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Artikel

1997

Test & Technik

Kommandozentrale

Vom Data Back zur Multi-Funktionsrückwand

Spätestens nach Einführung der Canon T90 erhielten Datenrückwände eine völlig neue Bedeutung. Die Einrichtungen für die reine Einbelichtung von Aufnahmedaten entwickelten sich zu raffinierten, funktionserweiternden Steuerzentralen für Spiegelreflexkameras.

Wissenschaftler, Tester und Dokumentatoren waren es, die sich als erste die Möglichkeit der Einbelichtung von Daten zur Kennzeichnung ihrer Aufnahmen wünschten. Aber auch viele Amateure schätzten den Vorzug, bereits während der Aufnahme beliebige Daten in das Bild einbelichten zu können.
Zunächst war es nur das Datum, das sich in beliebiger Reihenfolge wie etwa Jahr-MonatTag oder Tag-Monat-Jahr meist in die untere rechte Ecke des Dias oder Negativs einbelichten ließ. Mußten ganz früher die Daten jedesmal neu eingegeben werden, so stellen modernere Data-Backs zum Beispiel Datum und Uhrzeit automatisch richtig ein. Die Intensität der LEDs für die automatische Dateneinbelichtung kann bei den meisten Data Backs entsprechend der verwendeten Filmempfindlichkeit variiert werden, um optimale Lesbarkeit zu garantieren.
Der verstärkte Einsatz elektronischer Steuerungen in modernen Kameras eröffnete den Einbelichtungsgeräten völlig neue Dimensionen. Durch die in modernen Data Backs integrierten Rechner können inzwischen nicht nur Daten aufgezeichnet, sondern auch unterschiedliche Timer sowie Belichtungsprogramme gesteuert werden. Mit dem Canon Command Back 90 für die Canon T90 können während der Aufnahme verschiedene Datengruppen automatisch in das Bild einkopiert werden, bei Kalenderdaten ist das quarzgesteuerte Command Back 90 vorprogrammiert bis zum Jahr 2099. Es berücksichtigt automatisch Schaltjahre und unterschiedliche Monatslängen. Statt der Datumsanzeige können auch die Angaben von Tag, Stunde und Minute mit 24-Stunden-Anzeige einbelichtet werden. Eine Erweiterung gegenüber den meisten anderen Data Backs ist vor allem die Möglichkeit, entweder eine sechsstellige Zahl oder die Buchstaben A bis F einzubelichten. Außerdem ist die Einbelichtung einer vierstelligen Bildzahl möglich.

Neben diesen erweiterten Möglichkeiten der Einbelichtung bot das Command Back 90 erstmalig zusätzliche Steuerfunktionen, mit denen die Einsatzmöglichkeiten der Canon T90 erheblich erweitert wurden, zum Beispiel die Programmierung der Vorlaufzeit des Selbstauslösers. Durch diese Funktion lassen sich die Verzögerungen der Auslösung in Einheiten von einer Sekunde im Bereich von einer Sekunde bis zu 23 Stunden, 59 Minuten und 59 Sekunden variieren. Außerdem besitzt das Command-Back 90 eine Timer-Funktion für Intervallaufnahmen in beliebigen Abständen. Auch hier können in Sekundeneinheiten Zeiten von einer Sekunde bis zu 23 Stunden, 59 Minuten und 59 Sekunden eingestellt werden.
Ein Timer für Langzeitbelichtungen erweitert den Verschlußzeitenbereich der Canon T90 auf 23 Stunden, 59 Minuten und 59 Sekunden. Die Kamera wird auf "Bulb" für beliebig lange Verschlußzeiten gestellt, am Command Back 90 die gewünschte Langzeitbelichtung eingegeben, und schon bleibt der Verschluß nach der Auslösung für die vorprogrammierte Dauer geöffnet. Dabei kann bei allen vorgenannten Funktionen ebenfalls die gewünschte Anzahl der Aufnahmen in dieser Funktion vorgegeben werden. Außerdem läßt sich ein bestimmter Zeitpunkt innerhalb eines Tages festlegen, zu dem die Kamera automatisch auslösen soll. Auch Mehrfachbelichtungen können über das Command Back 90 programmiert werden. Beim Arbeiten mit den Canon Systemblitzgeräten Speedlite 300 TL oder dem Macro-Ringlite ML-2 werden diese in den Timerfunktionen automatisch erst eine Minute vor der Aufnahme aufgeladen, so daß während der Wartezeit keine unnötige Energie verbraucht wird.
Durch die Kombination der einzelnen Funktionen werden die Möglichkeiten nochmals erweitert. So können zum Beispiel der Zeitpunkt für den Beginn einer Funktion frei gewählt, der Zeitraum, in dem sie abläuft, festgelegt und die Anzahl der Aufnahmen, die erfolgen sollen, zwischen 1 und 99 festgelegt werden.

