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Artikel

1997

Spezial Mittelformat

Systemkameras im Mittelformat

Die Würfel sind gefallen

Mehr als alle anderen Kameras hat ein Typ das Bild der Mittelformatkamera in der Öffentlichkeit geprägt: der Baukasten-Typ mit einem würfelförmigen Gehäuse in der Mitte, an das je nach Aufgabenstellung alles angesetzt werden kann.

Die einzelnen Teile, aus denen eine Kamera vom Baukasten-Typ zusammengesetzt werden kann, lassen sich in sechs Gruppen gliedern.

Gruppe 1: Der Zentralkörper, um den sich die anderen Bauteile gruppieren. Er enthält den Spiegel, in einigen Fällen auch den Verschluß.

Gruppe 2: Die Objektive, die vorne an den Zentralkörper angesetzt werden können. Viele Objektive sind mit einem eigenen Zentralverschluß ausgestattet.

Gruppe 3: Die Magazine, die hinten an den Zentralkörper angesetzt werden können. Es gibt sie für verschiedene Filmformate und verschiedene Filmtypen.

Gruppe 4: Die Sucher, die oben an den Zentralkörper angesetzt werden können. Die Auswahl reicht vom einfachen Lichtschachtsucher bis zum Prismensucher mit eingebauter Belichtungsmeß- und -steuerelektronik.

Gruppe 5: Die Handgriffe, die seitlich an den Zentralkörper angesetzt werden und oft neben besserer Handlichkeit mehr Komfort beim Filmtransport bringen. Überschneidungen mit Gruppe 6 sind möglich, da es oft Kombinationen gibt.

Gruppe 6: Die Winder/Motoren, die unten oder auch seitlich an den Zentralkörper angesetzt werden und den Filmtransport übernehmen. Betrachtet man die Auflistung, könnte man leicht die Schlußfolgerung ziehen, daß alle Mittelformatkameras dieses Typs ziemlich gleich ausfallen müßten: ein Würfel in der Mitte und Anbauten an drei bis fünf Seitenflächen. Doch weit gefehlt. Wenn auch das Urmuster immer wieder zu erkennen ist, so gibt es doch gravierende Unterschiede.

4,5x6 cm - die Zwischenstufe

Für ein Ausgangsformat von 4,5x6 cm (entsprechend 15 Aufnahmen auf Rollfilm 120) werden derzeit vier Kameras angeboten: Mamiya 645 1000s, Mamiya 645 super, Pentax 645 und (nur alphabetisch die letzte in der Reihe) Zenza Bronica ETRSi. Vom "Ausgangsformat" von 4,5x6 cm war die Rede, weil für die Mamiya 645 super und für die Zenza Bronica ETRSi auch Magazine für Kleinbildfilm angeboten werden. In der Pentax können die gewohnten Dias oder Negative mit einer Größe von 24 x 36 mm belichtet werden, in der Zenza Bronica auch Breitwand-Dias oder -Negative mit einem Format von 24 x 54 mm.
Am weitesten vom Baukasten-Typ hat sich die Pentax 645 entfernt. Der Prismensucher ist fest eingebaut, der Motor ebenfalls ins Gehäuse integriert. Anders als bei anderen Kameras ist der Handgriff nicht als ansetzbares Zubehörteil konzipiert, sondern als Teil des Gehäuses, der gegebenenfalls abgenommen werden kann.
Das Gehäuse als Ganzes bringt einen Bedienungskomfort, wie ihn Kleinbildkameras bieten, und auch die Ausstattung der Kamera mit Belichtungsautomatiken (einschließlich TTL-Blitzsteuerung) läßt manchmal vergessen, daß man sich mit dieser Kamera im Mittelformat bewegt.
Den Verdienst, das "kleine Mittelformat" 4,5x6 cm wieder salonfähig gemacht zu haben, kann sich Mamiya an die Fahnen heften.
Die Kamera, die diese Entwicklung einleitete - die Mamiya M645 - ist in der Variante " 1000s" noch immer im Programm. Die Schwestermodelle M645 und M645J, die sich in Ausstattungsdetails unterscheiden, findet man vielleicht noch bei Fotohändlern; von Mamiya werden sie nicht mehr angeboten. Neben die M645 1000s wurde eine M645 super gestellt. Beide Kameras sind zwar dem Prinzip der Baukasten-Kamera verpflichtet, verkörpern aber zwei Generationen Kamerabau. Daraus schließen zu wollen, die M645 1000s sei veraltet, ist aber falsch.
So stehen schon für die 1000s wie auch für die neue super Prismensucher für Belichtungsautomatik und ein Winder zur Verfügung. 
Ein wichtiger Bestandteil für eine Mittelformat-Systemkamera, das Wechselmagazin, fehlt dem Modell 1000s, während die M645 super es bietet. Nun kann der Fotograf auch mit einer "kleinen" Mamiya Polaroidfilme belichten. Der Wechsel zwischen Rollfilm 120 und Rollfilm 220 ist dagegen auch mit der M645 1000s möglich.
Die Objektive der Mamiya M645 1000s können auch an der M645 super eingesetzt werden, für die eine neue Objektiv-Serie (Namenszusatz N) vorgestellt wurde. Schon im Programm für die "alte" M645 waren ausgesprochene Leckerbissen zu finden, wie das 24-mm-Fisheye oder das 145-mm-Weichzeichner-Objektiv.
Wenn eine Kamera nicht für Wechselmagazine eingerichtet ist (Mamiya 645 1000s, Pentax 645) oder wenn der Etat kein Magazin mehr erlaubt, ist das nur dann ein Problem, wenn man oft mitten im Film die Filmsorte wechseln möchte. Wenn man dagegen immer mit dem gleichen Material arbeitet und jeden Film bis zum letzten Bild in der Kamera läßt, ist die Anschaffung von Rollfilm-Einsätzen eine gute Alternative. zum Magazin. Der Einsatz kann geladen in einer lichtdichten Box aufbewahrt werden, und der Filmwechsel ist dann nur noch eine Sache von wenigen Augenblicken.
Auch die Zenza Bronica ETRSi - erst unlängst überarbeitete Variante der ETRS - ist eine typische Würfelkamera für das Format 4,5 x 6 cm. Wechselsucher, Magazine, Handgriff für Motor und Handgriff ohne Motor, Objektive von 40 mm bis 500 mm Brennweite und zahlreiche kleinere Zubehörteile stehen zur Verfügung.

