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1997
Sammlerkamera des Monats
Die Minolta CLE bietet Leica-Feeling zum halben Preis
Die Volks-Leica
Minoltas Image-Träger der frühen achtziger Jahre perfektionierte das Leica-Prinzip und war nur halb so teuer wie eine M 4-P aus Wetzlar. Trotzdem blieb der Verkaufserfolg aus. Erst heute besinnen sich Kameraliebhaber wieder auf die CLE. Die hohe Nachfrage vier Jahre nach Einstellung der Produktion läßt die Preise steigen.
Sie trug als erste Minolta das neue Firmenlogo und repräsentierte wie keine andere Kamera aus Osaka die Kameratrends der frühen achtziger Jahre: Die Minolta CLE war entsprechend der Mode ihrer Zeit klein, handlich und mit sinnvoller Elektronik verfeinert. Integrierte Schaltkreise und flexible Leiterplatten waren damals noch nicht zum Selbstzweck entartet, alles gab sich streng funktionsbetont, nach der Devise, den Fotografen zu entlasten, statt zu verwirren.
Trotz dieser unbestreitbaren Tugenden hatte die Kamera einen schweren Stand, wurde sie doch gewissermaßen von ihren Erbauern zwischen zwei Stühle plaziert. Auf der einen Seite konkurrierte die Meßsucher-Minolta mit der fortschrittlichen XD-7-Spiegelreflexkamera aus dem eigenen Hause, die ihre besseren Allround-Qualitäten in die Waagschale warf. Auf der anderen Seite machte ihr die Leica M 4-P das Leben schwer, galt doch die Kamera aus Wetzlar trotz ihrer konventionellen Technik als einzig wahre Vertreterin des urdeutschen Meßsucherprinzips.
Erst heute erfährt die Minolta CLE von vielen Fotografen und Kamerasammlern die Wertschätzung, die sie damals schon verdient hätte und die ihren kurzen Lebenszyklus von nur vier Jahren (1981 bis 1985) sicher verlängert hätte. Die Nachfrage ist weit größer als das Angebot, und ein Münchner Gebrauchtkamerahändler wünscht sich nichts mehr als einen großen Restposten neuwertiger CLEs, die er laut eigenem Bekunden viel schneller an den Mann bringen könnte, "als die seelenlose Massenware von heute". Eine CLE mit dem Standardobjektiv 2/40 mm kostet in sehr gutem Zustand etwa 1300 Mark; ein Komplett-Set mit dem Weitwinkel 2,8/28 mm, dem Teleobjektiv 4/90 mm und dem TTL-gesteuerten Kompaktblitz AutoCLE bringt es auf 2500 Mark als höchstes Gebot. Damit werden die Verkaufspreise von 1985 bereits deutlich übertroffen.
Was macht denn eigentlich den spezifischen Reiz der CLE aus? Schließlich ist sie weder eine Rarität noch eine Antiquität und schon gar kein technischer Meilenstein in der Kamerageschichte. Ihre Stärken liegen in der Konzentration auf das Wesentliche und in der Kompaktheit. Selbst ein CLE-Komplett-Set mit drei Objektiven und Blitzgerät paßt bequem in jede Reisetasche und erschließt Möglichkeiten, die sonst nur einer doppelt so voluminösen Spiegelreflex-Ausrüstung vorbehalten sind.
Der Leica um einige Schritte voraus
Der samtweiche Minolta-TouchSwitch-Auslöser aktiviert elektromagnetisch den elektronisch gesteuerten Schlitzverschluß. Dies geschieht beinahe so leise wie bei der Leica M 4-R Der zeitgenössischen Konkurrentin hatte sie nicht nur die Zeitautomatik nach Blendenvorwahl und die integrierte Belichtungsmessung voraus. Korrekt belichtete Blitzaufnahmen waren dank TTL-Blitzmessung auf der Filmebene kein Problem. Für die perfekte Belichtung der Dauerlichtaufnahmen sorgt ein aufwendiges Prinzip, das ehemals von Minolta entwickelt und dann an Olympus verkauft wurde, wo es als autodynamisches Meßsystem seinen Einzug in die Fototechnik hielt. Mit der CLE kam es zurück zum Erfinder. Bei Verschlußzeiten, die länger dauern als 1/60 Sekunde, mißt die Kamera das Licht auf dem ersten Verschlußtuch, das ein Reflexmuster trägt, welches aus der Lichtverteilung zehntausender typischer Motive errechnet wurde. Bei längeren Zeiten wird sogar direkt auf der Filmebene gemessen. Canon griff das Real-Time-Prinzip mit der EOS RT wieder auf. Mit dem Mischbild-Entfernungsmesser kann der Fotograf sein Motiv leicht und präzise auch bei schlechten Lichtverhältnissen fokussieren.
Die Verwandtschaft zwischen der Leica und der CLE kommt nicht von ungefähr. Sie beruht auf einem Kooperationsvertrag zwischen Leitz und Minolta, der Mitte der siebziger Jahre zur Leica CL führte. Die beiden Buchstaben stehen für "Compact Leica". Die CL wurde bei Minolta in Japan gebaut, war noch rein mechanisch und konnte ebenfalls mit Wechselobjektiven 40 und 90 mm ausgerüstet werden. Auf anderen Märkten hieß sie Minolta CL; sie gilt als direkte Vorgängerin der CLE, in den Gehäuseabmessungen und bei der Konzeption wird dies deutlich. Auch die CL war wegen ihres hohen Preises kein Erfolg. Heute, im Zeitalter der Fotocomputer, stünden die Chancen für eine so praxisgerechte und handliche Kamera bedeutend günstiger auch wenn sie so teuer wäre, wie die CLE es war, zumal die 1000-Mark-Grenze bereits von vielen Massenmodellen überschritten wird. Die CLE verkörpert den Reiz des Besonderen, gepaart mit vorbildlicher Funktionalität.
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