Doch das vielseitige Command Back 90 von Canon mutet inzwischen schon geradezu vorsintflutlich an im Vergleich zu den Steuer-Rückteilen der jüngsten Generation der Autofokus-Kameras. Hier setzte zunächst Minolta mit seinem Programm Back Super 90 neue Maßstäbe. Neben den Einbelichtungsfunktionen für das Datum, die Uhrzeit, die Bildnummer oder eine beliebige Kennzahl besitzt diese zusätzliche Steuerzentrale der Minolta 9000 Timerfunktionen, mit denen sich ebenfalls wie beim Canon Command Back 90 Startzeit, Intervall, Aufnahmezahl oder Langzeitbelichtungen programmieren lassen. Allerdings können hier bereits das Tagesdatum, zu dem die Funktion beginnen soll, sowie die Stunde und die Minute eingegeben werden. Der Zeitraum der Intervalle reicht bis zu 99 Stunden, 59 Minuten und 59 Sekunden und auch die Langzeitbelichtungen in Kombination mit der "Bulb"-Einstellung können für diesen Zeitraum vorprogrammiert werden. Auch die Minolta-Programmrückwand Super 90 schaltet bei Bedarf automatisch eine Minute vor der Aufnahme das Blitzlicht zu.
Anders als bisher üblich kann die Dateneinbelichtung mit dem Steuerrückteil Super 90 für die Minolta 9000 in einem etwa 10 mm langen und 0,5 mm breiten Steg am rechten Bildrand einkopiert werden, wo sie weniger stören als die herkömmlichen Einbelichtungen im Foto rechts unten.
Zusätzlich können auch automatisch die für die Aufnahme verwendeten Belichtungsdaten, also Verschlußzeit und Blende, aufgezeichnet werden. Gerade für Testaufnahmen ist diese Funktion eine große Hilfe. Das gleiche gilt für die Möglichkeit, automatische Belichtungsreihen mit unterschiedlichen Belichtungsabweichungen vorzuprogrammieren. Dabei sind automatische Belichtungsreihen mit bis zu neun Einzelaufnahmen machbar. Es können Belichtungsunterschiede von Aufnahme zu Aufnahme mit einem viertel, dem halben, einfachem oder doppeltem Belichtungswert gewählt werden.
Der Knüller aber sind die Erweiterungsmöglichkeiten der Belichtungssteuerprogramme durch die Programmrückwand Super 90. Insgesamt stehen sieben Belichtungsfunktionen zur Verfügung, darunter drei Programm-Automatiken, Zeitautomatik, Blendenautomatik, manuelle Steuerung und manuelle Langzeitbelichtung. Auf einem großen LCD-Display auf der Rückwand wird der gemessene Lichtwert (EV) durch eine diagonale Punktmatrix- Linie angezeigt. Bei Programmautomatik kann der Fotograf zwischen drei verschiedenen Belichtungsprogrammen mit unterschiedlichem Kurvenanstieg wählen. Zusätzlich kann er jede von ihnen über eine Shift-Funktion beliebig verändern. Dabei lassen sich alle Programme mit jeder beliebigen Objektivbrennweite kombinieren. Darüber hinaus lassen sich - etwa für die gezielte Steuerung der Schärfentiefe -minimale und maximale Grenzblenden eingeben.
Der Verlauf der Zeitautomatik wird auf dem Display innerhalb eines Diagramms als eine waagerechte Linie angezeigt. Die Blende läßt sich in dieser Funktion viertelstufig im verfügbaren Bereich des Objektivs vorwählen. Bei drohender Fehlbelichtung korrigiert eine automatische Override-Funktion die fehlerhafte Einstellung der Blende. Die Blendenautomatik wird im Display durch eine senkrechte Linie auf der vorgewählten Verschlußzeit dargestellt. Auch hier werden durch automatisches Override Fehlbelichtungen vermieden. Bei manueller Einstellung zeigt das Display auf der Rückwand die korrekte Einstellung beziehungsweise die Abweichung der gewählten Daten von der korrekten Belichtung an.
Eine Art Multi-Spot-Messung mit automatischer Meßwertspeicherung erlaubt die MULTI-M-Funktion der Programmrückwand Super 90. Hier können wahlweise der Durchschnittswert aller acht möglichen Messungen abgelesen, der Mittelwert zwischen hellster und dunkelster Messung ermittelt sowie die Lichter- oder Schattenpartien berücksichtigt werden.
Die Minolta-Rückwand kann auch automatisch mit extern gemessenen Daten gespeichert werden. Dies geschieht zum Beispiel, wenn die Minolta 9000 in Kombination mit dem Daten-Empfänger DR-1000 und dem Flashmeter IV verwendet wird. Dann werden die vom Flashmeter ermittelten Daten über IR-Sender und Empfänger in die Programmrückwand eingespeist.
Die gleichen Funktionen wie die Programmrückwand Super 90 bietet das Minolta-Magazin für 100 Aufnahmen zur Minolta 9000. Überraschenderweise brachten die Datenrückwände für die jüngste Minolta "i" Generation bisher keine weitergehenden Funktionen.

