← Zurück

Artikel

1997

Spezial Mittelformat

Die vielseitigsten Mittelformatkameras mit Wechselmagazin und Wechselobjektiven

Thema mit Variationen

Das Hasselblad-Konzept eines möglichst variablen Kamerabausteins im Mittelformat mit Wechselobjektiv, Wechselmagazin und Wechselsucher fand bislang viele Nachahmer, teilweise warten diese sogar mit neuen Ideen auf.

Eigentlich gilt Curt Bentzin mit seiner Primaflex aus Dresden als Erfinder der einäugigen Mittelformat-Spiegelreflexkamera mit Wechselobjektiven und Wechselmagazin, doch verstand es der Schwede Victor Hasselblad sie entscheidend zu perfektionieren und sie zu einem Welterfolg zu machen. Eine solch vielseitige Systemkamera im Mittelformat ist heute aus der Hand der Profis nicht mehr wegzudenken. Daß in der Hand der Besten, so der Hasselblad-Slogan, trotz zahlreicher und preiswerter Konkurrenten meist eine Hasselblad ihren Dienst tut, liegt am unerschütterlichen Nimbus der Marke in den Disziplinen Kompatibilität, Wertbeständigkeit und Langlebigkeit. Seit über 30 Jahren steht insbesondere die 500 C/M für das beneidenswerte Hasselblad-Image. Zwar kostet die Kamera in der Grundausstattung fast 5000 Mark, ihre Handlichkeit und die hervorragende Bildqualität macht sie aber auch für sogenannte Edelamateure zum erstrebenswerten Fotografiergerät, das zum Preis einer Leica immerhin den Genuß am größeren Bildformat ermöglicht. Mit etwas Können und Anstrengung vermag auch schon die Standardausrüstung, angereichert durch einen Gossen Lunasix-Belichtungsmesser, zu fotografischen Erfolgserlebnissen zu verhelfen, die mit Kleinbild-Spiegelreflexkameras der High-Tech-Klasse wegen zuviel Technik und mangelnder Konzentrationsmöglichkeit auf das Bild nicht gelingen.

Rollei schuf im Bestreben stets eine außergewöhnliche Kamera herauszubringen, die SL 66, als späte Antwort auf das Vorpreschen der Hasselblad und auf die Nachfrage nach Wechselobjektiven in Mittelformat-Profikreisen. Die SL 66 SE von heute baut auf diesem Konzept auf, bietet jedoch im Gegensatz zum Urmodell eine integrierte Belichtungsmessung, die sogar vom Integralmodus auf Spotmeßart umschaltbar ist. Die Rollei SL 66 versucht mit ihrem Konzept die Vorzüge von Großbild- und Mittelformat in einem annehmbaren Kompromiß zu verbinden. So läßt der eingebaute Balgen in Verbindung mit dem Normalobjektiv in Retrostellung Makroaufnahmen bis zum Abbildungsmaßstab von 1,56:1 zu. Außerdem kann der Fotograf den Balgen der Schlitzverschlußkamera nach dem Scheimpflugschen Prinzip nach oben und unten um 8 Grad schwenken, was zur Schärfendehnung im Nahbereich führt. Schon bei mittleren Blenden können Gegenstände in der Sachfotografie in voller Größe scharf abgebildet werden. Bei solchen Aufgaben muß die Hasselblad passen oder erst mit kostspieligem Zubehör aufgerüstet werden. Dafür liegt die Schwedin eindeutig besser in der Hand als die Rollei, die eher zur Studiokamera hin tendiert, die eingebaute TTL-Blitzmessung kommt dem Fotograf dabei sehr gelegen. Zweifellos gebührt der Rolleiflex SL 66 SE der technologische Führungsanspruch in dieser Kameraklasse.

Mit rund 3000 Mark für die Grundausstattung unterbietet die Zenza Bronica SQ-A das Preisniveau in dieser Kameraklasse deutlich. Doch wird dies nicht etwa mit Primitivität oder weniger guter Qualität erkauft, sondern erfreulicherweise nur mit einer Imageeinbuße. Nach Zeiten konfuser Modellpolitik präsentiert sich die japanische Marke mit ihren drei Grundmodellen ETR-S, SQ-A und GS-1 im Mittelformat nunmehr aus einem Guß. Die SQ-A bildet die goldene Mitte für das klassische Mittelformat 6x6. Die Grundkonzeption als Zentralverschlußkamera erinnert an die Hasselblad 500 C/M, allerdings ist der Seiko-Verschluß elektronisch gesteuert. Er ermöglicht dadurch in Verbindung mit dem TTL-AE-Prisma die automatische Verschlußsteuerung nach Blendenvorwahl und sorgt durch diese Zeitautomatik für einen bei Mittelformatkameras ungewohnten Bedienungskomfort. Aufnahmesituationen, bei denen es auf Schnelligkeit ankommt, meistert die fortschrittliche Technik der Bronica SQ-A problemlos. Eine weitere Spezialität der Japanerin ist ihre Fähigkeit durch das Ansetzen verschiedener Magazine, mehrere Bildformate zu realisieren. Neben der gängigen Varianten 4,5x6 cm, die es auch bei Hasselblad und Rollei anzuschließen gibt - bei Hasselblad existiert sogar noch ein 4x4-Magazin für Superslides, hier zeigt sich das Ausmaß des größten Mittelformat-Systems der Welt -, kann man mit der Zenza Bronica Kleinbildfilme im Format 24x36mm und im Panoramaformat 24x54mm belichten. Das durchweg preiswerte Zubehör- und Objektivangebot ermöglicht neben dem leichten Einstieg in das professionelle Mittelformat auch einen finanziell bequemeren Ausbau des Systems.

Gerade damit hapert es, wenn der Mittelformat-Einsteiger mit der preiswertesten Alternative dieser Gruppe liebäugelt. Die russische Kiev 88 TTL lockt zwar mit einem günstigen Komplettangebot, das für rund 1700 Mark ein komplettes Set inklusive zweitem Magazin TTL-Prismensucher, Filter, Drahtauslöser und Kombitasche einschließt, darüber hinaus ist es jedoch nicht leicht, an Zubehör heranzukommen. Der deutsche Kiev-Importeur Dörr in Neu-Ulm hält allenfalls noch ein 65er und ein 250er Objektiv bereit. Dennoch ist die russische Kopie der einstigen 1000 F aus der Schlitzverschluß-Ära des schwedischen Herstellers vor 1957 nicht ohne Reiz. Nicht nur daß sie der mehr als doppelt so teuren Hasselblad bis auf Details frappierend ähnlich sieht, auch die Bildqualität des Standardobjektivs Volna 3 ist über jeden Zweifel erhaben. Zugeständnisse muß der Kiev-Fotograf allerdings bei der Detailverarbeitung machen. Zwar funktioniert alles, doch von der mechanischen Geschmeidigkeit einer Hasselblad ist die Kiev dennoch weit entfernt. Die Umschreibung "rauh, aber herzlich", scheint bei der Kiev eher angebracht. Auf eine andere Kiev-Eigenart sei noch hingewiesen, Magazine fremder Kameras passen manchmal nicht untereinander, sie müssen erst neu justiert werden. 

{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}