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Artikel

1997

Beratung

Die Publikumslieblinge

Die beliebtesten AF-SLR-Kameras im Vergleich

Neue AF-Modelle lancieren die Kamerahersteller gern in der Preisgruppe von 1000 bis 1300 DM, weil sie Spielraum für Innovationen bietet. Die Canon-Modelle EOS 600 und EOS-10 stehen in hartem Konkurrenzkampf zu den Minolta-Dynax-Versionen 7000i und 8000i und zur Nikon F-801 AF, einzig die Chinon CP-9 AF bleibt zumindest vom Preis her ein interessanter Außenseiter.

Konkurrenz im eigenen Haus ist für die großen japanischen Kamerahersteller Canon und Minolta offenbar kein Thema. Sie füllen bei ihren Autofokuskameras lieber jede noch so kleine Lücke mit einer Kamera, die zusätzliche Ausstattungsmerkmale bietet, als sie dem Mitbewerber zu überlassen.

Die Modellpolitik der Kamerahersteller erschwert die Kaufentscheidung

Diese Modellpolitik hat zwei Seiten für den Kamerakäufer, eine gute und eine schlechte. Die gute ist die, daß er seine Kamera nach Maß gezielt auswählen kann; die schlechte bedeutet, daß er in der Kaufentscheidung durch die zahlreichen Modellvarianten verunsichert wird.
Noch größer wird die Qual der Wahl für den Interessenten, wenn er sich nicht auf eine bestimmte Marke festgelegt hat, sondern das gesamte Angebot des Marktes in einer bestimmten Preisklasse berücksichtigt. Hinzu kommt das Problem, daß es immer schwieriger wird, aufgrund von rein technischen Produkteigenschaften und Meßwerten Kaufempfehlungen auszusprechen. Schlechte Spiegelreflexkameras gibt es nicht mehr. Es kommt daher auf ein genaues Abwägen der Eigenschaften an, auf eine exakte Beschreibung des Charakters einer Kamera bezogen auf ein bevorzugtes Anwendungsgebiet. Umsteiger von konventionellen Kameras werden die Nikon F-801 sofort in ihr Herz schließen, denn sie abstrahiert den traditionellen Zusammenhang von Zeit und Blende noch nicht in die Form bildhafter Chipkarten und Barcode-Programme, wie es bei Minolta Dynax 7000i und 8000i oder der Canon EOS-10 der Fall ist. Allenfalls die Dual-Programmautomatik, die je nach verwendetem Objektiv entweder das Normal- oder das Kurzzeitprogramm wählt, und der Programmshift, den man in halben Stufen verändern kann, bedeuten für den Fotografen das Abschalten von technischen Begriffen und Zusammenhängen. Die Bedienung erfolgt bei der Nikon F-801 AF in der heute üblichen Tipptastenmanier. Im Gegensatz zu den Dynax- oder EOS-Modellen geschieht die Feineinstellung des gewünschten Modus jedoch nicht über eine Plus/Minus-Taste, sondern über ein zentrales Einstellrad. Der Autofokus in der F-801 ist sehr empfindlich, er funktioniert noch bei einem Lichtwert von minus eins und übertrifft damit die später erschienene Konkurrenz von Canon und Minolta. Der Fotograf hat bei der F-801 vier Autofokus-Programme zur Verfügung: Autofokus-Priorität, Auslöse-Priorität, manuelle Scharfeinstellung mit elektronischer Fokussierhilfe und Autofokus-Schärfespeicher. Die Autofokusfalle - das Auslösen, wenn ein bewegtes Motiv einen vorgewählten Schärfepunkt durchläuft - steht mit der Multifunktions-Datenrückwand MF-21 zur Verfügung. Die Chinon CP-9 AF, als billigste der Vergleichskandidaten, hat sie sogar von Haus aus. Trotz der hohen Empfindlichkeit des Nikon-Autofokus sind die Scharfstellsysteme der Canon EOS-10 und der Dynax-Modelle 7000i und 8000i technologisch bereits einen Schritt weiter. Brauchte man bisher immer den Autofokus-Schärfespeicher oder die One-Shot-Funktion, um Motive außerhalb der Bildmitte richtig anmessen zu können, entfällt dies jetzt bei den genannten Kameras, weil sie über ein Mehrfeld-Autofokussystem verfügen. Bei der Canon EOS-10 sind die drei Meßpunkte nebeneinander angeordnet (Multi-Basis-System), bei den Dynax-Modellen (Multi-Sensor-Autofokus) bilden fünf Meßpunkte die Form eines "H" und sind damit derart flächendeckend, daß sie ein zwölfmal größeres Feld abstecken als bei den älteren Modellen 7000 und 9000. Grundsätzlich ist zum Thema Autofokus bei den sechs Kandidaten noch zu sagen, daß Minolta und Nikon die Autofokus-Steuerung im Kameragehäuse untergebracht haben, während sie bei Canon und Chinon im Objektiv steckt. Der Fokussiermotor ist bei der Nikon recht laut, die anderen präsentieren sich akustisch zurückhaltender. In der Autofokus-Wertung schneiden die Dynax-Modelle unter praktischen Fotografierbedingungen am besten ab, dicht gefolgt von der EOS-10. Chinon CP-9 AF und EOS 600 liegen knapp vor der F-801 AF.
Eine moderne Spiegelreflexkamera besteht jedoch nicht nur aus Autofokus, genauso wie ein technisch gutes Bild nicht nur scharf, sondern auch richtig belichtet sein muß. Die Belichtungsfunktionen spielen daher bei der Beurteilung einer Kamera ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Canon EOS-10 und die beiden Minolta-Dynax-Kameras brachten sogar das naheliegende, aber trotzdem geniale Kunststück zustande, die Mehrzonenmessung mit dem AF-System zu koppeln.

