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Artikel
1997
Test & Technik
Reifeprüfung bestanden
Zenza Bronica ETRSi - neue Version mit entscheidenden Verbesserungen
Im zwölften Jahr ihrer Bauzeit wurde die Zenza Bronica ETRS in einigen Punkten verbessert. Die neue 4,5x6-Zentimeter-Kamera des japanischen Mittelformat-Spezialisten heißt ETRSi. Findet sie jetzt wieder Anschluß an die moderne Konkurrenz?
Selbst Kameraklassiker benötigen ab und zu ein bißchen Modellpflege, damit die Legende weiterlebt. Das beste Beispiel dafür ist wohl die Hasselblad 500 C/M, die in 30 Jahren Bauzeit 8000 Verbesserungen über sich ergehen ließ, ohne ihr Äußeres nennenswert zu verändern. Ihr Konzept erwies sich damals als so revolutionär, daß es auch heute noch zeitgemäß ist. Ähnliches gilt für die Zenza Bronica ETRS. Sie leitete als ETR 1976 eine Wende in der bis dahin konfusen Modellpolitik von Bronica ein. Nach ihrem konstruktiven Grundmuster bestehend aus Wechselmagazin, Zentralverschluß und dem maßvollen Einsatz von Elektronik entstand nach und nach eine komplette Kamerafamilie mit den Modellen SQ-A, SQ-Am und GS-1. Zentrale Bestandteile des Konzepts sind auch heute noch das Mehrformat-Prinzip - neben 4,5 x 6 Zentimeter auch 24 x 36 und 24 x 54 Millimeter - und die Wandlungsfähigkeit in einen Zeitautomaten mit Hilfe des AE-II Prismensuchers E, der zwar aufpreispflichtig ist, jedoch im Interesse der erweiterten Aufnahmemöglichkeiten beim Kamerakauf unbedingt mitgeordert werden sollte.
Zwar ist die Zenza Bronica ETRSi noch kein Kamerameilenstein wie etwa die Hasselblad, doch weist sie ebenso wie diese das Wechselmagazin und den Zentralverschluß auf, technische Parallelen zwischen Göteborg und Tokio. Zehn Jahre lang genoß sie damit eine Alleinstellung in der 4,5x6-Zentimeter-Klasse, bis Mamiya seine 645 als Super mit einem Wechselmagazin professionell machte. Den Zentralverschluß kann man sich über Spezialobjektive dazukaufen. In Design und Technik wirkt die Mamiya 645 Super deutlich moderner als die Zenza Bronica ETRS, für die allmählich Handlungsbedarf in Sachen Renovierung bestand.
Die Überarbeitung orientiert sich im wesentlichen an den traditionellen Kritikpunkten, die im Umgang mit dieser sympathischen Kamera immer wieder geäußert wurden. Viele Fotografen vermißten eine Spiegelvorauslösung ebenso wie eine TTL-Blitzsteuerung - letztere paßt ideal zu einer Zentralverschlußkamera, die in der Blitzfotografie wegen ihrer kurzen Synchronzeiten besonders beliebt ist. Auch der schwere und laute Motor wollte nicht recht zu der kompakten und handlichen Mittelformatkamera passen. Jetzt gibt es dieses Zubehör in besonders leichter Ausführung, passend für alle ETR-Kameras.
So präsentiert sich die Zenza Bronica ETRSi technisch deutlich verfeinert, aber vom Charakter her nicht wesentlich anders als sonst. Ihre Tugenden blieben erhalten. Kenner schätzen ihre Handlichkeit und Vielseitigkeit, gerade im Einsatz außerhalb des Studios. So manche Kleinbildkamera der neuen Generation wirkt unhandlicher als diese ausgewogene Mittelformatkamera. Auch der Motor ändert daran wenig. Zwar wächst das Gewicht inklusive Batterien um 500 Gramm, doch liegt die Kamera auch mit Motor dank der ausgewogenen Gewichtsverteilung gut in der Hand. Das Auslösegeräusch der Bronica ETRSi ist trotz leisen Zentralverschlusses vom kernigen Spiegelschlag bestimmt, eine Eigenart, die man auch der neuen Kamera nicht ganz austreiben konnte.
Spiegel mit Vorauslösung
Allerdings läßt sich der Spiegel jetzt vorauslösen, so daß die Insekten bei Makrofotos nicht im Moment der Aufnahme die Flucht ergreifen. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Frage: "Wohin mit dem Magazinschieber?" Eher grundsätzlicher Art ist das Problem, Hochformatbilder aufzunehmen. Dies gelingt, wie bei allen Querformat-Magazinkameras ohne Drehrahmen-Rückteil nur mit dem Prismensucher unter akrobatischer Verrenkung. Einmal mehr erwies sich der AE-Prismensucher II als erfreuliche Dreingabe. Die Zeitautomatik paßt gerade in Verbindung mit dem schnellen Motor - vier Bilder in fünf Sekunden - gut ins Konzept. TTL-Blitzmessung auf der Filmebene, seit Jahren ein Kleinbild-Standard, hält nun auch Einzug in diese Kameraklasse. Rollei und Hasselblad waren die Vorreiter, einzig Mamiya hat den Schritt zum SCA" Standard noch nicht vollzogen. Wer häufig Blitzfotos im Studio macht und dem Zentralverschluß den Vorzug gibt, braucht nun diesen zusätzlichen Komfort nicht mehr zu missen.
Der elektronisch gesteuerte Seiko-Verschluß realisiert Zeiten von acht Sekunden bis zur 1/500 Sekunde. Die Einstellung der Verschlußzeit erfolgt direkt über einen griffigen Drehschalter oder bei aufgesetztem AE-Prisma indirekt über die vorgewählte Blende. Leider gibt es keine Spotmessung. Über jeden Zweifel erhaben ist die Abbildungsqualität der Zenzanon-E-Objektive, auch wenn die Palette der Brennweiten nicht annähernd die allumfassende Breite des Konkurrenten Mamiya erreicht. Ein 50-Millimeter-Weitwinkel und das 150-Millimeter-Tele decken die meisten fotografischen Aufgaben von Architektur über Porträt ab.
Bei allem AE-Prismensucher-Komfort darf der Fotograf auch mal einen Blick in den Lichtschacht riskieren, um mit Muße an der Bildgestaltung zu feilen. Wer 4,5x6 Zentimeter Formatgröße grundsätzlich als kleinkariert ablehnt, muß einmal Dias in der Projektion mit Kleinbild vergleichen. Vergleichen sollte man auch das Preis-Leistungsverhältnis der Zenza Bronica ETRSi gegenüber Konkurrenten wie Pentax und Mamiya, aber auch mit Kleinbildkameras der Oberklasse. Bei Bronica bekommt man eine sehr solide Kamera für vergleichsweise wenig Geld. Die Modellpflege hat sie vor dem Schicksal bewahrt, auf dem Abstellgleis zu landen, und ihr neue Zugkraft verliehen.
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