionellen Gesichtspunkten ist die Canon F- 1 N die beste Wahl, sie läßt sich je nach Bedarf ausbauen und offeriert dann sogar mehrere Belichtungsautomatiken und sogar eine Spotmessung. Als Nachteile müssen bei der Canon F-1 N der ruppige Aufzug und das laute Auslösegeräusch gewertet werden, das auch nicht wie bei den anderen durch eine Spiegelarretierung im Moment der Auslösung gedämpft werden kann. Der große Verkaufserfolg der Nikon F3 kommt nicht von ungefähr, sie ist zweifellos die harmonischste im Profi-Terzett und kommt den Ansprüchen von Edelamateuren am meisten entgegen. Die Canon F-1 N ist ein kompromißloses Profimodell, die erste Wahl für Berufsfotografen. Die Pentax LX wirkt zu zahm und zu undramatisch, trotz solider Qualitäten fehlt es ihr etwas an Ausstrahlung. Die Endwertung fällt daher eindeutig aus: 1. Nikon F3, 2. Canon F1-N, 3. Pentax LX.
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