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Artikel
1997
Test & Technik
TTL-Blitzmessung ist das hervorragende Merkmal der neuen Praktica BX20.
Adieu M-42...
Nach rund 50 Jahren nimmt der VEB Pentacon Abschied vom einstigen Universal-Schraubanschluß M-42. Ab 1991 soll es damit vorbei sein. Die Dresdner setzen bei ihren Spiegelreflexkameras verstärkt auf Bajonett und Elektronik. Das neue Spitzenmodell heißt Praktica BX 20 und wartet mit der fortschrittlichen TTL-BIitzmessung auf und das für den "Kampfpreis" von nur 350 Mark. Ist die Kamera zu billig, um gut zu sein?
Das B in der Typenbezeichnung BX 20 der neuen Praktica ist nicht nur ein Buchstabe, sondern Programm. Es steht für Bajonett und markiert augenscheinlich den Wandel, der sich zur Zeit in den Konstruktionsbüros der Dresdner Pentacon vollzieht. Bajonett und moderne, zuverlässige Elektronik heißen die Zutaten der neuen Kamerageneration, die ab Ende nächsten Jahres nach einer langen Phase des Überganges - die altbewährten und mechanisch operierenden M-42-Kameras ablösen wird. Die Kombination M-42 galt jahrzehntelang als Synonym für den weltweit verbreiteten Universal-Schraubanschluß. Für die Marke Praktica war er ein Glaubensbekenntnis, Pentax verlieh ihm weltweite Anerkennung. Unter dem Namen Praktica zog er sich in eine enge ökonomische Nische zurück, in der ein Überleben der mechanischen M-42-Kameras aufgrund hoher Fertigungskosten auch unter sozialistischen Bedingungen unmöglich erscheint.
Die B-Generation bereitet sich schon ein Jahrzehnt lang auf die Nachfolge vor; das erste Modell hieß B-200 und erschien 1979. Ein langer Reifeprozeß mit immer weniger Kinderkrankheiten und immer mehr Zuverlässigkeit führte 1984 zur BC-1 und anläßlich der photokina 1988 zur BX 20. Die BC-1 gibt es nach wie vor, die neue Kamera baut auf deren bewährtem Grundkonzept auf. Das wichtigste Erscheinungsmerkmal ist die Blitzlichtinnenmessung auf der Filmebene. Der Auslöser - übrigens noch mechanisch und nicht elektromagnetisch, außerdem mit einem echten Drahtauslösergewinde versehen - wanderte in die Mitte des Verschlußzeitenknopfes. Seine Sperre gedieh zu einem breiten, griffigen Rändelring. Die Memory-Taste zur Meßwertspeicherung bei kontrastreichen Motiven oder Gegenlichtsituationen wanderte von der Kameraoberseite an die Frontseite. Das gleichzeitige Antippen von Auslöser und Meßwertspeicher bereitet dadurch weniger Mühe. Außerdem zeigt jetzt eine grüne Leuchtdiode am linken Sucherrand den aktivierten Meßwertspeicher an. Auch eine Belichtungskorrektur per Override von plus/minus zwei Belichtungswerten in viertel Blendenstufen meldet ein rotes LED-Signal In Sucher.
Wenig attraktiver Plastik-look
Anders, aber nicht besser als bei der BC-1, präsentiert sich das äußere Finish der Kamera. Die griffige Kunstlederarmierung der BC-1 wich auf der Vorderseite mattem Kunststoff, an der Rückwand wurde die alte Lösung beibehalten. Auch in der DDR ersetzt man Metall immer mehr durch Kunststoff, bei der BX 20 fällt dies unangenehm auf. Der gesamte Kamera-Body fühlt sich wie billiges Hartplastik an. Die stattliche "Masse" (Hersteller-Aussage) von 510 Gramm ohne Objektiv verheißt trotz der billigen Beplankung einen soliden Magnesium-Druckgußkern. Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Entriegelung des Verschlußzeitenknopfes. Sie ist mit einem weißen Index markiert, nach dem sich die Zeiteinstellung richtet.
Einfache Bedienung dank Zeitautomatik
Das Fotografieren mit der Praktica BX 20 gelingt auch ohne Studium der vorbildlichen Bedienungsanleitung sofort. Alle Bedienungshebel sind funktionell und logisch angeordnet. Das Sucherbild könnte brillanter sein, seine LED-Anzeigen gerieten jedoch aufgeräumt und übersichtlich. Selbst bei schlechten Lichtverhältnissen lassen sich dank der separaten Verschlußzeitengravur im Motivteil des Sucherbildes die von der Zeitautomatik gewählten Werte gut ablesen. Manchen Fotografen mögen die Zahlen stören, da sie ständig das Motiv am Rand begrenzen. Am linken Bildrand informiert die Kamera neben Memory- und Overridefunktion über Blitzbereitschaft und korrekte Blitzbelichtung bei Innenmessung mit einem systemkonformen Blitzgerät.
Eine Systemkamera zum Spottpreis
Mit dem sechslinsigen Standardobjektiv Prakticar 1,8/50 mm kostet die BX 20 gerade 350 Mark. Damit konkurriert sie preislich mit besseren Autofokus-Kompaktkameras, kann aber den Spiegelreflex-Vorteil der Anpassung an jeden fotografischen Zweck voll ausschöpfen. Galt schon das M-42-Zubehör von Praktica im Verhältnis zum Kamerapreis als ungewöhnlich vielseitig, so trifft dies auch für die BX 20 zu. Leistungsstarke und preiswerte Objektive mit Festbrennweiten von 20 bis 1000 mm charakterisieren das Angebot ebenso wie umfangreiches Zubehör für Nah- und Makroaufnahmen vom Balgengerät bis zum Winkelsucher.
Die Praktica BX 20 ist keine perfekte Spiegelreflexkamera, dafür ist der Spiegelschlag zu laut, das Sucherbild zu grau und das Finish zu sehr von Kunststoff geprägt, doch das ausgezeichnete Preis-Leistungsverhältnis tröstet über kleine Mängel hinweg. Die praktische Arbeit mit der Kamera und die ausgezeichnete Bildqualität lassen sie nach einiger Gewöhnung in positivem Licht erscheinen. Dem BX-20-Fotografen jedenfalls wird der mysteriöse Zusammenhang zwischen Zeit und Blende, den viele Benutzer sogenannter moderner Kameras erfolgreich verdrängt haben, schnell offenbar.
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