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Test & Technik Praxisbericht

Unterwasserfotografie mit der Nikonos RS AF

Kamera mit Tiefgang

Die Nikonos RS AF wird als erste Unterwasser-Spiegelreflexkamera in die Fotogeschichte eingehen. Profifotograf und Taucher Manfred Bail hat die Unterwasserkamera in den Tiefen des Roten Meeres in wochenlangem Taucheinsatz geprüft.

Wir brechen auf zum ersten Tauchgang an dem legendären Wrack der "Umbria" am Wingate Riff im Roten Meer. Abdullah zählt eins, zwei, drei... - und von beiden Seiten des Schlauchboots lassen sich je vier Mann rücklings ins grüne Naß fallen. Zuerst halte ich die Nikonos RS AF krampfhaft fest, schließlich soll ich das wertvolle Stück heil nach München zurückbringen. Doch die Spannung löst sich bald. Ich tauche zum Heck des Wracks auf etwa 15 Meter Tiefe und weiter entlang der Reling bis zum Bug auf zirka 30 Meter Tiefe. Dabei begegne ich einem fast zahmen Halbmondkaiser-Fisch. Hier wird häufig getaucht, und die Fische sind an uns blubbernde Unterwasserwesen gewöhnt. An der RS ist ein 20-35-mm-Zoom befestigt. Die Kamera ist auf "A" (Zeitautomatik mit Matrixmessung) und Fokussierart "C" (laufende Schärfenachführung des Autofokus) eingestellt. Mit dem eingelegten Diafilm (ISO 200/ 24') komme ich in 15 Metern Tiefe auf eine Verschlußzeit von 1/,50 bis 1/125 Sekunde. Zum ersten Mal sehe ich unter Wasser durch den angenehm groß dimensionierten Mattscheibensucher und bin überrascht. Das über Wasser grün leuchtende Display strahlt nun in einem dezenten Orange, das sich gut von der blaugrünen Unterwasserwelt abhebt. Der Halbmondkaiser kommt langsam näher, dennoch zoome ich von 20 auf 35 Millimeter, um ihn möglichst groß abbilden zu können. Endlich ist der Fisch nahe genug - ein sanfter Druck auf den Auslöser, und die Aufnahme ist im Kasten. Der Autofokus reagiert erfreulich schnell.
Ich schwebe weiter, am Freidecks des Wracks entlang und blicke durch die Fenster des Salons, zoome zurück auf 20 Millimeter und kann nun präzise den Bildausschnitt wählen (beim optischen Sucher der Nikonos V geht dies nicht). Ich beginne, das Fotografieren mit der RS als angenehm zu empfinden - trotz ihres auch unter Wasser bemerkenswerten Gewichts. Man gewöhnt sich jedoch sehr schnell daran und nimmt eben ein bis zwei Kilo Blei weniger mit. Ich lasse das Verschlußrad auf "A" stehen - in der Hoffnung, daß die Matrixmessung den Gegensatz zwischen dem dunklen Innenraum des Schiffs und den helleren Fenstern bewältigen wird. Das Ergebnis erfüllt meine Hoffnung. Ein großes Lob für die Matrixmessung.
Weiter geht es entlang der Reling zu einem der Laderäume. Hier lagern Hunderte von Bomben. Im Laderaum ist es fast völlig dunkel. Hier hätte ich mit dem Nikon-Blitz SB 104 wegen des fehlenden Einstellichts nichts ausrichten können. Das sanft leuchtende Sucherdisplay dagegen zeigt hier seine Stärke.
Am nächsten Tag geht es nach Norden, zur "Shab Suedi", einem Toyota-Wrack. Hier probiere, ich die Mittenbetonte Belichtungsmessung aus und muß feststellen, daß man damit keine Mischlicht-Schnellschüsse machen kann. Es erfordert einige Zeit, bis man bei vorgewählter Verschlußzeit den Blendenknopf auf die exakte Position gedreht hat. Kleine Balken rechts und links vom Nullpunkt zeigen im Sucherdisplay an, ob unter- oder überbelichtet wird. Es ist schon eine arge Fummelei, bis man genau den Nullpunkt erwischt hat. Sinnvoll ist diese Meßmethode aber bei Nachttauchgängen, in Höhlen, bei Makroaufnahmen und überall dort, wo man hauptsächlich den Blitz einsetzt.

Fokuseinstellungen

Am nächsten Tag fahren wir zurück in Richtung Süden zum Wrack der legendären "Shab Runii", bekannt durch die Tauchpioniere Hans Hass und Jacques Cousteau und die fast immer anwesenden Hammerhai-Rudel. Die "Shab Runii" war für mich der Höhepunkt dieser Tauchreise. Früher sah man angeblich am Plateau der "Shab Runii" Hammerhaie - heute muß man auf 60 bis 70 Meter tauchen, um die berühmten hammerheads zu sehen. 62 Meter Tauchtiefe: Die Zoomoptik steht auf Blende 4, die Verschlußzeit pendelt sich bei 1/30 bis 1/15 Sekunde ein, der Autofokus operiert in Einstellung "C". Und da kommen sie tatsächlich - elegante Schwimmer, die langsam an uns vorbeiziehen.
Beim nächsten Tauchgang, diesmal mit 50-mm-Makroobjektiv, fotografiere ich den Kopf eines Hammerhais etwas verwischt. Dies unterstreicht die Dynamik der Tiefe. Wischeffekte lassen sich bei eingeschaltetem Blitz nur erzielen, wenn man die Verschlußsynchronisation über einen Hebel im Kameragehäuse auf den zweiten Verschlußvorhang einstellt.
Später, am Wrack der "Shab Sanganeb", spiele ich den Vorteil der Fokusstellung "S" voll aus. Mit Zoomoptik auf 20 Millimeter, Belichtungsautomatik "A" und Blende 5,6 nähere ich mich einem Blaupunktrochen. Fokussierung auf den Fisch, Auslöser drucken, halten und Bildausschnitt nach oben verändern, Auslöser durchdrücken. Schon habe ich einen "scharfen" Rochen im Kasten. Die Einstellung "F" (Fokusfalle) probiere ich bei Clownsfischen aus. Sie sind unruhige Geister und schwimmen sehr schnell hin und her.
Mit dem "Powerfokus" stelle ich die Entfernung ein und warte, bis ein Clownsfisch in die vorgewählte Distanz schwimmt. Der Verschluß löst selbsttätig aus.

Schwächen und Stärken

Am Unangenehmsten fällt das hohe Gewicht der RS auf. Das Bildzählwerk ist schlecht ablesbar. Dem Zoomknopf hätte man Klickstopps bei den 20-, 24-, 28- und 35-Millimeter-Einstellungen genehmigen sollen. Wie man ein neues Unterwasser-Blitzgerät ohne Einstellicht konzipieren kann, bleibt mir ein Rätsel.
Positiv aufgefallen ist mir der Auslöser, der samtweich arbeitet. Trotz der etwa 4 Kilogramm Gewicht (mit Zoom) über Wasser liegt die Kamera sehr gut in der Hand. Alle Werte werden im gut ablesbaren LCD-Sucher angezeigt. Alles in allem ist die Nikonos RS AF zur Zeit das beste Aufnahmegerät, das es für die Unterwasserfotografie gibt.

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