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Artikel
1997
COLOR FOTO SPEZIAL WEIHNACHTEN
Goldene Kameras als exklusive Geschenkidee
Lockruf des Goldes
Als limitierte Auflage zum grenzenlosen Preis lassen sich die goldenen Kameras ironisch charakterisieren. Doch die goldene Masche zieht, die Kamerahersteller bringen gern, vor allem zu Jubiläen, ein so veredeltes Modell in geringer Stückzahl heraus.
Der Mythos des Goldes ist ungebrochen, trotz sinkender Goldpreise erfreut sich das spezifisch schwere Metall in allen Verarbeitungsformen großer Beliebtheit. Der Goldverbrauch steigt weltweit an, nicht nur durch höheren industriellen Verbrauch. Dabei handelt es sich bei nüchterner Betrachtung nur um ein seltenes
chemisches Element mit der Ordnungszahl 17 und einem Atomgewicht von 196,967. Seine strikte Weigerung, mit anderen Stoffen zu reagieren, wodurch es fast unzerstörbar ist, bestimmt seinen Charakter. Seinem warmen metallischen Schimmer können die wenigsten Menschen widerstehen. Es ist das klassische Schmuckmetall, und selbst Kameras legen diesen Schmuck an, wenn es etwas besonderes zu zelebrieren gilt.
Bei Hasselblad in Göteborg feiert man im nächsten Jahr fünfzig Jahre Mittelformatkamerabau und adelt dieses Ereignis mit einer limitierten Sonderserie von 700 vergoldeten Hasselblad 503 CX, die mit mitternachtsblauem Leder armiert sind. