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Artikel

1997

Color Foto BÖRSE

Der Evergreen

Sammlerkamera des Monats: Leica M3

Zeitlosigkeit ist bei Konsumgütern in unserer schnellebigen Welt eine seltene Eigenschaft. Die Leica M3, bereits 1954 vorgestellt, lebt noch heute in der M6 weiter. Das Konzept der M3 erwies sich als so zukunftssicher, daß es zwanzig Jahre später kaum verändert werden mußte. Außerdem war die erfolgreichste Leica-Kamera aller Zeiten Vorbild für viele Konkurrenten. Insgesamt Gründe genug, sie als sammelwürdig zu betrachten.

Anfang der fünfziger Jahre boomte der Kameramarkt in Deutschland. Der Wohlstand im Wirtschaftswunder förderte das Hobby Fotografie ganz besonders. Bei Leitz in Wetzlar vollzog man in dieser Zeit die Wende. Die bisherigen Kameras basierten sichtbar und in allen wesentlichen technischen Details auf den ersten Kleinbildkameras der Marke, die in den zwanziger Jahren Furore gemacht hatten. Doch nun war es an der Zeit, die 30 Jahre alte Grundkonstruktion durch eine völlig neue Generation zu ersetzen. Der Fortschritt diktierte den Leitz-Konstrukteuren eine Bajonettfassung anstelle des umständlichen M-39-Schraubgewindes und einen hellen, übersichtlichen Meßsucher statt der kleinen Sucherfenster ins Lastenheft.
Die Leica M3 feierte 1954 Premiere, wurde auf Anhieb ein Riesenerfolg und machte fortan speziell der Contax-Konkurrenz aus dem Hause Zeiss-Ikon das Leben schwer. Bestechend wirkte zu jener Zeit ihr glattflächiges und funktionelles Design, das entscheidenden Anteil an der mühelosen Handhabung der Kamera hatte, die im übrigen gegenüber den Schraub-Leicas an Größe und Gewicht zugelegt hatte. Wen dies noch nicht überzeugen konnte, für den wurde ein Blick durch den im Maßstab 1:1 abbildenden Meßsucher zur Offenbarung. Die große Meßbasis ermöglicht ein sehr präzises Scharfstellen, und die lästige Fummelei mit den Aufstecksuchern entfällt weitgehend, weil die M3 drei eingespiegelte Leuchtrahmen für die Brennweiten 50, 90 und 135 Millimeter besitzt. Daher kommt auch ihr Name: Das "M" steht für Meßsucherkamera, die Zahl drei deutet auf die Anzahl der Leuchtrahmen hin. Ab 1955 konnte man die Leuchtrahmen mit dem Bildfeldwähler manuell einblenden, unabhängig davon, welches Objektiv gerade eingesetzt war. Frühe M-3-Modelle lassen sich anhand des fehlenden Hebels links vom Objektiv erkennen. Aufstecksucher gibt es noch für die Weitwinkelobjektive. Weitere Verbesserungen gegenüber dem Vorgängermodell betreffen den Filmtransport. Ein zeitgemäßer Schnellschalthebel bewegte den Film in der ersten Serie mit zwei Hebelschwüngen und in der zweiten Auflage ab 1958 in nur einem Anlauf weiter. Das Bildzählwerk stellt sich bei der M3 nach dem Öffnen der Rückwand automatisch auf Null.
Einen Einbaubelichtungsmesser, wie er zur Zeit des Erscheinens der M3 bei vielen Kameras aufkam, besaß die M3 nie. Der Fotograf mußte den Belichtungsabgleich mit dem Leicameter vornehmen, der sich mit dem Verschlußzeitenknopf koppeln ließ. Eine Blendenkupplung mit dem Belichtungsmesser wie bei Rollei gab es hingegen nicht. Während ihrer langen Bauzeit von 1954 bis 1966 erhielt die M3 zahlreiche Verbesserungen im Rahmen der bei Leitz besonders intensiv praktizierten Modellpflege. Neben den bereits erwähnten Modifikationen bei Filmtransport und Bildfeldwähler erhielt die Präzisionskamera 1957 eine Verschlußzeitenreihe, die der internationalen Norm angepaßt war. Statt 5, 10, 25, 50 und 100 wurden seitdem die Zahlen 4, 8, 15, 30, 60 und 125 auf den Verschlußzeitenknopf graviert.
In den zwölf Jahren ihrer Produktionszeit verließen über 450 000 Leica-M-3-Kameras das Leitz-Werk, darunter allerdings nur etwa 4000 schwarz lackierte.
Damit übertrifft die M3 das Produktionsergebnis ihrer Schwestermodelle M2 und M1 bei weitem und macht sie nicht gerade zu einer gesuchten Rarität. Doch ihre hohe Praxistauglichkeit und ihre Bedeutung als Meilenstein in der Leica-Entwicklung machen sie zum Geheimtip für Freunde der Meßsucher-Leica, die für 1300 Mark, also ein knappes Drittel des M-6-Preises, eine Kamera erwerben, die in Sachen Präzision und Verarbeitungsqualität immer noch auf der Höhe der Zeit ist. Dem Summicron 2/50 mm sollte aber der Vorzug gegenüber dem versenkbaren Elmar 2,8/50 mm gegeben werden. Das Standardmodell M1 mußte übrigens ohne Entfernungsmesser auskommen, was die Kamera zwar in der Praxis weniger wertvoll macht, jedoch aufgrund der geringen Stückzahlen teurer sein läßt als eine M3. Auch die M2 unterscheidet sich nur bei näherem Hinsehen von der M3. Zunächst 1958 als sparsamer ausgestattetes Schwestermodell ohne Selbstauslöser und mit 35-Millimeter-Sucherblick konzipiert, stieß dieses Modell insbesondere bei Reportagefotografen auf großes Interesse. Sie nahmen wegen des Suchers, der die Begrenzungen für 35, 50 und 90 Millimeter einspiegelt, gern das primitivere Bildzählwerk ohne Rückstellung in Kauf, zumal der Selbstauslöser später hinzukam und sogar eine Schärfentiefenanzeige im Sucher erschien, eine Neuerung, die von der M3 übernommen wurde. Trotzdem ist die M3 für normale Ansprüche die bessere und auch günstigere Wahl. Auch vermittelt sie wegen ihrer liebevollen Detailverarbeitung eher das Leica-Qualitätsgefühl als eine moderne M6, die schon einige Zugeständnisse an eine kostengünstigere Fertigung erkennen läßt.

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