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Artikel

1997

Beratung

Leser beurteilen ihre Kamera: Canon F-1 N, Leica R5 und Nikon F3

Die Leica ist Klassenprimus

Auch bei den in der Regel konservativen Besitzern der drei Oberklasse-Kameras wird häufig der Wunsch nach zeitgemäßem Bedienungskomfort laut. Diese und noch andere verblüffende Erkenntnisse brachte das COLOR FOTO-Leserurteil ans Tageslicht.

Wie sich die Zeiten ändern! Wurde Autofokus gerade von engagierten Fotografen, die eine Spiegelreflexkamera der Oberklasse besitzen, jahrelang als dilettantisch verfemt, so tauchte bei unserer Leserbefragung über konventionelle Kameras der Profiklasse nicht selten der Wunsch nach der elektronischen Scharfeinstellung auf. Denn erstaunlich häufig stand als Antwort auf die von uns gestellte Frage "Was stört Sie an ihrer Kamera am meisten?" die bedeutsame Feststellung: kein Autofokus. Abgesehen davon zielte die Wunschliste der Besitzer der beiden Spartaner Canon F- 1 New und Nikon F3 regelmäßig in Richtung mehr auf Bedienungskomfort.
Zweifellos haben die neuen Autofokus-Modelle der beiden Marken mit ihrem umfassenden Ausstattungsangebot in dieser Hinsicht den Wunsch nach mehr geweckt. Eine Blendenautomatik und eine leicht zu bedienende Umschaltmöglichkeit von Spot- auf Integralmessung standen auf der Wunschliste ganz oben. Die Nikon verzichtet, wie wir seit nunmehr über zehn Jahren wissen, auf die zusätzliche Spotmessung und begnügt sich mit einer stark mittenbetont ausgelegten Integralmessung. Bei der Canon muß zur Änderung der Meßcharakteristik die Einstellscheibe gewechselt werden, ein zwar sehr technophiles, aber heute nicht mehr zeitgemäßes Unterfangen, das von vielen Besitzern der Canon F- I N als zu umständlich gerügt wird.
Die Leica-R5-Besitzer werden serienmäßig von zwei Meßmethoden verwöhnt, aber auch hier fand die befragte Klientel Anlaß zur Kritik. Der Wechsel von Selektiv- auf Integralmessung kann nämlich konstruktionsbedingt nur im Modus Zeitautomatik erfolgen, viele hätten diese Möglichkeit auch gern bei der Blendenautomatik. Ein altes Leiden der Leica-Spiegelreflexkameras ist das komplizierte und Fingerspitzengefühl erfordernde Filmeinlegen, bei dem man am besten zuerst die Lasche in die Aufwickelspule einführt. Kein Wunder, daß dies bei unseren Lesern, die eine R5 besitzen, nahezu unisono kritisiert wurde. Außerdem mißfällt die mit 1/100 Sekunde - gemessen am heutigen Standard gemächliche Blitzsynchronzeit den meisten Befragten. Der mit Brille schlechte Okulareinblick ist vielen ein Dorn im Auge, ein Beweis dafür, daß trotz des eingebauten Dioptrienausgleichs am liebsten mit Brille fotografiert wird. Erstaunlich selten wurde am Preis gemäkelt. Am meisten lobten die Leica-Anhänger die Leistung der Objektive und die Verarbeitungsqualität der Kameras.
