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Artikel

1997

Test & Technik

Motorisierter Zweikampf

Normtest Rolleiflex 6008 gegen Zenza Bronica SQ-Am

Die Rolleiflex 6008 erhebt den technischen Führungsanspruch im Mittelformat. Keine andere Kamera der 6x6-Klasse bietet eine derart komplette Ausstattung gepaart mit hohem Bedienungskomfort. Wir stellten den Mittelformat-Superlativ von Rollei der bewährten Zenza Bronica SQ-Am im Test gegenüber.

Die Rolleiflex 6008 ist konkurrenzlos im traditionellen Mittelformat 6X6 cm. Keine andere Kamera dieser verbreiteten Klasse bietet mehr in der technischen Ausstattung, keine ist ihr ebenbürtig in Bedienungskomfort und Preis-Leistungsverhältnis. Warum also diese Gegenüberstellung mit der Zenza Bronica SQ-Am, die wir uns hüten Vergleichstest zu nennen? Trotz aller Unterschiede gibt es dennoch konstruktive Gemeinsamkeiten zwischen der Avantgardistin aus Deutschland und der Traditionalistin aus Japan. Beide Kameras werden von einem eingebauten Elektromotor angetrieben, beide Kameras offerieren einen elektronisch gesteuerten Zentralverschluß. Beide Rivalinnen haben eine Zeitautomatik gemeinsam, wenn auch die Zenza Bronica für diese Funktion das mit rund 1400 Mark aufpreispflichtige AE Prisma S zusätzlich benötigt. Damit ist die Zenza Bronica eindeutig fortschrittlicher konzipiert als beispielsweise die mechanisch gesteuerte Hasselblad 553 ELX, wenn die Zenza auch auf den Vorzug der TTL-Blitzmessung verzichtet.
Ansonsten dominieren die Unterschiede zwischen den beiden Normtest-Probanden. Am empfindlichsten wirkt sich die Preisdifferenz von rund 600 Mark im Vergleich zur AE-S-bestückten Bronica im Portemonnaie des Rolleiflex-Besitzers aus, der rund 6000 Mark für die Grundausstattung mit Wechselmagazin, Planar 2,8/80 mm Akku und Ladegerät ausgeben muß. Für die Preisdifferenz bekommt der Bronica-Freund schon die Anzahlung für ein 150-mm-Tele für seine Kamera um die 6 X 6-Domäne der Porträtfotografie voll auszunutzen. Trotzdem ist der Aufpreis für die technische Ausstattung der Rolleiflex 6008 gut angelegt, die damit jeder Fotografiersituation gewachsen ist. Was die Braunschweiger bieten, entspricht dem aktuellen Stand der Kleinbildtechnik auf das Mittelformat projiziert. Das liest sich in den technischen Daten dann so: Zeitautomatik, Blendenautomatik, Kurzzeit-Programmautomatik, Integralmessung, Spotmessung, Multispotmessung, TTL-Blitzsteuerung und die Realisierung automatischer Belichtungsreihen und sorgt für ein besseres Preis-Leistungsverhältnis.

