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Artikel
1997
Spezial Mittelformat
Nordische Kombination
Vergleich: Hasselblad 2003 FCW und Rolleiflex SL66SE
Bis auf die Zenza Bronica SQ-A ist das klassische Mittelformat bei einäugigen Spiegelreflexkameras mit Wechselmagazin fest in den Händen von Hasselblad und Rollei. Hasselblad steht in dem Ruf, Tradition und Kompatibilität höher zu bewerten als den technischen Fortschritt, der bei Rollei immer eine besondere Rolle spielte. Werden Hasselblad 2003 FCW und Rolleiflex SL 66 SE ihrem Markenimage gerecht?
Schon früh erkannte der Hobbyornithologe und Kamerapionier Victor Hasselblad, daß eine Mittelformatkamera mit Wechselmagazin und Wechselsucher die besten Chancen haben würde, die Lücke zwischen Kleinbild und Großformat erfolgreich zu schließen. Entsprechend begeistert wurde seine erste Kamera, die 1600 F, 1948 bei der Präsentation in einem New Yorker Hotel von den Journalisten aufgenommen. Sie besaß genauso wie ihre Nachfolgerin 1000 F einen Schlitzverschluß, der aber technische Probleme aufwarf und bei der in Mode und Gesellschaft überwiegenden Blitzfotografie wegen der langen Synchronisationszeit nicht die optimale Lösung war. Bei der 500 C von 1957 setzte Victor Hasselblad auf den Zentralverschluß, und erst 20 Jahre später, im Jahre 1977, sollte es wieder eine Hasselblad mit Schlitzverschluß geben. Rollei griff das Hasselblad-Konzept erst sehr spät auf - nach Jahrzehnten der Zweiäugigen-Monokultur.
Auf der photokina 1966 präsentierten die Braunschweiger endlich eine Mittelformatkamera mit Schlitzverschluß, Wechselobjektiven und ein paar Finessen, die die Schweden nicht hatten. Der Clou der SL 66 war und ist der eingebaute Balgen, der ohne Zubehör Nahaufnahmen bis zum Abbildungsmaßstab 1,56:1 erlaubt, wenn das Objektiv in Retrostellung, also verkehrt herum angesetzt wird. Außerdem läßt sich der Balgen um jeweils acht Grad nach oben und unten schwenken, wodurch die in fotografischen Lehrbüchern so oft strapazierte Scheimpflugsche Regel in die Praxis umgesetzt wird. Die Folge des Schwenkens ist eine Dehnung der Schärfentiefe im Nahbereich, eine Wirkung, die sonst nur mit Großbildkameras erzielt werden kann.
Rollei versuchte die SL 66 mit allen Mitteln zu einer besseren Kamera zu machen als die der Konkurrenz aus Schweden. Die Braunschweiger Konstrukteure lösten geschickt das leidige Problem "Wohin mit dem Magazinschieber?", indem sie einfach einen kleinen Aufnahmeschacht für das verlustgefährdete Blechteil an der Rückwand des Magazins vorsahen.
Rollei-Objektive ohne Schneckengang
Auch die Objektivpalette der ersten Rollei-Kamera mit Wechselbajonett geriet recht breit. Vom Fisheye bis zum 1000-Millimeter-Supertele ist inklusive Makro- und Zentralverschlußobjektiv alles zu haben. Bei den Objektiven verzichtete man auf Verschluß und Schneckengang. Scharfeinstellung und zeitliche Lichtdosierung finden im Kameragehäuse statt. Mit diesen Ausstattungsmerkmalen ist die Rolleiflex SL 66 noch heute anders als alle anderen Kameras im Mittelformat. Konsequente Modellpflege erweiterte allerdings die Modellpalette. Zur photokina 1982 erschien die SL 66 E mit TTL-Blitzsteuerung und in das Gehäuse integrierter Belichtungsmessung. Vier Jahre später gesellte sich bei der Rolleiflex SL 66 SE eine Spotmessung hinzu. Der Fotograf kann nun zwischen Integral- und Spotmessung wählen. Fürs Studio entwickelten die Braunschweiger eine Version SL 66 X ohne Belichtungsmessung, aber mit Blitzlichtmessung auf der Filmoberfläche. Die Meßelektronik ist in das Gehäuse eingebaut.
