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Artikel
1997
Beratung
Sommerschlußverkauf
Auslaufmodelle - Sparen auf Kosten des Fortschritts?
Die Neuheiten der photokina 1990 werden viele Kameras direkt ablösen, andere altgediente Modelle sind auch ohne Nachfolger am Ende ihrer Karriere angelangt. Diese Auslaufmodelle werden im Handel oftmals zu erstaunlich günstigen Preisen angeboten. Lohnt sich der Verzicht auf modernste Technik?
Modellwechsel sind für den Kamerahersteller nicht nur ein Grund zur Freude. Den optimistischen Erwartungen, der Konkurrenz eine Nasenlänge voraus zu sein und damit den Umsatz kräftig anzukurbeln, stehen die hohen Entwicklungskosten gegenüber. Damit der Verkauf des bisherigen Modells nicht gefährdet wird, ist absolute Geheimhaltung notwendig, die häufig mit der Chronistenpflicht der Journalisten kollidiert. Weil die Lagerbestände des noch amtierenden Typs schnell abgebaut werden müssen, sind erhebliche Preisnachlässe unumgänglich. Um diese leidvollen Erfahrungen der Vergangenheit ein wenig zu mildern schalten die Kamerahersteller allmählich auf eine andere Politik um. Die Lösung heißt "parallel produzieren": Ein neues Modell löst das alte nicht gleich ab, sondern Vorgänger und Nachfolger kämpfen gemeinsam um Marktanteile, preislich natürlich mit dem nötigen Abstand versehen. Die Kapazitäten der Kamerahersteller sind offenbar groß genug, diese Politik selbst über einen längeren Zeitraum durchzuziehen. Das beste Beispiel für diese Strategie liefert Minolta mit den fortschrittlichen Dynax-Modellen 7000i und 8000i auf der einen Seite und den über lange Zeit sehr erfolgreichen Autofokus-Urmodellen 7000 und 9000 andererseits. Die 7000i feierte bereits im Frühsommer 1988 Premiere und bis heute rangieren beide Kameras in den einschlägigen Preislisten der Händler. Der Preisunterschied zwischen alt und neu fällt allerdings deutlich aus. Die Dynax 7000i ist über 300 DM teurer als die erste Autofokus-Spiegelreflexkamera der Welt, die Minolta 7000, die zur Zeit zum Dumpingpreis von unter 700 DM inklusive Standardobjektiv gehandelt wird. Einst kostete sie stattliche 1000 DM. Nicht viel besser erging es der 9000 im Laufe ihrer Bauzeit. Die über lange Zeit einzige professionelle Autofokus-Spiegelreflexkamera auf dem Markt fiel von 1800 DM auf 1300 DM. Heute ist sie sogar etwas billiger als die Dynax 8000i, freilich nur, wenn der Fotograf bereit ist, auf den Motor zu verzichten. Eine Minolta 7000 rangiert heute in der Preisklasse der Einsteiger-Autofokusmodelle und kann in dieser Gruppe als echter Geheimtip gelten. Als echter Multiautomat mit manueller Abgleichsmöglichkeit vermag sie auch versierte Fotografen bei der Stange zu halten. Bewußte, gestalterische Fotografie ist für sie kein Problem. Allenfalls der etwas langsamere Autofokus und das kantige, wenig ergonomische Design sind Zugeständnisse, die man an die lange Modell-Laufzeit machen muß. Auch heute besticht ihr günstiges Verhältnis zwischen Preis und Leistung, und außerdem tritt sie überzeugend den Beweis dafür an, daß es sich lohnt ein Auslaufmodell zu kaufen, wenn, wie in diesem Fall, der Preis stimmt und die Ausstattung überzeugt. Absolut gesehen ist die Minolta 9000 mit einem Preis von 1300 DM ganz bestimmt keine billige Kamera, sie konkurriert in dieser Disziplin direkt mit der Dynax 8000i, die bei Minolta den Stand der Technik repräsentiert. Trotzdem kann die professionelle Autofokus-Kamera mit einigen Highlights glänzen, die auch heute noch Beachtung verdienen. Immerhin realisiert der Verschluß die 4000stel Sekunde und als kürzeste Blitzsynchronzeit fällt sogar der bis jetzt ungeschlagene Superlativ von 1/250 Sekunde an. Die Minolta 9000 läßt sich auch, und das ist eine technische Exklusivität, ohne Winder oder Motor-Drive betreiben, wenn die Situation es erfordert. Maßstäbe setzt die 9000 noch heute im Minolta Programm in den Disziplinen Robustheit und maximale Bildfrequenz, Dinge also, auf die Profis bekanntlich besonders achten.
Im Gegensatz zur Minolta 7000, für die ausgesprochen rationale Überlegungen zuletzt wegen des sehr günstigen Preis-/Leistungsverhältnisses sprechen, ist eine Entscheidung zugunsten der 9000 auch Gefühlssache. Zu groß ist der technische Vorsprung der 8000i und zu gering der Preisunterschied. Die 9000 ist daher die richtige Kamera für Individualisten und Liebhaber, und sie gilt heute schon unter Insidern als Sammlerkamera der Zukunft.