6x6 cm - die Klassiker

Während das Format 4,5x6 cm - nicht zu Unrecht - ein bißchen im Ruf steht, ein großer Bruder des KB-Formates zu sein, ist beim Format 6 x 6 cm nichts mehr zu rütteln. 6x6 ist Mittelformat pur. 
Das Quadrat als Bildfläche hat schon zu mancher Diskussion Anlaß gegeben, etwas Brauchbares ist bei keinem dieser Gespräche herausgekommen. Ob das Format "dynamisch" oder "statisch" sei, ist auch eher eine Frage von theoretischem Interesse. Denn erstens entscheiden Fotograf und Motiv über Dynamik und Statik, und zweitens bieten gerade die größeren Formate die Möglichkeit, ohne Qualitätseinbußen mit Ausschnitten zu arbeiten und so das ursprüngliche Seitenverhältnis vergessen zu lassen.
Die Mittelformat-Rolleis sind eine der letzten deutschen Bastionen auf dem Sektor der Profikameras.
Die erst zur letzten photokina vorgestellte Rolleiflex 6008 Professional unterstreicht, daß Rollei diese Festung auch halten will und bereit ist, neue Wege zu beschreiten. Dazu gehört, daß diese Kamera Zeit-, Blenden- und Programmautomatik bietet (neben der Möglichkeit der manuellen Nachführmessung, natürlich), und daß der eingebaute Motor eine Transportfrequenz von 2 B/Sek. erreicht (was man erst würdigen kann, wenn man die Länge eines Bildes und die zu bewegenden Massen bedenkt).
Daß die Wechselmagazine mit eingebautem Schieber versehen sind, ist zwar nichts Neues mehr, aber immer noch eine lobende Erwähnung wert. Schließlich hat die Suche nach dem verlegten Magazinschieber schon manchen Profi an den Rand des Nervenzusammenbruches geführt.
Auch die "kleineren" Geschwister der Rolleiflex 6008 Professional - die Rolleiflex 6006 mod. 2 und die Rolleiflex 6002 zeigen, daß man in Braunschweig modernsten Technologien aufgeschlossen gegenübersteht. Daß man auch Vordenker-Arbeit leistet, beweist die Steuerung der Objektiv-Zentralverschlüsse durch Linear-Motoren, die bei Rollei ja schon seit der legendären SLX - die das Elektronikzeitalter für das Mittelformat einläutete - gang und gäbe ist.
Die Objektivpalette für die 6000er Serie umfaßt Brennweiten zwischen 40 mm und 500 mm. Gefertigt werden die Objektive von den Edelschmieden Zeiss und Schneider.
Repräsentieren die 6000er aus dem Hause Rollei den technischen Fortschritt (die 6008 ist die derzeit modernste Mittelformatkamera), so steht die Rolleiflex SL66 in den Ausführungen "SE" und "X" für die Tradition der einäugigen Rolleis, ohne sich allerdings neuzeitlicher Technik zu verschließen.
Im letzten Jahr wurde die Reihe der Hasselblad-Kameras überarbeitet. Von der alten Riege ist die Hasselblad 500 C/M noch verfügbar, die anderen Modelle sind die Hasselblad 503 CX, die Hasselblad 553 ELX und die Hasselblad 2003 FCW. Beginnen wir mit ihr.
Die 2003 FCW ist in der genannten Reihe eine Besonderheit, denn sie ist mit einem Schlitzverschluß ausgestattet. Mit der kürzesten Zeit von 1/2000 Sek. macht dieser Verschluß die 2003 zur schnellsten Hasselblad. 
Entsprechend stehen für diese Kamera eigene Objektive zur Verfügung, die keinen Zentralverschluß aufweisen. Aber auch die große Reihe der CF-Objektive mit Schlitzverschluß kann für die 2003 FCW herangezogen werden. Ein Winder kann das Transportrad ersetzen.
Die Hasselblad 553 ELX ist dagegen von Anfang mit einem Motor ausgestattet, der fest mit dem Gehäusewürfel verbunden ist. 1,2 mal pro Sekunde schafft es der Motor, den Film zu transportieren und den Verschluß (im Objektiv) zu spannen. Ganz ohne Motor muß der Benutzer einer 503 CX oder einer 500 C/M auskommen.
Dafür sind die beiden Modelle mit dem "X" im Namen mit einer TTL-Blitzsteuerung per SCA-Adapter ausgestattet.
Das umfangreiche Zubehör zu den Hasselblad-Kameras ausführlich darzustellen, füllt ein Buch. Deshalb soll die Aufzählung einiger Teile genügen: Natürlich gibt es Wechselsucher und Wechselmagazine (auch für andere Formate), Fernsteuerungen und Nahaufnahmezubehör (einschließlich Makroblitzgerät), es gibt Auslöseknöpfe und Auslösetasten, Objektivdeckel und Trageriemen, Taschen und Koffer, Balgengerät und Kompendium, Handgriffe und Transportkurbeln, Mattscheiben und Filter. (Natürlich bieten auch die anderen Anbieter von Mittelformatkameras ihre Kameras nicht pur an und haben sehr viel Zubehör in ihren Programmen, aber es sei erlaubt, diesen kleinen Abstecher gerade hier zu machen.)