Die Nikon-F3-Besitzer schätzen an ihrer Kamera am meisten ihre Robustheit und Zuverlässigkeit, beklagten aber häufig, daß Nikon seiner einstigen Spitzenkamera im Laufe eines Jahrzehnts zu wenig Modellpflege hat angedeihen lassen. Eine kürzere Blitzsynchronzeit, eine Spotmessung und besser ablesbare Sucheranzeigen stellen in den Augen vieler Besitzer längst fällige Verbesserungen dar. Auch die Lage und Größe der Bedienungselemente stößt häufig auf Kritik. So ist der Knopf für den Meßwertspeicher umständlich zu bedienen, der Schnellschalthebel beinahe stets wackelig und das Override mit einer Hand schlecht zu verstellen. Die Besitzer der Canon F-1N nennen als Vorzüge ebenfalls am häufigsten die Eigenschaften Robustheit und Zuverlässigkeit, und nicht selten erwähnen sie den Hybridverschluß, der die Kamera so batterieunabhängig macht. Dafür mißfällt den meisten der ruppige Filmtransport und das laute Auslösegeräusch, außerdem beklagen viele, daß die Sechs-Volt-Batterie bei fleißiger Kamerabenutzung schnell erschöpft ist. Als Zumutung empfinden viele F-1N-Benutzer die zwar vorhandene, aber zu umständliche Umschaltmethode der Belichtungsmessung. Die meisten vermissen überdies eine echte TTL-Blitzmessung. Dem hohen Marktanteil der Nikon F3 in dem Segment der Profikameras entsprechend, stellten die Nikon-Besitzer mit 260 Teilnehmern das Gros der Befragten, an zweiter Stelle lagen die Canon-F-1N-Fans mit 178 Einsendungen, und nur 116 Leica-Besitzer meldeten sich mit ihrem Urteil zu Wort - Tribut an die Exklusivität der Marke und an die, verglichen mit F-1 N und F3, nur halb so lange Produktionszeit der Kamera.
Am wenigsten enttäuscht waren die Nikon-Besitzer von ihrer F3. Nur 2,5 Prozent aller Stimmen würden beim nächsten Kamerakauf keine F3 erwerben wollen. Bei den Leica-R5-Besitzern beträgt die Unzufriedenheitsquote schon sechs Prozent; dies liegt in erster Linie an den teuren Objektiven, die den schweren Einstieg noch mehr belasten, und noch mehr Canon-F- 1-N-Anwender erteilen ihrer jetzigen Kamera eine klare Absage. Auf vielen Canon-Teilnahmekarten schwingt Zukunftsangst mit, Überzeugte kaufen sich noch schnell eine F-1 N, Verzagte kaufen nicht, weil sie das FD-System gefährdet sehen. Mit Abstand am besten bewerteten die Leica-Fans ihre Kamera, die Gesamtnote für die drei Prüfdisziplinen Belichtungsfunktionen, Handlichkeit und Bedienung sowie Verarbeitungsqualität lautet 1,25.
Canon F-1 N und Nikon F3 rangieren in der Einschätzung ihrer Besitzer fast gleichauf mit 1,43 Punkten (Canon) und 1,49 Punkten. Bei der Beurteilung ihres Belichtungsmeßsystems schnitt die Nikon mit 1,81 Punkten weniger gut ab, das kostete sie letztlich den Kapitelsieg über die Erzrivalin Canon F-1N.
Dennoch kann sich die Nikon F3 gegenüber der Canon F-1 N unter dem Strich klar behaupten. Zwar bildet sie bei der Benotung das Schlußlicht, glänzt aber dafür mit den meisten zufriedenen Besitzern und kann sich auch in einer anderen wichtigen Disziplin nach vorn kämpfen: in der Zuverlässigkeit. Die F3-Defektquote ist zwar mit 18,33 Prozent die geringste in diesem Vergleich, mit 19,8 Prozent gaben aber auch die Leica-R5-Kameras wenig Anlaß zur Kritik. Canon leistet sich bei der F- 1 N in der Zuverlässigkeit eine Schwäche. Bereits ein Drittel der in dieser Umfrage erfaßten Kameras mußte zum Service eingesandt werden. Offenbar handelte es sich dabei aber meist um Kleinigkeiten. Die Leica erzielt zwar die mit Abstand beste Gesamtnote, kann aber weniger Freunde dauerhaft für sich gewinnen als die Nikon F3, die von ihren Besitzern trotz gewisser Schwächen am deutlichsten akzeptiert wird.

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