Nach zwanzigjähriger Schlitzverschluß-Abstinenz brachte Hasselblad 1977 die 2000 FC heraus. Sie leitete die bislang größte technische Revolution in der Geschichte des Göteborger Hauses ein. Der Schlitzverschluß und dessen elektronische Steuerung bedeuteten eine Abkehr von bisherigen Prinzipien - ohne die Kompatibilität zum bisherigen System aufzugeben, denn mit den Zentralverschluß-Objektiven C und CF von Carl Zeiss funktionieren die 2000 FC und auch deren Nachfolgerinnen 2000 FC/M, 2000 FCW und 2003 FCW wie mechanische Kameras. Andererseits kann der Verschluß bei den C- und CF-Objektiven auch entkoppelt werden, wodurch die schnellen Verschlußzeiten von 1/1000 und 1/2000 Sekunde ermöglicht werden. Die Konstruktion der 2000-F-Modelle ermöglicht besonders lichtstarke Objektive. Bemerkenswert ist zum Beispiel das Planar 2/110 mm, das lichtstärkste Mittelformatobjektiv überhaupt.
Abgesehen von diesem Superlativ warten auch die anderen F-Objektive mit einer für Mittelformat-Verhältnisse sehr hohen Lichtstärke auf. Das Weitwinkelobjektiv hat die imponierenden Daten 2,8/50 mm und ist damit eine volle Blende schneller als üblich. Das Sonnar 150 mm besitzt ebenfalls die größte relative Öffnung von 1:2,8, das 250er Tele-Tessar bringt es auf 1:4, und das - allerdings sehr teure - Tele-Tessar 4/350 mm erreicht die Lichtöffnung hochwertiger Kleinbildobjektive. F-Objektivlücken können dank der Hasselbladtypischen Kompatibilität mit CF-Objektiven gefüllt werden.
Die Hasselblad ist handlicher
Nimmt man beide Kameras nacheinander zum Fotografieren, so verblüfft die Handlichkeit der Hasselblad. Die vielen Ausstattungsfinessen der Rolleiflex SL 66 SE fordern ihren Tribut in der ausladenden Form und im hohen Gewicht. Im Studio mag das keine Rolle spielen, doch als Fieldkamera wirkt die Hasselblad wesentlich sympathischer. Störend macht sich bei der Rollei der schräg angebrachte Auslöser bemerkbar. Er dient auch dazu, das Belichtungsmeßsystem einzuschalten, was über den Leuchtdiodenabgleich im Sucher signalisiert wird. Sein Weg ist deshalb lang, und man hat trotz der schweren Kamera ein etwas diffuses Auslösegefühl. Spiegelschlag und Verschlußgeräusch tönen bei der Hasselblad laut und kernig, hier macht die Rollei einen gepflegteren Eindruck. Die integrierte Belichtungsmessung der SL 66 SE erweist sich als großer Vorteil, gerade wegen der Umschaltbarkeit von Integral- auf Spotmessung. Auch eine Belichtungskorrektur in halben Blendenstufen bis plus/minus zwei Lichtwerte ist möglich. Bei solchem Meßkomfort greift man wohl kaum auf einen separaten Handbelichtungsmesser zurück. Seitdem die Acute-Matte-Einstellscheiben nach dem Minolta-Prinzip in die Hasselblad-Modelle Einzug gehalten haben, ist das Sucherbild so hell, wie man es schon immer gern gehabt hätte.
Für die stets auf Perfektion bedachten Kamerakonstrukteure aus Göteborg wirkt die Motorisierung der 2003 FCW mittels ansetzbarem Winder etwas improvisiert. Dieser Hilfsmotor transportiert mit einer Frequenz von 1,3 Bildern pro Sekunde. Rollei bietet allerdings für die SL-66-Modelle keinen Winder an. Dafür glänzt die Kamera mit einem besonders günstigen Verhältnis von Leistung und Preis. Immerhin kostet eine Hasselblad 2003 FCW mit CF-Planar 2,8/80 mm rund 7 000 Mark, während die Grundausstattung bei der Rollei nur mit 5500 Mark zu Buche schlägt. Die umfangreichen fotografischen Möglichkeiten, die sich bereits in der Standardausrüstung mit der Rolleiflex realisieren lassen, wiegen die in einigen Details schlechtere Funktionalität und die nur mäßige Handlichkeit mehr als auf, und wer immer noch zweifelt, dem möge der Preis bei der Wahl auf die Sprünge helfen.
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