Die Canon T90 spielt im Canon-Spiegelreflexprogramm eine ähnliche Rolle wie die 9000 im Minolta-Angebot. Technisch hervorragend ausgestattet, wurde sie von der EOS-Reihe überrollt, noch ehe sich ihre Qualitäten herumgesprochen hatten. Nur ein Jahr lang, nämlich von 1986 bis 1987, war sie das konstruktive Aushängeschild des Hauses. Die zunächst rund 1600 DM teure Kamera nahm indes vieles vorweg, was heute den EOS-Kameras wie selbstverständlich zugesprochen wird. Das heute Canon-typische Ergonomie-Design, das unverkennbar die Handschrift des Designers Colani trägt, feierte in der T90 Premiere. Der ausgesprochen schnelle, integrierte Motor mit einer maximalen Bildfrequenz von 4,5 Bildern pro Sekunde, das ausgeklügelte Meßsystem mit Mehrfeld-, Multispot-, Spot- und Selektivmessung, die TTL-Blitzsteuerung mit den programmierbaren Blitzautomatikfunktionen und die Bedienung per Einstellrad alle diese Errungenschaften gab es bereits bei der T90. Das einzige, was der T90 fehlt und möglicherweise ihr Überleben auf Dauer in Frage stellt ist der Autofokus, außerdem besitzt die Kamera noch das traditionelle Canon FD-Bajonett. Ansonsten befindet sie sich selbst vier Jahre nach ihrem Erscheinen immer noch auf der Höhe der Technik. Insgesamt 16 Belichtungsprogramme, wohlgemerkt echte Belichtungsprogramme und keine Motivprogramme, nötigen selbst einer EOS- I Respekt ab. Wie alle Modelle mit langer Laufzeit gab auch die T90 im Preis nach und liegt heute inklusive dem Normalobjektiv FD 1,8/50 mm bei etwa 1450 DM.
Von gänzlich anderem Schlage ist dagegen die Praktica MTL 5 B, die das Kapitel M42-Schraubanschluß aus Dresden nach über vierzig Jahren beschließt. Die recht einfache, aber robuste Praktica MTL 5 B eignet sich entweder für Liebhaber simplen Fotografiergeräts klassischer Prägung ohne Programmvielfalt und elektronische Spielereien oder für Einsteiger in das Hobby Fotografie. Die mit einem leicht begreifbaren Nachführprinzip für die Belichtungsmessung ausgerüstete Praktica vermittelt dem Anfänger sehr anschaulich die fotografischen Grundbegriffe von Verschlußzeit, Blende und Schärfentiefe. Das M-42-System ist für eine Kamera der 200 DM-Preisklasse sehr reichhaltig.
Die Rolle eines liebenswerten Exoten spielt seit fast zehn Jahren Rolleis Kleinbildkamera mit Wechselmagazin. Zunächst als SL 2000 F präsentiert, erfuhr sie 1984 eine erhebliche Überarbeitung, von der Zuverlässigkeit und Handhabung profitierten und darf sich seither Rolleiflex 3003 nennen. Allerdings blieb der hohe Preis neben der außergewöhnlichen, aber gleichzeitig einzigartigen Würfelkonzeption nach dem Vorbild der Mittelformatkameras als verkaufspolitisches Handicap bestehen. Deshalb lancierten die Braunschweiger 1986 ein sparsamer ausgestattetes Schwestermodell namens Rolleiflex 3001. Diese Kamera verzichtete im wesentlichen auf den Lichtschachtsucher und verleugnete damit das ursprüngliche Konzept der Zwei-Sucherkamera. Überzeugungstäter unter den Käufern ließen die Magerstufe denn auch links liegen und wandten sich der besser ausgestatteten 3003 zu. Heute ist eine 3001 im Komplett-Set mit Akku und Ladegerät sowie Normalobjektiv für 1800 DM zu haben.
Yashica Contax, in Sachen Autofokus-Spiegelreflexkamera mit dem Prototyp einer AF-Contax schon 1982 am Zug und nach der Minolta-Offensive einer der ersten mit der 230 AF, steht jetzt, kurz vor der photokina, sogar ganz ohne eine solche da. Nachdem die 200 AF schon vor einigen Monaten aus dem Schaufenster der Händler verschwand, geht es nun der 230 AF an den Kragen. Für die inklusive Standardobjektiv rund 750 DM teure Kamera spricht in erster Linie die gute Ausstattung, die allerdings noch Wünsche offenläßt . Der Multi-Automat bietet zwar die seltene Schärfenfalle, verzichtet dagegen auf die wichtige Spotmessung. Ein interessantes Zubehör ist der aufsteckbare Miniblitz, Vorbild aller eingebauten Kompaktblitzgeräte bei Spiegelreflexkameras. Darüber hinaus fällt das Systemzubehör allerdings mager aus.
