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1997
Sammlerkamera des Monats
Voigtländer Vitessa
Geschwindigkeit ist keine Hexerei
Die fünfziger Jahre waren reich an originellen und bisweilen sogar skurrilen Kamerakonstruktionen. Eine davon heißt Voigtländer Vitessa, ist funktionssicher und vermag nicht nur Voigtländer-Sammler zu begeistern.
Kombitaste heißt im Voigtländer-Jargon das markanteste und technisch herausragendste Detail an der Vitessa, die 1953 Premiere feierte. Das Ziel der Voigtländer-Konstrukteure war es, schnelle Aufnahmebereitschaft zu ermöglichen, eine Eigenschaft, die sie zusammen mit der kompakten Klappbauweise zu einer idealen Schnappschußkamera jener Tage machte. Die Kombitaste kombiniert Verschlußaufzug und Filmtransport. Der schornsteinförmige Stift springt automatisch heraus, wenn der Fotograf per Auslöser die Frontklappe öffnet. Er läßt sich nach Schließen der Klappe auch wieder versenken, damit das herausragende Bedienungselement nicht hindert. Die Kombitaste war als Alternative zum damals langsam aufkommenden Schnellschalthebel gedacht. Nur letzterer konnte sich durchsetzen, obwohl der ungewöhnliche Stift für den geübten Fotografen eher schneller zu bedienen ist. Ein Zeigefinger drückt die Kombitaste, der andere löst aus; Geübte schaffen mit diesem Fingerspiel gut und gerne zwei Bilder pro Sekunde, also Windertempo. Auch die anderen Ausstattungsmerkmale qualifizieren die Voigtländer Vitessa als hochwertige Kamera. Dazu gehören der Synchro-Compur-Zentralverschluß, das vierlinsige Color-Skopar-Objektiv 2,8/50 mm und der eingebaute Mischbildentfernungsmesser.
Einen empfindlichen Selen-Belichtungsmesser, der zum Charakter einer Schnappschußkamera unerläßlich ist, gab es zunächst gegen Aufpreis. Später hatten ihn die teuren Modelle eingebaut. Auch das lichtstarke Ultron 2/50 mm kostete damals einen Hunderter mehr als das Skopar, von dem auch eine 3,5/50-mm-Standard-Version im Angebot war. Vitessa-lnteressenten von heute sollten auf eine Kamera mit eingebautem Belichtungsmesser Wert legen, Design und Funktion sowie Werterhaltung profitieren von dieser nützlichen Bedienungshilfe. Neben der wertvollen technischen Ausstattung besticht die solide Verarbeitungsqualität der Vitessa. Ihr Name leitet sich übrigens von dem französischen Wort für Geschwindigkeit (vitesse) ab. Das Gehäuse wirkt schwer und stabil, echtes Leder macht die Kamera griffig, und der hohe konstruktive Aufwand wird gerade in Detaillösungen spürbar.
Für die meistgesuchte Version mit Ultron 2/50 mm und Belichtungsmesser müssen, wenn sich die Kameras in sehr gutem Zustand befindet, 400 Mark bezahlt werden, einfachere Versionen gibt es funktionsfähig und mit Gebrauchsspuren schon ab 150 Mark. Man findet die Vitessa aber trotz relativ hoher Stückzahlen - es liefen von 1953 bis 1957 in Braunschweig 30'000 Stück vom Band -relativ selten auf Börsen, in COLOR FOTO-Kleinanzeigen und im Gelegenheiten-Fenster des Fotohandels. Sicher ist dies ein Beweis für die treue Anhängerschaft der Vitessa-Fans.
Voigtländer entwickelte die Vitessa-Idee weiter und schuf mit dem Schwestermodell Vitessa T eine Kamera mit Wechselbajonett. Allerdings fiel die originelle Frontklappe der Wechselmöglichkeit zum Opfer, und darunter litt zweifellos auch die Kompaktheit. Der Braunschweiger Kamerahersteller bot neben dem bekannten Skopar 2,8/50 mm ein Weitwinkel Skoparet 3,4/35 mm und ein Dynaret 4,8/100 mm an. Der patente Turnit-Aufstecksucher signalisiert den jeweils richtigen Bildausschnitt. Die Preise für Vitessa-T-Kameras mit Standardobjektiv liegen trotz der größeren Vielseitigkeit dank Wechselbajonett circa 50 Mark niedriger als bei der Klapp-Vitessa, deren ausgeprägtere technische Originalität sich in stärkerer Nachfrage ausdrückt.
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