← Zurück
Artikel
1997
Test & Technik
Hasselblad 205 TCC und das Zonensvstem
Zonenklar
Aus dem high-technologischen Dornröschenschlaf erwacht, versucht Hasselblad mit der 205 TCC, sich selbst und den Mittelformat-Markt zu beleben. Ton- und Kontrastkontrolle heißt das Zauberwort, und während die eingefleischten Zonenfotografen heute noch mit Laufbodenkamera und Spotbelichtungsmesser arbeiten, hat Hasselblad das Zonensystem digitalisiert und automatisiert.
Die "totale Kontrolle über das Tonspektrum und die Kontrastbedingungen des Motivs" verspricht Hasselblad mit der neuen 205 TCC und wendet sich an die anspruchsvollen Fotografen: Die 205 TCC "ist die technische Ergänzung Ihrer Augen und Ihres Gehirns. Sie erweitert Ihre bildgestalterischen Ambitionen perfekt und gewährleistet die bestmöglichen Endergebnisse". Die Fachpresse zelebrierte fast euphorisch die "Neue" aus Göteborg: "der eingebaute Ansel Adams", "genaueste Spotmessung der Welt" usw. Der hohe Verkaufspreis des neuen Flaggschiffs erschien gerechtfertigt, und noch höher als der Preis waren die Erwartungen, die durch die Zonenmeßfunktion geweckt wurden. So weit, so gut. Doch die Kontrolle über Kontrast und Tonwerte ist nur möglich, wenn Belichtung, Filmentwicklung und Vergrößerung geeicht und aufeinander abgestimmt sind. Belichtungsmessung, Verschlußsteuerung, Konstruktion der Entwicklungsdose (Strömungen), pH-Wert des Wassers sind nur einige unter den vielen Faktoren, die bei der Kalibrierung berücksichtigt werden müssen. Diese Arbeiten werden von keinem Fachlabor erledigt, so daß der Zonenfotograf die zeitaufwendige Kalibrierung selbst vornehmen muß. Von der anschließenden Verarbeitung ganz zu schweigen: Der Schweizer Peter Gasser, wohl der bekannteste und technisch versierteste Zonenfotograf in Europa, benötigt mindestens einen Arbeitstag für eine einzige Vergrößerung. Nur auf diesem Weg ist eine umfassende Kontrolle und Steuerung des Kontrastes und der Tonwerte möglich. Alle anderen vereinfachten und vereinfachenden Verfahren der Kontraststeuerung bieten lediglich mehr oder minder geglückte Kompromißlösungen an, niemals aber die "totale Kontrolle". Um so gespannter waren wir auf die Begegnung mit der Zonenmeßfunktion der Hasselblad 205 TCC.
Automatisierung des Zonensystems
In der Zonenmeßfunktion ist die Hasselblad 205 TCC ein Zeitautomat. Das ist im Zonensystem zumindest ungewöhnlich. Sicherlich wird so mancher Fotograf dies in der Praxis als Arbeitserleichterung empfinden, während die Puristen die Stirn runzeln werden. Wie dem auch sei, Hasselblad empfiehlt in der Zonenmeßfunktion folgende Vorgehensweise:
1. Die Filmempfindlichkeit einstellen;
2. Blende vorwählen;
3. Spotmessung einer wichtigen Motivstelle, die immer in Zone V erscheint;
4. Plazierung des Meßwertes in die gewünschte Zone;
5. Messung des Motivkontrasts; 6. Gegebenenfalls Entwicklungskorrektur über den Kontrastwahlschalter eingeben;
7. Druckpunkt am Auslöser nehmen, um die Blende und die automatisch gebildete Verschlußzeit zu kontrollieren und eventuell zu verändern;
8. Auslöser ganz durchdrücken. Diese Methode läßt sich in der Praxis im allgemeinen gut anwenden, doch bei akkurater Arbeitsweise, die allein die bestmögliche Ton- und Kontrastkontrolle ermöglicht, sind einige Aspekte problematisch:
Der Meßwinkel der 205 TCC beträgt bei Brennweite 80 Millimeter 4xGRADx und bei 50 Millimeter 7xGRADx. Das kommt einer Selektivmessung näher als einer Spotmessung. Der Meßkreis ist für schmale oder kleine Motivpartien zu groß, was die Genauigkeit der Zonenmessung in Viertelstufen relativiert. Zwar behaupten einige Verfechter abgewandelter Zonensystem-Methoden, man könne auch mit Integralmessung ordentlich arbeiten, doch mit einem externen 1xGRADx-Spotbelichtungsmesser kann man die Motive gezielter abmessen und somit die Zonen genauer plazieren.