Durch Mehrfeldmessung ist für eine genauere Belichtung gesorgt

Das Resultat dieses intelligenten Belichtungsmeßsystems ist eine genaue Berücksichtigung der bildwichtigen Partien, die der Autofokus vorher festgelegt hat. Selbstverständlich kann die F-801 von Nikon, dem Pionier des Mehrfeldsystems, ebenfalls mit einem solchen System - hier Matrixsystem genannt - aufwarten. Fünf Meßfelder untersucht die F-801 auf Unterschiede in Helligkeit und Motivkontrast, um automatisch die optimale Belichtung zu ermitteln. Obwohl die Mehrfeldmessung eine Selektiv- oder Spotmessung überflüssig macht, besitzen die EOS-Modelle und die Dynax 8000i diese zusätzliche Funktion.

Genialer Schritt: Kopplung von Autofokus mit der Belichtungsmessung

Auf die bewährte mittenbetonte Integralmessung verzichtet keine der sechs Kameras, die Chinon CP-9 AF begnügt sich sogar ausschließlich mit dieser, was sie in der Disziplin Belichtungsmessung gegenüber der Konkurrenz zurückfallen läßt. Die Kameras, die mehrere Meßfelder berücksichtigen, garantieren eine hohe Ausbeute optimal belichteter Bilder, auch in schwierigen Belichtungssituationen, so daß der Fotograf hier nicht mehr korrigierend eingreifen muß. Der Vorzug der Kopplung von Autofokus und Mehrzonenmessung ist zwar theoretisch einleuchtend, wirkt sich allerdings in der Praxis kaum aus.
Selbst engagierte Fotografen sind nicht selten durch das vielfältige Angebot der Belichtungsfunktionen in neuen Kameras überfordert. Während Zeitautomatik, Blendenautomatik, TTL-Blitzsteuerung und manuelle Nachführmessung noch auf Beifall stoßen und vielleicht noch eine Dual-Programmautomatik mit Programmshift Akzeptanz findet, stoßen die sieben wählbaren Motivprogramme einer EOS 600 von Porträt über Landschaft bis Sport und die zwölf als Zubehör lieferbaren Chipkarten für die Minolta Dynax 7000i, bei der Dynax 8000i sind es sogar dreizehn, bei vielen auf Skepsis oder gar Ablehnung. Sicher gibt es unter den Chipkarten auch sinnvolle, wie zum Beispiel die Karte "Custom" für individuelle Kamerafunktionen, bei denen sich Bildzähler, Filmeinzug und Fokussierstop nach Wunsch beeinflussen lassen, oder die Karte für Multispotmessung, die sich insbesondere für die Dynax 7000i anbietet, da diese keine Spotmessung besitzt. Auch bei der EOS 600 und bei der EOS-10 kann der Fotograf die Kameragrundfunktionen jeweils manipulieren, beispielsweise indem er befiehlt, die automatische Filmrückspulung abzuschalten oder das Filmende nicht in die Patrone einzuziehen.
Die Canon EOS-10 geht bei der Vermehrung der Kamerafunktionen noch einen Schritt weiter. Neben den eingebauten Motivprogrammen Porträt, Landschaft, Sport und Nahaufnahmen sowie einem speziellen Programm, das verwackelte Aufnahmen verhindert, sind in einem Motivhandbuch acht besondere Licht- und Aufnahmesituationen festgehalten und in einem Strichcode, auch Barcode genannt, gespeichert. Über einen Lesestift können die Motivprogramme abgerufen und in die Kamera eingelesen werden. Während bei Minolta jede Chipkarte als Zubehör mit etwa 60 DM zu Buche schlägt, ist das Barcode-System serienmäßiger Bestandteil der EOS-10. In der Praxis hat die Chipkarten-Lösung allerdings Vorteile, weil das Einsetzen der Chipkarte schneller geht als das Einlesen des Barcodes. Alle hier betrachteten Kameras sind Multi-Automaten, die von Haus aus bereits mit Mehrfach-Programmautomatik ausgerüstet sind. Chinon CP-9 AF und Nikon F-801 AF verzichten auf die Motivprogramme, was nicht bedeutet, daß sie weniger können. Hier muß der Fotograf mit Kreativität und unter der geschickten Nutzung der auch hier gebotenen Vielfalt an Belichtungsfunktionen und Meßarten die Motivsituation meistern. Gerade in solchen Situationen schlägt die Stunde der Nikon F-801 AF. Abgesehen von einigen Schwächen in der Autofokusdisziplin kann sie auch zwei Jahre nach ihrem Debüt neben der moderneren Konkurrenz noch gut bestehen.

