← Zurück

Artikel

1997

Color Foto BÖRSE

Sammlerkamera des Monats: Rollei 35

Die Renaissance-Kamera

Acht Jahre, nachdem sie ausverkauft wurde, und 24 Jahre nach ihrem glanzvollen Debüt feiert die Rollei 35 Wiederauferstehung.

Das Wort Renaissance kommt aus dem Französischen, heißt wörtlich übersetzt "Wiedergeburt", bezeichnet aber zumeist die europäische Kulturepoche, die vom 14 bis ins 16. Jahrhundert hinein dauerte und in der die Antike Wiederauferstehung feierte. Die Rollei 35 erlebt ihre Renaissance im Jahre 1991. Auch sie ist eine Kamera der klassischen Epoche. Vollmechanisch und ganz aus Metall gefertigt, verzichtet sie auf den heute üblichen Bedienungskomfort bei Kompaktkameras. Sie als Urahn dieser Kamerakategorie zu betiteln, ist sicherlich nicht falsch: Bis die Minox 35 EL diesen Rekord einstellte, war sie die kleinste Kleinbildkamera der Welt. Dabei hatte sie es zunächst schwer, anerkannt zu werden. Der ehemalige Edixa-Konstrukteur Warske bot sein jüngstes Kind zunächst mehreren deutschen Kameraherstellern an - alle winkten ab, ihnen fehlte der Mut, die ausgefallene Kamera zu realisieren. Nur bei Rollei stieß die kleine Kamera auf reges Interesse. In Braunschweig wollte man damals weg von der Monokultur der Zweiäugigen, und das originelle Modell schien den richtigen Weg aus der Sackgasse zu weisen. Rollei-Chef Heinrich Peesel, selbst Ingenieur, war beeindruckt, ließ das Warske-Konzept noch einmal überarbeiten und die Produktion einrichten. Mit einer Miniaturkamera allein gab man sich in Braunschweig allerdings nicht zufrieden. Es sollte eine Präzisionskamera hoher Leistungsfähigkeit werden, entsprechend wurden die Zutaten gewählt. Das Objektiv, ein 3,5/40-mm-Vierlinser vom Tessar-Typ, kam entweder von Carl Zeiss oder von Schneider-Kreuznach, den eingebauten CdS-Nachführbelichtungsmesser mit großem Meßbereich steuerte Gossen bei, und Compur lieferte den Zentralverschluß. Eine solch hochwertige Kamera konnte natürlich nicht billig sein, der Preis lag 1966 knapp unter 500 DM. Dennoch nahmen die Fotografen sie begeistert auf.
Es schien, als hätte man auf sie gewartet. Der Objektivtubus der Rollei 35 ist versenkbar, das macht die Kamera für den Transport noch handlicher. Verschlußzeit und Blende lassen sich mit den beiden markanten und Design-bestimmenden Einstellrädern auf der Frontseite einstellen, beide übrigens kreuzgekuppelt mit dem Nachführbelichtungsmesser.
Das hohe Preisniveau veranlaßte Rollei zwei Jahre später, zwei preiswerte Modelle auf 35-Basis auf den Markt zu bringen, die B 35 und die C 35. Beide waren mit dem Dreilinser Carl Zeiss Triotar ausgestattet, beide verzichteten auf die markanten Einstellräder auf der Frontseite - sie wanderten als gewöhnliche Einstellringe an das Objektiv. Die B 35 besaß einen Selen-Belichtungsmesser, bei der C35 mußte dieser aus Preisgründen sogar entfallen. Heute ist die C35 eine Rarität. Das Jahr 1974 bedeutete einen wichtigen Einschnitt in der Rollei-35-Geschichte. Die Produktion der Kameras wanderte nach Singapur, die C 35 fiel weg, das Programm wurde neu geordnet und bestand aus 35 B, 35 T und dem neuen Spitzenmodell 35 S mit fünflinsigem Sonnar 2,8/40 mm, HFT-mehrschichtvergütet. Die 35 B gab es fortan nur in schwarz, 35 T und S wurden in Chrom oder Schwarz geliefert. Die kompakten Rollei-Blitzgeräte E 20 B und E 20 BC ergänzten die kleinen Kameras ästhetisch und funktionell hervorragend. Die 35 S wurde sehr schnell zum Inbegriff der exklusiven Kompaktkamera und überflügelte in den Verkaufszahlen in guten Jahren sogar die im Schnitt 100 DM billigere 35 T.
Den Rollei-35-Modellen half man 1980 elektronisch auf die Sprünge, indem man sie mit einem LED-Abgleich ausrüstete. Aus der 35 B wurde die 35 LED, 35 T und S verwandelten sich in TE und SE. Wegen ihres unschönen Batterieaufsatzes sind sie bei Puristen allerdings weniger begehrt, das wirkt sich auch im Verkaufspreis aus. Eine schwarze 35 S, komplett mit allem Zubehör und dem Blitzgerät E 20 BC, kann sehr gut neben der neuen 35 Classic bestehen. Sie kostet in gutem Zustand auch nur etwa 800 DM gegenüber 2 200 DM für das neue Serienmodell Classic. Rollei-35-Interessenten sollten neben dem Zustand der Kamera auch die Verarbeitungsqualität im Detail, beispielsweise den präzisen Sitz der abnehmbaren Rückwand, die Leichtgängigkeit des Objektivtubus und die Beweglichkeit der Objektivschnecke prüfen, denn die Qualität der Singapur-Produktion schwankte stark und machte häufig Nachjustagen in Braunschweig erforderlich.
Kleine Germany-Rolleis der Jahre 1966 bis 1973 sind besonders begehrt. Hier zahlt man in Sammlerkreisen für die originäre Herkunft 150 bis 200 DM mehr. Eine gut erhaltene 35 S bringt es heutzutage bei steigender Tendenz auf 450 DM, eine T kostet 350 DM, TE und SE büßen 50 DM ein. Die Rollei 35 erlebt im Zuge der Neuerscheinung 35 Classic auch auf dem Gebrauchtmarkt eine Renaissance, die einen spürbaren Preisauftrieb auslösen wird. Es empfiehlt sich deshalb, jetzt zu kaufen.

{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}