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Artikel

1997

Test & Technik

Welche Kamera ist die beste?

COLOR FOTO-Mitarbeiter sagen, welche Kamera sie heute kaufen würden.

Welche Kamera würden Sie kaufen, wenn Sie sich heute entscheiden müßten? Diese Frage stellte die COLOR FOTO-Redaktion ihren Mitarbeitern. Das Ergebnis war verblüffend. So unterschiedlich die Charaktere, so verschieden waren auch die Vorstellungen vom optimalen Aufnahmegerät. Für jeden einzelnen war die Entscheidung ein Kompromiß, doch waren die Prioritäten, die jeder setzte, ganz verschieden. Lesen Sie, wer welche Kamera am meisten schätzt.

Ralph Hagenauer, Leiter COLOR FOTO-Fotoschule: Leica R 6

Für mich steht bei der Wahl einer Kamera die Bildqualität im Vordergrund. Da ich als Berufsfotograf AV-Diaschauen für Industrieunternehmen produziere, bin ich auf Objektive mit höchster Auflösung angewiesen, wie sie zum Beispiel Apo-Objektive liefern. Weiterhin vertraue ich aus Erfahrung der Mechanik mehr und sträube mich, Entscheidungen der Elektronik einer Kamera zu überlassen. Da ich mir für meine Aufnahmen Zeit lasse, um die Schärfe dahin zu legen, wo ich sie auch haben will, spielt Autofokus für mich nur eine untergeordnete Rolle. Ich befürchte, daß durch zuviel elektronischen Schnickschnack das Gefühl für die Bildgestaltung verlorengeht.
Bei der R 6 brauche ich nur Blende und Zeit einzustellen. Das geht mit der Lichtwaage im Sucher sehr schnell. Außerdem besitzt sie eine hervorragende Selektivmessung, die ich ausschließlich einsetze. Weitere Argumente sind die Batterieunabhängigkeit und ihre Unanfälligkeit gegen Luftfeuchtigkeit, Kälte oder Hitze. Sie ist robust und besitzt eine lange Lebensdauer. Außerdem tut die Kamera das, was ich will, ohne daß ich dazu ein Computerfachmann sein muß. Auch wenn ich mir die Leica R 6 sofort wieder kaufen würde, habe ich noch einen unerfüllten Wunsch: die automatische Rückspulmöglichkeit des Films per Winder.

Alf Cremers, Ressortleiter Beratung: Rolleiflex 3003

Meine Wahl fällt auf die Rolleiflex 3003, weil sie in Konzept und Design einzigartig ist. Für mich verkörpert sie die gelungene Synthese zwischen Kleinbild und Mittelformatkamera. Dank ihrer Wechselmagazine kann ich auch zwischendurch einmal den Film wechseln. Der Lichtschachtsucher erlaubt es mir, unauffällig zu fotografieren, ohne die Kamera ans Auge zu nehmen. Außerdem ist die Rolleiflex 3003 eine hervorragend ausgestattete Kamera, die vieles serienmäßig hat, was man bei anderen dazukaufen muß. Für rund 2 600 DM bekommt der Rollei-Käufer einen eingebauten Motor, einen zweiten Sucher, einen Dioptrienausgleich mit wirklich großzügigem Verstellbereich, ein hervorragendes Standardobjektiv Planar 1,4/50 mm, drei Auslöser und nicht zuletzt einen preiswerten und umweltfreundlichen Betrieb dank Akkus.
Eine TTL-Blitzsteuerung macht das Blitzen sicher, sie ist mir wichtiger als eine Dreifach-Programmautomatik oder sonstige technische Spielereien, mit denen moderne Autofokus-Spiegelreflexkameras aufwarten. Dafür gibt es bei der Rolleiflex 3003 noch eine Abblendtaste, mit deren Hilfe sich das wichtige Gestaltungsmittel Schärfentiefe kontrollieren läßt. Kurzum, die Rolleiflex bietet wirklich sinnvolle Technik und hohe Individualität zu einem akzeptablen Preis.

Alexander Borell, COLOR FOTO-Autor Test und Technik

Ich bin extrem neugierig, und Wenn ich etwas genau kenne, wird es mir langweilig. Ich wechsle daher meine Kameras samt Objektiven öfters, und dann geht es mir wie einer guten Mutter mehrerer Kinder, die stets dasjenige am meisten liebt, das gerade bei ihr ist.
Augenblicklich genieße ich die Minolta 8000i, wie ich vor Jahren die 7000i genossen habe. Beide sind einfach und können alles, was man als engagierter Fotograf braucht. Dann aber nehme ich wieder die Canon EOS-1 zur Hand, finde sie einmalig, bis mir die EOS RT als leiseste SLR-Kamera noch besser gefällt. Irgendwann greife ich mir meine Nikon F 4 und bin davon überzeugt, nie mehr mit einer anderen Kamera zu fotografieren. Aber da steht noch die Leica M 6 im Regal; ich stecke mir dazu zwei Brennweiten ein (35 und 90 Millimeter) und kann gar nicht mehr verstehen, daß ich mich jemals mit einer schweren Spiegelreflex und langbrennweitigen Objektiven abgequält habe. Dann aber juckt der Makrobereich, das SLR-Vergnügen fängt von vorne an, und die Minolta scheint mir, verglichen mit der Leica, eine wahre Offenbarung zu sein. Zwischendurch nehme ich die kleine kompakte Olympus AF-1 twin mit und finde, daß sie ebenso gute Aufnahmen macht wie alle anderen. Sie können mich trotzdem weiter nach "meiner" Kamera fragen!