Besonders geeignet sind der Spotmeter V und der Digitalspotmeter von Pentax sowie der Digital Spot Sensor von Soligor. Sie sind einfach zu bedienen und bieten den genauen Überblick über alle Zeit-Blenden-Kombinationen. Allerdings muß man sich selbst einen Zonenaufkleber basteln, wie es seinerzeit Ansel Adams tat. Schade, daß beispielsweise Pentax es in über zwanzig Jahren nicht geschafft hat, eine Zonenmarkierung auf die Spotmeter anzubringen, oder zumindest die Aufkleber mitzuliefern. Der Gossen Spot-Master hat bekanntlich eine spezielle Zonenfunktion und eignet sich ebenfalls gut für die Zonenmessung. Allerdings bemängeln wir, daß immer in eine andere Funktion umgeschaltet werden muß, um die Belichtungsdaten abzulesen.
Die Belichtungsmessung nach dem Zonensystem ist mit der 205 TCC etwas umständlich. Es empfiehlt sich, wie auch im Anleitungs-Video zu sehen, die Kamera auf einem Stativ mit Kugelkopf zu befestigen und von dort aus die Messungen vorzunehmen. Der Spotmesser darf nämlich nicht bewegt werden, wenn die Richtzone mit einem der Einstellknöpfe plaziert wird. Freihandaufnahmen sind somit kaum möglich. Das Motiv vom Stativ aus abzutasten, ist eine recht müßige Angelegenheit. Je nach Kamerastandpunkt sind Verrenkungen nicht auszuschließen. Außerdem irritiert die kontinuierliche Lichtmessung etwas, die auf kleinste Schwankungen reagiert: Andauernd erscheinen andere Meßwerte auf dem Display, die das Auge ermüden und den Fotografen verunsichern. Außerdem kann die Kamera erst nach erfolgter Messung für die Aufnahme ausgerichtet werden.
In der Zonenfunktion wird die von der Kamera berechnete Verschlußzeit automatisch gebildet und kann jederzeit abgelesen werden. Allerdings wird die Zeit letztendlich in Abhängigkeit von der geplanten Entwicklung eingestellt, und das kann bei genauer Kalibrierung irreführend sein. Die tatsächliche Filmempfindlichkeit wird nämlich auch durch die Entwicklungsart (N-2, N- I usw.) beeinflußt. Über den Filmkontrastwahlschalter am TCC-Magazin muß gegebenenfalls eine Belichtungskorrektur eingegeben werden. Der Belichtungskorrektur liegt ein Mittelwert zugrunde. Die Filmempfindlichkeit verändert sich aber je nach Filmentwickler-Kombination oft in ungleichen Schritten, so daß der Mittelwert einer genauen Arbeitweise nicht gerade entgegenkommt.
Die effektive Empfindlichkeit der Schwarzweißemulsionen liegt im Zonensystem unterhalb der nominalen Empfindlichkeit, weil die Industrienorm den Tonwert, der Zone I entspricht, bei einer Dichte von 0,10 über dem Grundschleier ansiedelt, während im Zonensystem dieser Wert mit 0,12 bis 0,15 angegeben wird. Eine bessere Schattendurchzeichnung, aber auch ein Verlust an Empfindlichkeit sind die Folge. Bei kleiner Blendenöffnung, nicht gerade idealen Lichtbedingungen und beispielsweise verkürzter Entwicklung müssen oft Verschlußzeiten gewählt werden, bei denen sich der Schwarzschild-Effekt bemerkbar macht. Zu seinen unangenehmen Eigenschaften zählt auch, daß er in den Schatten wirksamer ist als in den Lichtern. Das muß durch eine verkürzte Entwicklung (N- 1, N-2, N-3) ausgeglichen werden. Die Schwarzschild-Ausgleichsentwicklung muß zur geplanten kontrastverändernden Entwicklung addiert werden.
Ein Beispiel: Kontrastverändernde Entwicklung N+1, dann Schwarzschild-Ausgleichsentwicklung N-2 und endgültige Entwicklung N-1
Hätten wir in diesem Beispiel am Kontrastwahlschalter der 205 TCC eine N+1-Korrektur eingegeben, ohne die Schwarzschild-Ausgleichsentwicklung zu berücksichtigen, wäre ein um zwei Stufen überentwickelter Film das Ergebnis unserer Bemühungen gewesen. Das wird dem Fotografen weder im Zonenhandbuch noch im Zonen-Video gesagt.
Weitverbreitet ist die Annahme, man könne dank hochwertiger Objektive und moderner Filmemulsionen 6x6-Negative, die nach dem Zonensystem belichtet wurden, beliebig vergrößern. Das ist ein Trugschluß: Bei der Wahl des Negativformats ist im Zonensystem vom angestrebten Vergrößerungsmaßstab auszugehen. Der bekannte Schweizer Zonenfotograf Peter Gasser setzt die Formatgrenzen für qualitativ hochwertige Vergrößerungen wie folgt an: Kleinbild: bis 10x15 Zentimeter; Mittelformat: bis 24x30 Zentimeter; Großformat 8x10 Inch: bis 40x50 Zentimeter.