Olympus, Marktführer bei den Kompaktsucherkameras, hat in letzter Zeit wenig Fortune mit neuen Spiegelreflexkameras. Nach dem Mißerfolg OM707 tut sich auch die OM-101 mit Power Focus, einer motorisch unterstützten Scharfstellhilfe, als einziger Bewohner der engen Nische zwischen Autofokus-Spiegelreflexkameras und konventionellen Kameras sehr schwer. Knapp 500 Mark kostet die Kamera inklusive Adapter für manuellen Belichtungsabgleich, nur knapp 100 Mark weniger als eine Canon EOS 750 oder Minolta Dynax 3000i.
Recht schwer hat es auch Nikons F-401s im hartumkämpften Marktsegment unter 1000 DM. Die qualitativ hochwertige Kamera leidet unter einem Mangel an technischen Höhepunkten und bietet insgesamt nichts Aufsehenerregendes. Sehr viel leistungsfähigere Kameras, wie zum Beispiel die Minolta Dynax 7000i oder die Canon EOS 600, kosten nur 150 DM mehr. Außerdem wollen Gerüchte nicht verstummen, daß Nikon zur photokina eine neue Kamera herausbringt, die in der Lage ist, die große Diskrepanz in der Ausstattung zwischen der F-401s und der F-801 zu schließen. Allerdings täte man der F-401s Unrecht, wolle man sie vor der Konkurrenz abqualifizieren. Sie ist vielmehr ein grundsolides, mit dem unbestreitbaren Nikon-Vorzug der Systemkompatibilität ausgestattetes Kameramodell, das wesentlich von der Aufwertung profitiert hat, die durch das "s" am Ende der Typenbezeichnung signalisiert wird.
Modellpflege machte aus der Pentax SFX die Pentax SFXN. Die Unterschiede zwischen der SFX und ihrem Nachfolgemodell mit dem Zusatzbuchstaben sind größer als man zunächst vermutet. Die Ausstattung des aktuellen Modells wurde um eine Belichtungsreihenautomatik und um einen Selbstauslöser erweitert, der zwei Aufnahmen hintereinander macht, wenn der Fotograf es will. Gravierender fielen die Änderungen in der Technik aus. Der Verschluß wurde hinsichtlich der Schnelligkeit überarbeitet. Als kürzeste Verschlußzeit fällt jetzt die 1/4000 Sekunde statt vorher die 1/2000 Sekunde an. Auch die Blitzsynchronzeit profitierte vom Verschluß-Tuning. Sie beträgt jetzt 1/125 Sekunde. Alle diese zusätzlichen Verbesserungen machen aus der SFX noch keine andere Kamera. Einen entsprechenden Preisvorteil vorausgesetzt, kann man mit dem alten Modell durchaus glücklich werden. Der typische Vorteil bei den Pentax-AF-Spiegelreflexkameras liegt in der sehr einfachen Handhabung. Auch ohne ständiges Nachschlagen in der Bedienungsanleitung ist einem die Kamera schnell vertraut.
Bei Canon ist eine Neuordnung des EOS-Programms im Unterhaus in Sicht. Die Einsteigermodelle EOS 750 und 850 erfuhren unlängst eine Preissenkung um rund 100 DM, was als erstes Indiz dafür gewertet werden kann. Außerdem betrat mit der neuen EOS 700 ein neues Modell die Szene, das als ideales Bindeglied zwischen Einsteiger- und High-Tech-Modell gelten kann. EOS 750 und 850 sind bis auf den eingebauten Blitz bei der 750 baugleich. Sie offerieren Programm- und Schärfentiefenautomatik. Letztere ist ein wichtiges Gestaltungsmittel, das die beiden Canons aus der Kategorie der Schnappschußkameras herausragen läßt. Wesentliche technische Bauteile und Funktionen sind mit denen der hochwertigen Canon-Modellen identisch, das spricht für die Qualität der Kameras, die sogar den Zugang zu den blitzschnellen und leisen Ultraschallobjektiven der Canon-EF-Reihe ermöglichen. Gerade unter dem Aspekt Preis-/ Leistungsverhältnis bieten die Junior-Modelle der EOS-Reihe einen besonders hohen Gegenwert und sind überdies eine echte Alternative zu den Bridge-Kameras.
Der Käufer von Auslaufmodellen oder Außenseiterkameras muß weder ein ewig Gestriger noch ein Geizhals sein. Viele dieser Kameras, die nicht mehr im Spotlicht der Werbung und im Mittelpunkt des Kaufinteresses stehen, haben eine nähere Betrachtung verdient. Während die Rolleiflex 3001 oder die Praktica MTL 5 B als Außenseiterkameras nur eine sehr begrenzte Klientel ansprechen, und auch die Olympus OM-101 Mühe hat, ihre Qualitäten zur Geltung zu bringen, sind die übrigen betrachteten Modelle allesamt empfehlenswert. Canon T90, Canon EOS 750, Minolta 7000 und Minolta 9000 können sogar als echte Geheimtips gelten. Jede dieser Kameras bietet ein maßgeschneidertes Paket, das genau auf eine bestimmte Interessentengruppe paßt. So macht Geld sparen Freude!
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