← Zurück
Artikel
1997
Beratung
Kameras, denen der Erfolg versagt blieb
Nicht gesellschaftsfähig
Auf dem Kamerasektor gibt es ausgesprochene Million-Seller, wie die Canon AE-1, die Pentax Spotmatic oder die Minolta 7000. Allesamt Kameras, die vom technischen Konzept her überzeugten. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten - ein paar Modelle blieben auch auf der Strecke. Über den Erfolg oder Mißerfolg eines Produktes entscheidet nicht nur das harmonische Zusammenspiel von Form und Funktion. Ob sich ein Artikel gut oder schlecht verkauft, hängt von vielen Unwägbarkeiten des Marktes ab. Deshalb ist es für die Marketingstrategen eine Gratwanderung, das neue Produkt auf der Erfolgsschiene zu plazieren. Beispiele für kommerzielle Mißerfolge gibt es auch bei Kameras.
Mitte der siebziger Jahre entwarfen die Rollei-Konstrukteure, eine Spiegelreflex-Kleinbildkamera, die alle bisherigen Erkenntnisse und das alte, immer noch praktizierte Leica-Konzept von Gehäuseform und Filmlage gründlich über den Haufen werfen sollte. Auf der photokina 1976 feierte die Rolleiflex SL 2000 Premiere, allerdings nur als Holzmodell. Der Name 2000 sollte in Richtung Zukunft weisen. Eine Dual-Automatik, die Kombination von Zeit- und Blendenautomatik, das Wechselmagazin, die zwei Sucher und der integrierte Motor waren in der Tat revolutionär, und ebenso ungewöhnlich präsentierte sich die an Mittelformatkameras erinnernde Würfelform. Wunder dauerten auch bei Rollei etwas länger, die Kamera kam erst 1981 in den Fotohandel; die versprochene Dual-Automatik konnte allerdings nicht realisiert werden. Unglücklicherweise geriet die SL 2000 F, wie sie dann endgültig hieß, kurze Zeit nach ihrem Debüt in den Wirbelsturm des Rollei-Konkurses, und als der heil überstanden war, schädigten mysteriöse Kinderkrankheiten ihren Ruf.
Futuristische Konzepte tun sich im konventionellen Massenmarkt schwer und werden häufig zu Flops. Ein weiteres Beispiel für diese These ist die Minolta 110 Zoom SLR. Wie unzählige Kameras vor ihr und ebenso viele nach ihr vertrat sie das erfolgversprechende Konzept vom unbeschwerten Fotografieren. Als das Pocketformat seinen Höhepunkt erreicht hatte, dem damals von optimistischen Phantasten prophezeit wurde, es könne das gute alte Kleinbild verdrängen, verhalf sie diesem zur hohen Spiegelreflex-Weihe. Die Zeitautomatik und das Zoomobjektiv 4,5/ 25-50 mm mit Makroeinstellung ließen bei allem Bedienungskomfort Raum für individuelle, kreative Gestaltung. Ein Blick in das Innenleben der Minolta 110 Zoom SLR verrät die überaus intelligente Konstruktion der Kamera. Um das Gehäuse möglichst flach zu halten und es vor allem ganz anders aussehen zu lassen als gewohnt, ließen sich die Minolta-Konstrukteure einen Strahlengang einfallen, gegen den ein Labyrinth wie die direkte Verbindung von A nach B erscheint. Zahlreiche Spiegel und Prismen lenken die Lichtstrahlen so raffiniert durch das Gehäuse, daß der Suchereinblick fast genau in der Objektivebene liegt. Minolta gab dem ungewöhnlichen Design die Schuld am recht bescheidenen Verkaufserfolg der Zoom-SLR und brachte zwei Jahre später den konservativ gestalteten Nachfolger Zoom SLR Mark II heraus, aber da ließ die Pocket-Euphorie bereits stark nach. Die erste Zoom kann ohne Übertreibung als technische Meisterleistung gelten.