Wieder einmal waren es Nikon-lngenieure, die mit den Multi-Funktionsrückwänden MF-23 und MF 24 für 250 Aufnahmen zur Nikon F4 neue Akzente setzten. So können mit beiden Rückteilen die Daten nicht nur wie bisher in das Bildfeld sondern auch in den Steg neben dem Bild einbelichtet werden. Die Einbelichtungen erfolgen mit einer achtziffrigen Siebensegment-LED und mit einer sechsziffrigen Siebensegment-LED in die Aufnahmen. Neben den üblichen Datumseinbelichtungen sind mit den Nikon Multi-Funktionsrückwänden zur Nikon F4 Intervallschaltungen mit maximalen Abständen von 99 Stunden. 59 Minuten und 59 Sekunden realisierbar. Dabei können maximal 99999 Aufnahmen pro Intervall und maximal ebenso viele Intervalle vorprogrammiert werden. Für Forscher und Wissenschaftler, aber auch für Amateure eröffnen sich durch diese Funktion schier unbegrenzte Möglichkeiten der fotografischen Dokumentation. Auch die Erweiterung des Verschlußzeitenbereichs auf 999 Sekunden. Minuten oder Stunden bei B-Einstellung stellt eine wesentliche Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten der Nikon F4 dar. Abhängig sind diese Funktionen allerdings von der Lebensdauer der Hauptstromversorgung der Kamera. Für die Nikon F4 gibt es deswegen auch ein Netzteil für die Versorgung direkt aus der Steckdose.
Automatische Belichtungsreihen bis zu neunzehn Aufnahmen mit vorprogrammierbaren, abweichenden Belichtungen sind ebenfalls mit den Multi-Funktionsrückwänden MF23 und MF-24 möglich. Die Belichtungsänderung zwischen zwei Aufnahmen kann dabei im Bereich von einem Drittel bis zum doppelten Lichtwert liegen, wobei der maximale Korrekturbereich bei + 8 EV liegt. Die Verzögerung bis zur ersten Aufnahme kann maximal 99 Stunden und 59 Sekunden betragen.
Mit der Filmalarmfunktion wird der Fotograf bei Erreichen einer vorher programmierten Bildzahl durch ein akustisches Signal gewarnt. Diese Funktion ist vor allem für Reporter wichtig, die dadurch zusätzlich zur Sucheranzeige noch einmal darauf hingewiesen werden, daß demnächst ein Filmwechsel erforderlich ist. Jetzt kann er entscheiden, ob die zur Verfügung stehende Aufnahmesequenz für die bevorstehende Aufgabe ausreicht oder ob besser ein neuer Film eingelegt werden sollte.
Zusätzlich ist auch eine Filmstopp-Funktion integriert. Ist sie aktiviert, blockiert der Auslöser automatisch bei Erreichen einer vorher eingegebenen Bildzahl. Selbstverständlich wird auch bei ferngesteuerten Blitzaufnahmen die Blitzaufladung automatisch gesteuert. Sie erfolgt zur Ernergieeinsparung bei der Nikon Multi-Funktionsrückwand MF-23 erst 30 Sekunden vor der programmierten Auslösung.