Handlichkeit und Bedienung

Beide Kameras gehören aufgrund ihres ein- oder, im Falle der Bronica treffender gesagt, angebauten Motors nicht gerade zu den Leichtgewichten, selbst wenn man 6x6-Verhältnisse zugrundelegt. Die Zenza Bronica wiegt komplett 2125 Gramm, die Rollei bringt es ohne Prismensucher auf 2060 Gramm. Eine Hasselblad 500 C/M ist da mit rund 1400 Gramm schon spürbar handlicher. Daß der Umgang mit den beiden Mittelformat-Schwergewichten dennoch nicht in harte Arbeit ausartet und einem Aufnahmen im Freien ohne Stativ nicht ausdrücklich verleidet, daran haben die ergonomischen Handgriffe beider Kameras regen Anteil, wobei die Zenza Bronica im direkten Vergleich wegen der besseren Gewichtsverteilung Pluspunkte sammelt. Auch wenn es um die Bedienungsfreundlichkeit geht, liegt die Bronica klar vorn. Was freilich bei der vergleichsweisen geringen Anzahl der Bedienungselemente, verglichen mit der 6008, auch kein Kunststück ist. Auch ohne Bedienungsanleitung erschließt sich die SQ-Am einem verzierten Kleinbildfotografen auf Anhieb. Im Prinzip kann man das zwar auch von der Rolleiflex behaupten, zumindest was die Grundeinstellungen angeht, doch die Feinheiten entdeckt man erst bei intensiverem Umgang. Markantes Merkmal bei der Kameras ist der griffige Verschlußzeitenknopf, den man bei der Bronica mit aufgesetztem AE-Prisma in "Auto"-Stellung getrost vergessen kann. Seine Funktion wird nämlich zugunsten der Zeitautomatik außer Kraft gesetzt. Die Steuerung der Verschlußzeiten findet jetzt indirekt und automatisch über die Blendenvorwahl am Objektiv statt.
Dagegen kommt der Verschlußzeitenknopf an der Rolleiflex einem Multifunktionshebel gleich, der nicht weniger als acht Funktionen auf sich vereint. Neben seiner angestammten Tätigkeit, nämlich die Verschlußzeit bei Blendenvorwahl und die Automatik (Z u. P) zu bestimmen, beherbergt er die Auslösertaste und die federnd gelagerte und arretierbare Taste für Belichtungsmessung und Meßwertspeicherung. Doch damit nicht genug. Ein etwas fummelig zu verstellendes Anhängsel namens Zentralschalter regelt Einzel und Serienaufnahmen, fungiert als Ausschalter und aktiviert die Belichtungsreihenautomatik.

Belichtungsmessung

Auf der gegenüberliegenden Kameraseite befindet sich der' Wahlschalter für die Belichtungsmeßart und der Drehknopf für die Mehrfachbelichtung. Auch an ein Override haben die Rollei-Konstrukteure gedacht. Keinerlei Rätsel gibt die Zenza Bronica ihrem Benutzer auf. Die wenigen Bedienungselemente sind klar und übersichtlich angeordnet. Die Filmempfindlichkeitseingabe erfolgt wie jetzt auch bei der 6008 direkt am Magazin, muß also nicht erst auf die Kamera übertragen werden, was eine Fehlerquelle beseitigt. Auch auf Spiegelarretierung und Mehrfachbelichtungsmöglichkeit braucht der Bronica-Fotograf nicht zu verzichten. Der Motor verfügt genau wie bei der Rollei über eine Einzel- und Serienbildschaltung, bringt es jedoch nur auf 1,5 Bilder pro Sekunde, während der akustisch weit angenehmere Filmtransport der 6008 mit 2 Bildern pro Sekunde das Winder-Niveau guter 35-mm-Kameras erreicht. Auch das Problem der Energieversorgung ist bei der Rolleiflex 6008 um Längen besser gelöst als bei der Zenza Bronica. Bei der Japanerin muß sich der Fotograf mit sechs Mignon-Zellen für den Motorantrieb und zusätzlich mit einer teuren PX 28-Silberoxid-Batterie herumschlagen. Die Rollei bezieht genialerweise ihren gesamten Strombedarf aus einem wiederaufladbaren Spezialakku.
Der große konstruktive Vorteil der 6008 liegt Rollei-typisch seit der SLX in der integrierten Belichtungsmessung und Belichtungsautomatik. Ein zusätzliches AE-Prisma ist deshalb nicht erforderlich. Bei der 6008 hat der Rollei-Fotograf erstmals die Möglichkeit der genauen Kontrolle von Verschlußzeit und Blende im Lichtschachtsucher. Bei Manual-Betrieb signalisieren ebenfalls LEDs den korrekten Abgleich. Leuchtdioden informieren den Fotografen auch über die aktivierte Meßwertspeicherung über eingeschaltetes Override und Spotmeßmodus. Auch der AE-Prismensucher S der Zenza, verantwortlich für mittenbetont integrale Belichtungsmessung informiert mit numerischen LEDs, allerdings nur über die Verschlußzeit und über eine eventuelle Unter- und Überbelichtung. Der Belichtungsmeßbereich der 6008 ist größer als bei der Zenza, beide Kameras messen über Silizium-Fotoelemente, von denen die 6008 gleich sieben aufwendet, um Spotmessung und Fünf-PunktMultispotmessung zu realisieren. Bei dieser -im Mittelformat - einzigartigen Meßmethode kann der Fotograf fünf Bildpunkte einzeln anmessen. Der Kameracomputer bildet daraus den Mittelwert. Im Test fiel insbesondere die schier unbestechliche Belichtungsgenauigkeit der Rolleiflex 6008 schon bei mittenbetont integraler Messung auf, die Bronica konnte da nicht ganz mithalten und ist bei schwierigen, kontrastreichen Situationen auf das Mitdenken des Fotografen, sprich: auf manuelle Nachführmessung angewiesen. Eine Meßwertspeicherung vermißt man ebenfalls in der Praxis.