Auch die Canon T80 wollte den Fotografen in aller Welt das Bildermachen so einfach wie möglich machen, nur die Fotografen wollten sie nicht. Ihre Fünffach-Programmautomatik, wählbar nach Bildsymbolen für totale Schärfe, selektierte Schärfe, Bewegungsstop, Bewegungseffekte und Standardprogrammautomatik, kann als Vorläufer der heutigen Motivprogramme gelten, die bei den EOS-Modellen inzwischen zur Perfektion gereift sind. Markant ist auch der Wahlschalter mit den entsprechenden Symbolen für die fünf Programme, die ein LCD-Monitor anzeigt. Zeit und Blende kann der Fotograf bei dieser Kamera vergessen. Die Canon T80 als reine Knipser-Spiegelreflex zu kritisieren, wäre allerdings ungerecht. In Verbindung mit den herkömmlichen FD-Objektiven läßt sie sogar Arbeitsblenden-Zeitautomatik und manuelle Belichtungseinstellung zu. Die T 80 scheiterte an ihrem mißlungenen Design. Ein weiteres Handicap bildeten AF-Objektive. Minolta hatte bereits den gehäuseintegrierten Autofokus in der 7000 verwirklicht; es gab keine Chance mehr für die T80, die nach zwei Jahren wieder aus den Canon-Preislisten verschwand. Gegen den Strom zu schwimmen wirkt sich auf Dauer nicht sehr verkaufsfördernd aus. Konica tat dies mit der ultrakompakten AA-35, die in anderen Ländern auch Recorder hieß und wie eine Disc aussah. Sie gehört zu den Produkten, die so genial sind, daß sie entweder nicht begriffen werden oder zum absoluten Renner avancieren, denn das Konzept der Kamera steckt voller Raffinessen. Beim Öffnen der Rückwand erkennt man sofort den feinen Unterschied. Bei der AA-35 wird der Film waagerecht statt senkrecht transportiert. Die Kamera muß daher beim überwiegend eingesetzten Querformat nicht geschwenkt werden wie andere Halbformatkameras. Ein Präzisionsobjektiv mit 24 Millimetern Brennweite garantiert in Verbindung mit dem eingebauten Infrarot-Autofokus und dem im Vergleich zu Disc oder Pocket immer noch großen Bildformat die gute Bildqualität. Verblüffend ist auch die flache Bauweise der Kamera. die in leicht jeder Tasche Platz findet. Im Porst-Winterkatalog 1986/ 87 wurde die ebenso elegante wie pfiffige Konica für 169 DM verramscht, tragische Folge eines Mißverständnisses
Wunderdinge werden oft von der ernüchternden Realität eingeholt, diese bittere Erfahrung mußten Anfang der achtziger Jahre die beiden Erfinder Dr. Jerry C. Nims und Dr. Allen Lo machen. Zunächst schlug ihre gemeinsame Entwicklung einer Stereokamera für Papierbilder, die Nimslo 3D, wie eine Bombe ein. Eine Revolution der dreidimensionalen Fotografie zeichnete sich ab, "endlich gibt es in der Fotografie das, was wir in der Musik schon lange haben, die räumliche Wiedergabe, das naturgetreue Abbild unserer Umgebung für jedermann, ohne Brille oder andere technische Hilfsmittel", jubilierte die amerikanische Fachpresse. Eigentlich ist die Nimslo eine simple Kompaktkamera mit vier Fixfokus-Objektiven und einer Programmautomatik, kein Gerät, das technische Faszination ausstrahlt. Der Clou sind die vier Objektive, von denen jedes ein Einzelbild auf den Film belichtet. Die Halbformat-Einzelbilder werden dann in einem aufwendigen Kopierverfahren übereinander auf speziell beschichtetes Fotopapier belichtet. Theoretisch würden auch zwei Objektive genügen, aber vier verstärken den räumlichen Effekt, der auch stark vom Motiv abhängt. Die Nimslo-Gebrauchsanweisung erläutert klar, daß der Stereoeffekt nur dann zustande kommt, wenn mehrere Objekte unterschiedlicher Entfernung im Sucher zu sehen sind. Der Effekt ist verblüffend, wenn die Bilder auch in puncto Schärfe und Farbbrillanz keinen Vergleich mit herkömmlichen Dias aushalten. Für Fotografen ist 3D ebenso wie Sofortbild eine Frage des Glaubensbekenntnisses. Helle Begeisterung und tiefe Ablehnung spalten die Betroffenen in zwei Lager. Die Nimslo scheiterte letztlich am langfristig geringen Interesse an 3D, an ihrer wenig wertvollen Erscheinung, der simplen Technik und den hohen Folgekosten. Die Komplettbearbeitung eines Films mit achtzehn Bildern erfolgte in den USA, dauerte lange und kostete 55 DM, also rund 3,50 DM pro Bild - das war selbst Stereo-Fans zuviel. Die Rechnung mit den achtzehn Bildern kommt durch das Halbformat zustande. Ein Film hat 72 Aufnahmen; verteilt auf vier Objektive ergeben sich achtzehn 3D-Fotos. Heute können sich Nims und Lo freuen und ärgern zugleich. In Hongkong wird eine Kopie der Nimslo hergestellt, die künftig auch in Deutschland vertrieben werden soll; die Zeiten für die dritte Dimension auf Papier aber sind nicht besser geworden.
{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}