Matthias Zipfel, stellvertretender Chefredakteur: Nikon F4

Da ich bereits eine umfangreiche Nikon-Ausrüstung besitze und mich nicht nur an Kamera und Objektive gewöhnt habe, sondern auch von ihrer Qualität überzeugt bin, würde ich spontan die Ausrüstung nach oben hin erweitern und mir die Nikon F4 kaufen. Ich halte sie für die Traumkamera der Profis schlechthin. Die Möglichkeit, meine alten, manuell scharfzustellenden Objektive weiterhin verwenden zu können und gleichzeitig für schnelle Action-Aufnahmen Autofokus einzusetzen, macht mir die Entscheidung leicht.
Auch die Tatsache, daß die Nikon F4 mit ihren Einstellrädern in der Bedienung herkömmlichen Kameras ähnelt und somit den Aufstieg leicht macht, erhöht meine Sympathie für Nikons Topmodell.
Weil ich keine Spezialisierung in einer bestimmten Richtung habe, kommt mir die Ausbaufähigkeit des modularen Systems der Nikon F4 sehr entgegen. Welches fotografische Aufgabengebiet mir auch irgendwann einmal vorschweben sollte - die F4 ließe sich problemlos anpassen. Sie ist die einzige unter den modernen Top-Kameras mit auswechselbaren Suchersystemen. Sie besitzt das umfangreichste Objektivprogramm und ist die weltweit von Berufsfotografen am häufigsten eingesetzte Autofokuskamera. Wenn ich sie aber selbst bezahlen müßte. . . ?

Herbert Kaspar, COLOR FOTO-Mitarbeiter: EOS-1

Welche Kamera würden Sie kaufen, wenn Sie sich heute entscheiden müßten?" fragte mich Heiner Henninges. Es gibt einige Kameras, die ich nicht ungern in meinem Besitz hätte. Da ist zum Beispiel die Olympus OM-4 Ti. Klein. Leicht. Klassisches Design. Kein Mäusekino obendrauf, keine Drucktasten, genau so viel Automatik, wie man braucht. Und dann das Belichtungsmeßsystem: Integral-, Spot-, Multispotmessung. HiLight-Control, Shadow-Control. Was will man mehr?
Oder wäre die Yashica 230 AF nicht auch eine gute Wahl? Oft unterschätzt, mit einem zuverlässigen Autofokus inklusive Schärfenfalle, die wichtigen Automatiken zur Wahl (man ist ja nicht gezwungen, sie einzusetzen), eingebauter Motor für den schnellen Nachschuß. Dazu die beiden Normtest-ausgezeichneten Zooms 28-85 mm und 75-300 mm - eine tolle Ausrüstung, der niemand ansieht, was drinsteckt. An den Preis denke ich einmal nicht.
Und da gibt es noch eine Kamera, die mit ihrem Anschaffungspreis von über 3000 DM eigentlich jenseits von gut und Böse ist. Aber wenn wir so tun. . . Die Rede ist von der Canon EOS-1, dem bulligen, schweren Flaggschiff der Canon-EOS-Serie, das dank Handgriff und Belederung in der Hand liegt wie hineingewachsen und das (bis auf den feststehenden Spiegel der Canon EOS-RT) alles bietet, was ich ab und zu brauche, zum Beispiel die Blitzbuchse für die kleine Blitzanlage, oder was ich irgendwann einmal brauchen könnte. Der Autofokus ist schnell und präzise, die Varianten der Belichtungsmessung reichen für alle denkbaren Motive, die Belichtungssteuerung stellt zur Wahl, was immer man braucht, der Motor läßt nicht zu, daß man ein Motiv verpaßt. Dazu die kleinen Extras: mit custom-functions die Kamera auf Maß schneidern, Abblendtaste, Mehrfachbelichtungen. Und der Clou: das Korrektureinstellrad auf der Rückwand, das jede Belichtungssituation in Sekundenbruchteilen beherrschbar macht und mit einer übersichtlichen Anzeige gekoppelt ist. Die Canon EOS-1 ist mein Favorit. Wenn nur das Geld nicht doch eine Rolle spielen würde.