Eine zusätzliche Funktion der Multi-Funktionsrückwand MF-23 ist die Autofokusfalle. In dieser Betriebsart löst die Kamera bei manueller Scharfstellung bei gedrücktem Auslöser in dem Moment aus, wo die grüne "In-Focus"-LED der elektronischen Einstellhilfe der Nikon F4 im Sucher aufleuchtet oder wenn ein anvisiertes, sich bewegendes Objekt die vorher eingestellte Schärfenebene erreicht. Diese Zusatzfunktion. die manche AF-Kameras in ähnlichen Formen bereits ohne Zubehör ermöglichen, sorgt vor allem bei schnellen Action-Fotos für mehr Sicherheit bei der Scharfstellung. Interessant ist sie gerade deshalb, weil sie mit der manuellen Scharfstellung kombiniert ist.
Doch damit nicht genug, die Multi-Funktionsrückwand kann durch die Vorprogrammierung eines täglich ertöndenden Alarms den Fotografen auf seinen Feierabend oder die Mittagspause hinweisen. Der Alarmton ertönt zur eingestellten Uhrzeit jeweils etwa zwanzig Sekunden lang. Rein theoretisch könnte man seine Kamera auch dazu benutzen, automatisch die Kaffemaschine über einen Lichtimpuls in Gang zu setzen.
Interessante Möglichkeiten ergeben sich vor allem durch die Kombination der vielen Einzelfunktionen. So läßt sich zum Beispiel die Intervallschaltung mit der Belichtungsreihen-Funktion und der Verzögerungsschaltung verknüpfen. Es lassen sich also ab einem vorgegebenen Zeitpunkt eine bestimmte Anzahl von Aufnahmen unterschiedlicher Belichtung in definierten Abständen aufnehmen. Ebenso kann die Autofokusfalle mit der Intervallschaltung, der Verzögerungsschaltung oder mit der Langzeitbelichtung kombiniert werden.
Bei der Kombination von Autofokusfalle und Intervallschaltung wird die programmierte Aufnahme ausgelassen, wenn das Objekt nicht innerhalb von acht Sekunden die vorgewählte Schärfenebene erreicht. Diese Funktion erlaubt eine ganze Reihe spannender fotografischer Experimente, zum Beispiel bei der Tierbeobachtung.
Kaum etwas an den neuen Steuerrückteilen für die modernen Spiegelreflexkameras erinnert heute noch an die früheren Datenrückwände mit ihren eher einfachen Einbelichtungsmöglichkeiten. Die Datenrückwände von damals haben sich heute zu rechnergelenkten Steuerzentralen weiterentwickelt, mit denen sich die Einsatzmöglichkeiten von automatischen Spiegelreflexkameras erheblich steigern lassen. Sie sind über die Kennzeichnung der Aufnahmen hinaus ein außerordentlich wichtiges Hilfsmittel, das neue Möglichkeiten der Bildgestaltung eröffnet, und zählen somit inzwischen zu den wichtigsten Zubehörteilen für die engagierte Spiegelreflexfotografie.

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