Ein solides Werkzeug statt bloßes Spielzeug: Nikon F-801 AF

Die F-801 suggeriert Werkzeugcharakter, bei ihr stehen nicht die weniger technischen Features im Vordergrund, sondern vielmehr Ausstattungsdetails, die das Fotografieren in bestimmten Situationen erleichtern. Statt abstrakter Motivprogramme bietet sie konkrete Zahlenwerte, an denen sich der Fotograf orientieren kann. Die Canon EOS-10 und die Minolta-Dynax-Modelle lassen dem Fotografen natürlich die Freiheit, Chips und Barcode beiseite zu lassen, doch hieße dies, die spezifischen technischen Möglichkeiten nicht zu nutzen. Eine EOS-10 ohne Barcode entspricht bis auf den Multi-Basis-Autofokus und den Hochgeschwindigkeitsverschluß bis zu 1/1000 Sekunde einer EOS 600.
Die Chinon CP-9 AF besticht durch ihr hervorragendes Verhältnis zwischen Preis und Leistung. Wünschenswert wäre bei diesem Modell allerdings eine Selektivmessung. Die Canon EOS-10 und die beiden Minolta-Dynax-Modelle verkörpern das technisch Machbare in dieser Preisklasse und wenden sich an Fotografen, die Freude an hochentwickelter Technik haben. Die Nikon F-801 erhebt Technik nicht zum Selbstzweck, sondern hat stets ihre konkrete Anwendung im Auge. Kreativen Fotografen, denen Bildgestaltung viel bedeutet, kommt diese Kamera sehr entgegen.
Das Fazit kann daher nur lauten: Die Chinon für Preisbewußte, die geringfügige Abstriche an der Ausstattung zugunsten einer qualitativ hochwertigen Kamera zum günstigen Preis hinnehmen; die Nikon für solche, die von der konventionellen Kamera umsteigen wollen und die moderne Technik als Hilfsmittel akzeptieren; die Canon EOS 600 für Fotografen, die unbeschwertes Fotografieren schätzen und die eingebauten Motivprogramme häufig nutzen. Die Minolta Dynax 7000i bietet in Sachen Belichtungstechnik und Autofokus bis auf die Spotmessung und den Hochgeschwindigkeitsverschluß all das, was im bisherigen Spitzenmodell Dynax 8000i steckt.

Sparen ohne Verzicht auf den Konsum: Chinon CP-9 AF

Der Preisunterschied ruft die Sparer auf den Plan, die nicht das Gefühl haben müssen, ein abgemagertes Modell zu erstehen. Am zwiespältigsten gibt sich die EOS-10, Verschluß und Grundausstattung machen sie zu einem Modell voll hochentwickelter Technik. Das Barcode-System dagegen kommt wie ein versteckter Fotografierkurs für Anfänger daher.
Viele ernsthafte Fotografen werden sich gerade von der Barcode-Funktion der EOS-10 abgeschreckt fühlen und greifen daher lieber zur EOS 600, die ein erstaunlich günstiges Verhältnis zwischen Preis und Leistung bietet. Trotz des engmaschig geflochtenen Netzes der Canon-EOS-Modelle fehlt eine Kreuzung aus EOS 600 und EOS-10. Die integrierten Motivprogramme der 600 in Verbindung mit Mehrfeldautofokus und dem schnelleren Verschluß sowie Verzicht auf den eingebauten Blitz, das wäre eine echte Alternative zur EOS-10.

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