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Artikel

1997

Test & Technik

Der Alexander-Borell-Kommentar

Bemerkungen über die Nikon F-4

Nachdem die euphorischen Lobeshymnen über die Nikon F-4 verklungen sind, und auch das Rauschen im Fachblätterwald einer gewissen Windstille gewichen ist, scheint es an der Zeit, mit ungetrübtem Blick über den Alltag mit der Nikon F-4 zu berichten.

Eins steht nach wie vor fest: Die F-4 ist ein wunderbares Stück Technik, aber ich kenne nur einen von Menschenhand geschaffenen Gegenstand, an dem nichts auszusetzen und nichts zu verbessern ist: den Ehering. Über die fotografischen Möglichkeiten der F-4 nochmals im Detail zu berichten erübrigt sich wohl, weil dies alles längst ausführlich abgehandelt worden ist. Zusammenfassend sei nur bestätigt, daß diese Kamera alles kann, was fotografisch erforderlich ist, und zudem selbst ausgefallene Wünsche eines Fotografen mit dieser Kamera erfüllbar sind.
Kritik - der ich mich nicht anschließe! - höre ich öfters über das Gewicht der F-4. Je schwerer aber eine Kamera ist, desto weniger verwackelt oder verreißt man sie beim Auslösen, und mit der F-4 gelingen selbst Serien mit längeren Verschlußzeiten: Sie liegt so schwer und ruhig in der Hand wie ein Stück vom Matterhorn. Um diese Wirkung noch zu verstärken - entsprechend meinem persönlichen Zitterfaktor -, habe ich mir die Ausführung F-4s gekauft, also mit dem High-Speed Batterie Pack, mit dem man langsame und schnelle Serien - bis fast 6 B/s - wählen kann, laut und leise noch obendrein.
Ich beurteile Kameras auch stets nach der Bedienungsanleitung, die der Hersteller dazu liefert: Spart er daran, hat er da auch gespart, wo ich es nicht gleich sehen kann. Die Anleitung zur F-4 - 108 Seiten stark ist ausführlich und leicht verständlich; wer immer ein F-4-Buch schreiben wird, tut sich leicht, denn mehr, als man in dieser Anleitung findet, kann er kaum noch schreiben, vielleicht nur etwas bunter.
Diese ganze prachtvolle und perfekte Technik macht es allerdings ratsam, diese Anleitung stets mit sich zu führen; denn wer merkt sich schon die Handgriffe, die zur Vorauslösung des Spiegels nötig sind, wenn er diese Funktion nicht ständig braucht. Und wer behält sich schon die Funktion aller siebzehn Knöpfchen und Hebelchen im Kopf, die an der F-4 bedient werden können - oder zum Teil müssen?
Ich wage eine Prophezeiung, die auf meiner Kenntnis des Verhaltens von Profis beruht: Alle Profis werden diese F-4 kaufen, weil dies zu ihrem Image gehört. Aber fotografieren werden die meisten von ihnen damit, wie sie es bisher gewöhnt sind: Graukarte, Spotmessung darauf und manuelle Einstellung der Kamera. Aber das tut diesem Prachtstück keinen Abbruch. Trotzdem gibt es an der F-4 Details, die die praktische Arbeit nicht immer zur reinen, ungetrübten Freude geraten lassen. Da werden Sie z. B. zunächst, je nach vorhandenem Licht, plötzlich die Einstellmarkierungen - den Ring und das Rechteck - vermissen, die Sie zu Hause deutlich erkannt haben. Nikon hat sich dabei sicherlich was gedacht: Das Sucherbild soll so wenig wie möglich gestört werden. Aber wozu dann überhaupt solche Hilfen, wenn man sie meistens nicht erkennen kann? Machen Sie es dann so, wie es sich bei mir bewährt hat: Motiv in Suchermitte, Werte über Auslöser speichern, Ausschnitt wählen und auslösen; das Resultat stimmt auch so.
Haben Sie das Verschlußzeitenrad auf "X" arretiert, müssen Sie ein kleines, nicht gerade sehr bedienungsfreundliches Knöpfchen - deren es an der F-4 mehrere gibt - drücken, um eine bestimmte Zeit einzustellen. Sind die Verschlußzeiten aber erst mal frei, verstellen sie sich nur allzu leicht, wenn Sie die Kamera aus der Tasche nehmen. Zum motorischen Filmrückspulen muß man gleich zwei solche Knöpfchen und Hebelchen betätigen. Den Profis wird aber wohl schon die eine Hebelchen/Knöpfchen-Kombination genügen: Dann spulen Sie, wie in den letzten fünfzig Jahren, mit der Handkurbel zurück; woraus man sieht, daß Nikon wirklich an alles gedacht hat.
War dies alles bisher eher ein wenig Nörgelei, kann ich Nikon generell und der F-4 einen wirklichen Tadel nicht ersparen: Das kleine Meß-Rechteck im Sucher als Meßfeld für den Autofokus, und es ist für Nikon sicherlich kein Trost, daß dies bei Canon nicht anders ist. Hat man z. B. spielende Kinder, junge Tiere, Straßen- oder Sportszenen vor dem Objektiv, ist es aus mit dem AF, wenn dieses winzige Rechteck zufällig den nötigen Kontrast nicht findet. Ich sah einen Profi beim Fußball mit dem AF verzweifeln: Er stellte als letzte Rettung manuell scharf, wo gerade der Autofokus mit dem 300er-Tele besonders wichtig gewesen wäre. Bei soviel Technik in einer Kamera hätte Nikon auch an die Möglichkeit denken sollen, das AF-Meßfeld bei Bedarf vergrößern zu können. Dazu hätte man ja nur mal ein anderes Fabrikat zu studieren brauchen, wo dieses Problem vorbildlich gelöst ist. Ein technisches Meisterwerk, aber auch eine Kamera, in deren Funktionsvielfalt man sich erst intensiv einarbeiten muß, bleibt die F-4 trotzdem.

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