6x7 cm / 6x8 cm ideale Formate

Es wurde schon erwähnt: Das quadratische Format 6x6 cm ist nicht unumstritten, die Diskussionen sind erbittert, aber fruchtlos. Auch wenn es um das sogenannte Idealformat geht, kommen hin und wieder Streitgespräche auf - gebührt nun dem Format 6x7 cm diese Ehre, oder soll man lieber das Format 6x8 cm, das seit einiger Zeit verstärkt propagiert wird, solchermaßen auszeichnen?
Die Antwort ist einfach: Der Zweck heiligt das Format. 6x7 kommt mit seinem Seitenverhältnis für Selbstverarbeiter in Frage, denn Fotopapiere weisen dasselbe Verhältnis auf. Dagegen ist 6x8 für die Fotografen interessant, die ihre Fotos gern als Titelbilder sehen würden. Das Seitenverhältnis 3:4 weisen auch viele Zeitschriften auf. Mit zwei Geräten ist Mamiya im Sektor der "großen" Mittelformatkameras vertreten. Die etwas ältere, aber noch keineswegs in die Jahre gekommene RB 67 erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit, die jüngere Schwester RZ 67 eifert ihr erfolgreich nach.
Diese beiden Kameras haben ihren Platz in erster Linie im Studio, denn sie sind naturgemäß groß und schwer. Wer aber die Vorteile des großen Formates und dieser Kameras draußen ("On location" heißt es im Fachchinesisch) ausnutzen möchte kann das allerdings auch noch recht bequem tun, denn die Handhabung der beiden Kameras gibt zu keinen Klagen Anlaß.
Ein wichtiger Unterschied zwischen RB 67 und RZ 67, die beide in der Grundausstattung ohne Belichtungsmesser oder Belichtungsautomatik auskommen, ist die Steuerung der Objektiv-Zentralverschlüsse. Sie erfolgt mechanisch bei der RB 67, elektronisch bei der RZ 67.
Ein zweiter wichtiger Unterschied: Wer mit der RB 67 fotografiert, muß die Kamera mit zwei Handgriffen aufnahmebereit machen: Ein Hebelschwung spannt den Verschluß, ein zweiter Hebelschwung am Magazin transportiert den Film. Bei der RZ 67 genügt es, einen Hebel am Kameragehäuse zu bewegen. Beide Kameras sind mit einem drehbaren Magazinanschluß ausgestattet, was den Wechsel von Hoch- zu Querformat leicht möglich macht.
Und weil gerade von den Magazinen die Rede ist: Die großen Mamiyas können natürlich für die üblichen Formate 4,5x6 cm, 6x6 cm und das Nennformat 6x7 cm ausgerüstet werden.
Zusätzlich steht für die RB 67 auch ein Magazin für das "neue Idealformat" 6 x 8 cm zur Verfügung. Das 6x8-Magazin wie auch ein 6x7-Magazin stehen für die RB 67 mit eingebautem Transportmotor zur Verfügung.
Die RZ 67 kann ebenfalls mit einem Winder ausgestattet werden, der dann auch das Aufziehen des Verschlusses übernimmt. Objektive gibt es vom Fisheye 37 mm bis zum Tele mit 500 mm Brennweite, mit im Programm sind ein Makro mit 140 mm Brennweite (RB/RZ), ein 150er Weichzeichner (RB) und ein Shiftobjektiv (RZ).