Ein größerer Vergrößerungsmaßstab kann, besonders in Verbindung mit verlängerter Entwicklung so manchen Abzug zur "Kiesgrube" werden lassen. Moderne Emulsionen mit neuen Kristalltechnologien haben zwar feineres Korn, doch lassen sich die Tonwerte nicht so gut steuern wie bei den älteren. Kodaks Tri-X soll beispielsweise für die Arbeit nach dem Zonensystem geeigneter sein als T-Max 400, der, wie wir selbst feststellen konnten, nicht so einfach zu "bändigen" ist.
Spezielle Filme, wie der Technical Pan, erlauben wesentlich größere, kornlose Papierabzüge, doch die Tonwerte werden, mit Ausnahme bestimmter Hauttöne, nicht immer nach Wunsch wiedergegeben.
Kunterbunt
Besondere Bedeutung mißt Hasselblad der Zonenmeßfunktion bei der Belichtung von Farbdiafilmen zu. Diese Anwendungsmöglichkeit wird im Zonenhandbuch beschrieben, im Zonen-Video gezeigt und zudem in einem extra zu diesem Zweck von Ernst Wildi verfaßten Artikel erläutert. In Fachzeitschriften und -büchern liest man weitere Plädoyers
für dieses Verfahren, das aber dennoch umstritten bleibt.
Selbstverständlich lassen sich verschiedene Farben den verschiedenen Zonen zuordnen. Auch eine Vorbelichtung auf Zone II läßt sich problemlos machen - allerdings genauso unproblematisch auch ohne Zonensystem. Die Kontraststeuerung erschöpft sich im Grunde in einer gewöhnlichen Vorbelichtung. Weitere Eingriffe in die Kontrastwiedergabe, wie die Bestimmung der Belichtung und Entwicklung in Abhängigkeit vom Objektumfang, sind somit nicht möglich. Von daher kommt es der Sache näher, bei der Vorbelichtung von Gradationsbeugung als von angewandtem Zonensystem zu sprechen.
Guter Kompromiß
Die Zonenmeßfunktion der 205 TCC ist alles in allem dennoch ein guter Kompromiß zwischen dem klassischen Zonensystem und den oft zweifelhaften Versuchen, dieses System zu "optimieren". Die "komplette Ton- und Kontrastkontrolle", die nur bei akkurater Anwendung des Zonensystems möglich ist, wird - entgegen dem Werbeversprechen - nicht geboten. Die Stärke dieser Funktion ist die leichte Anwendung eines vereinfachten Zonensystems, von der etwas umständlichen Zonenmessung mit der auf einem Stativ befestigten Kamera abgesehen. Die Bildergebnisse lassen sich zwar nicht so genau vorausplanen und steuern wie beim klassischen Zonensystem, doch der bewußte Umgang mit dieser Funktion führt zu gut kopierbaren Negativen mit erweitertem oder reduziertem Kontrastumfang. Die beim Zonensystem unumgängliche Visualisierung führt außerdem zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Bildkomposition.
Teurer Kompromiß
Bei unserem Praxistest haben wir ein 205-TCC-Gehäuse mit Normalobjektiv, einem Magazin und Prismensucher eingesetzt. Eine effektive Arbeitsweise war nicht möglich, es mußte bei verschiedenen Kontrasten jeweils ein Rollfilm pro Motiv belichtet werden (auf die zum Teil skurrilen Methoden für Markierung, Schneiden und wieder Zusammenkleben des Films bei verschiedenen Kontrasten haben wir bewußt verzichtet).
Im Zonen-Video empfiehlt Hasselblad den Einsatz von drei Magazinen, optimal wären es jedoch fünf. Das Display läßt sich nur mit aufgeklappter Lichtschacht-Lupe gut ablesen, wobei Brillenträger dennoch Schwierigkeiten haben werden. Problemlos ist dagegen das Ablesen des Displays mit dem Prismensucher PM5, der also eine lohnende Anschaffung darstellt.
Die Ambitionen in der Bildgestaltung werden durch die Verwendung eines einzigen Objektivs doch etwas gedämpft, so daß ein 50er und ein 150er Objektiv eine sinnvolle Ergänzung wären. Rechnet man die Gesamtkosten zusammen, ergibt sich ein Betrag von 35 981 Mark. Rund 36000 Mark sind also fällig für eine keineswegs "üppige" Ausrüstung mit einem Gehäuse, drei Objektiven, einem Prismensucher und fünf Magazinen (bei drei Magazinen spart man 3952 Mark).
Selbstverständlich hat die Hasselblad 205 TCC mehr Ausstattungsmerkmale als die Zonenmeßfunktion, doch die Werbetöne aus Göteborg sind unmißverständlich: "Warum die Hasselblad 205 TCC? Weil sie die einzige Kamera auf dem Markt ist, die komplette Ton- und Kontrastkontrolle während des gesamten Bildgestaltungsprozesses, einschließlich der Filmentwicklung, bietet." Ein hoher Anspruch, den ein hoher Preis allein noch nicht erfüllt. Werden diejenigen, die den hohen Preis zahlen, dann auch die Zeit haben, um beispielsweise einen ganzen Arbeitstag an einer einzigen Vergrößerung arbeiten und somit die Vorteile der Zonenmeßfunktion umsetzen zu können?
{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}