Belichtungsmeßsystem und Verschluß

In dieser Wertung kann die Rolleiflex 6008 alle ihre Trümpfe mit der Dreifach-Belichtungsautomatik ausspielen. Die Programmautomatik (Verschlußzeitenknopf auf Stellung "A', Blendenring auf Position "A') besitzt eine Kurzzeitpriorität für die 1/25stel Sek., bis der Blendenbereich überschritten wird. Bei den Funktionen Zeitautomatik und manuelle Verschlußzeiten übertrafen beide Kameras die DIN-Toleranz bei weitem. Der von Linear-Motoren gesteuerte Rolleiflex-Zentralverschluß arbeitet dabei einen Deut präziser als sein japanischer Seiko-Pendant in der Zenza Bronica. Um der Funktionsvielfalt der neuen Rolleiflex 6008 gerecht zu werden, mußten die Objektivkonstrukteure die bewährte Rollei-HFT-Zentralverschlußobjektivpalette, die nicht ganz so umfassend alle Brennweitenbereiche abdeckt wie das SL-66-Programm, entscheidend umkonstruieren. Die neuen PQ-Exemplare arbeiten nämlich jetzt mit Offenblendmessung, daher sind bisherige SLX/6002/6006-Brennweiten nur eingeschränkt zu verwenden, nämlich im Manualbetrieb, bei Zeit und Blendenautomatik. Beide Standardbrennweiten hören auf die Bezeichnung 1:2,8/80 mm. Das bewährte und von der Rechnung schon etwas betagte 7-linsige Rollei-HFT-Planar hatte beim Test gegenüber dem neueren 6-linsigen Zenzanon-PS die Nase knapp vorn, vor allem am Rand und bei offener Blende.

Fazit: Generationskonflikt

Aufgrund ihrer Leistungen in allen Prüfdisziplinen verdient die Rolleiflex 6008 das COLOR FOTO-Prüfsiegel Note 1. Der Verschluß der Rollei arbeitet geringfügig präziser, das Objektiv bildet ein Quentchen schärfer ab, als es die Zenza Bronica vermag, die freilich auf ähnlich hohem Niveau liegt. Die Bronica liegt besser in der Hand, und das Gehäuse besitzt einen soliden Metallcharakter, wohingegen bei der Rolleiflex insbesondere die Bedienungselemente etwas labil wirken. Die Rollei verkörpert das technisch Machbare der späten Achtziger Jahre im Mittelformat, außerdem kennt sie kein lästiges Batterieproblern. Die Zenza Bronica SQ-Am ist ein solides Stück Kamera mit Fortschritt in Maßen, schließlich kommt es gerade beim Mittelformat nicht immer auf den letzten Stand der Technik an.

PLUS FÜR ROLLEI 6008

höherer Bedienungskomfort

 größere Belichtungsgenauigkeit

bessere technische Ausstattung

kein Batterieproblem

eingebauter Schieber

PLUS FÜR ZENZA SQ-Am

günstigerer Preis inkl. AE-S

bessere Handlichkeit

mehr Aufnahmeformate möglich

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