In der kleinen Gruppe der 6x7-cm-Kameras ist auch eine Zenza-Bronica zu finden, die GS-1.
Als Mehrformatkamera kann sie per Magazinwechsel auch für 6x6 cm für 4,5x6 cm umgerüstet werden. Wer das kleinste Format in Anspruch nehmen will, sieht sich aber plötzlich mit einer Besonderheit konfrontiert: Hält er die Kamera normal, werden die 4,5x6-cm-Bilder automatisch Hochformat-Aufnahmen.
Auch für Kleinbild könnte die GS-1 einmal einzusetzen sein. Entsprechende Magazine sind konzipiert, allerdings steht noch nicht fest, wann sie auf den Markt kommen - wenn überhaupt. Bereits verfügbar ist dagegen das Polaroid-Magazin, für Profis, die im Bereich Werbung, Mode, Food oder Tabletop arbeiten, ein Muß. Mit einem Polaroid-Rückteil können Bildaufbau und Lichtführung vor der eigentlichen Aufnahme optimal überprüft werden. (Gilt nicht nur für das Polaroid-Rückteil der Zenza Bronica GS-1.)
Zum Zubehörprogramm zählen unter anderem vier verschiedene Sucher (darunter ein Drehspiegelsucher, der Hochformataufnahmen bequemer macht), Objektive von 50 mm bis 500 mm, Handgriff, Balgen und ein eigenes Blitzgerät, das am Handgriff befestigt werden kann.
Daß die Kamera selbst keinen eingebauten Belichtungsmesser hat, ist in dieser Kamerakategorie nichts Besonders, soll aber zumindest erwähnt werden.
Fuji - weiter vorne wurden schon die Sucherkameras vorgestellt - ist auch im größeren Format am Ball. Die Fuji GX 680 Professional ist eine Kamera, die - ähnlich den Rollei 6000er-Modellen oder der Pentax 645 - Aufnahmekomfort bietet, den man eher von Kleinbildkameras erwartet.
Der Verschluß mit seinem Zeitenbereich von 8 Sek. bis zur 1/400 ist elektronisch gesteuert; der eingebaute Belichtungsmesser warnt per LED vor Unter- oder Überbelichtung; ein eingebauter Motor übernimmt den Filmtransport (auch zum ersten Bild und auch im Dauerlauf); ein LCD-Monitor auf dem Magazin zeigt nicht nur die aktuelle Bildnummer, sondern auf Wunsch auch die Zahl der mit diesem Magazin erfolgten Belichtungen.
Dennoch ist diese Kamera kein elektronisches Spielzeug, sondern ein Werkzeug, das auch mechanische Problemlösungen anbietet, die sich sehen lassen können. So ist es beispielsweise möglich, den Objektivbalgen so zu verstellen, wie es eigentlich nur bei Großformat-Kameras üblich ist. Die große Mattscheibe kann im Lichtschacht oder durch einen Prismensucher betrachtet werden.
Wie die Namensgebung schon vermuten läßt, ist die Fuji GX 680 eine Kamera für das Format 6x8 cm. Die drehbare Magazinhalterung macht das Umstellen von Quer- auf Hochformat zu einer Sache des Handumdrehens.

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