Heiner Henninges, Ressortleiter Test und Technik: Leica R 5

Die Kamera, die alle Ausstattungsmerkmale, die ich mir wünsche, besitzt, gibt es bis heute nicht - obwohl alle in unterschiedlichen Geräten bereits realisiert worden sind. Was ich mir wünsche, ist eine kompakte Kamera mit leichten, kleinen Objektiven, wie die Olympus OM-4 Ti. Natürlich müßte die Qualität dem Leica-Niveau entsprechen. Selektivmessung ist für mich ein Muß. Mehrfeldbelichtungsmessung auch für Blitzlicht wäre zusätzlich eine schöne Sache. Vor allem programmierbare Blitzautomatiken, wie sie die Minolta 8000i bietet, faszinieren mich. Allerdings müßte hier ein starker Systemblitz mit einer Leitzahl von etwa 40 bis 60 zur Verfügung stehen. 1/750 Sekunde Blitzsynchronzeit oder sogar noch schneller müßte ebenfalls her. Flüsterleiser, blitzschneller Autofokus wie bei den Canon EOS-USM-Objektiven und ein großes, auf Punktmessung umzuschaltendes AF-Meßfeld gehören ebenso dazu. Das AF-System müßte auch zuverlässig bei schlechtem Licht und bei sehr schnell bewegten Objekten funktionieren. Alle Funktionen müssen einfach einstellbar sein. Die wichtigsten müßten sich programmieren lassen, ohne daß ich die Kamera vom Auge nehme. Zuverlässigkeit, Robustheit und hohe Lebensdauer sind für mich ebenfalls wichtige Kriterien.
Da es keine Kamera gibt, die all dies in sich vereinigt, würde ich eine Kamera kaufen, die auf den ersten Blick vielleicht die wenigsten der genannten Wünsche erfüllt, doch nach der Gewichtung meiner Anforderungen mir in der heutigen Situation als der beste Kompromiß erscheint: die Leica R 5. Sie ist leicht, bietet sensationell gute Objektive, besitzt Selektiv- und Integralmessung, arbeitet nach meiner Erfahrung sehr zuverlässig und ist vor allen Dingen einfach zu bedienen. Da ich hauptsächlich auf meinen Reisen fotografiere und mir dabei möglichst viel Zeit lasse, kann ich auf Autofokus noch verzichten. Sollte es in Zukunft eine professionelle AF-Kamera mit den Vorzügen einer Leica geben, werde ich mir diese kaufen. Die Leica R 5 wird mir der Händler dann wohl sehr gern in Zahlung nehmen.

Michael Wehner, Redakteur Magazin, plädiert für einen letzten Ausweg: 

Die Nullösung -fotografieren statt kaufen

Welche Kamera kaufen? Diese Frage trifft bei mir auf eine offene Wunde. Von jemandem, der sich überwiegend mit Bildern befaßt, kaum aber mit ihrer technischen Herstellung, sollte man vielleicht mehr Abgeklärtheit erwarten, aber ich sage es Ihnen, wie es ist. Mich plagt eine Leiche. Seit drei Jahren schlummert das Ding schon in meiner Fototasche und lastet auf meinem Gewissen. Ein High-Tech-Fotoverhinderer. Mit seinen schätzungsweise 30 Automatiken verdient es eher den Namen Computer als den einer Kamera. Und wie es bei einem Computer so ist - wenn der Reiz der technischen Neuheit einmal verflogen ist, steht er unnütz in der Ecke, weil man die Haushaltsabrechnung eben doch zehnmal schneller auf Papier erledigt als auf dem Bildschirm. Nun will ich den zunehmenden Verfall meiner fotografischen Moral nicht nur meiner Übertechnisierung zuschreiben, doch ich erinnere mich noch genau, wie ich damals, meine "alte und ach so primitive Ausrüstung' geringschätzend, von unwiderstehlichen Kräften angezogen, um jedes Fotoschaufenster herumgeschlichen bin, blind-verliebt das Designer-Design meiner Möchtegern-Anschaffung gestreichelt habe, bis ich den Schritt schließlich wagte und das Elektronik-Monster mit nach Hause schleppte.
Muß ich noch erwähnen, daß meine fotografischen Leistungen sich durch diesen Kauf in keiner Weise verbessert haben? Weder quantitativ noch qualitativ. Im Gegenteil: Noch heute drehe ich manchmal ratlos am Rädchen und überlege angespannt, welche der neun Programmautomatiken zu wählen ist, während das Motiv gerade dabei ist, sich zu verabschieden. Technik, die zum Selbstzweck wird, führt zwangsläufig ins kreative Aus. Wer fotografieren will, sollte fotografieren, sonst nichts! Deswegen bin ich für die Nullösung. Ich würde mir zur Zeit keine Kamera kaufen und das Geld statt dessen für eine Fotoreise sparen.

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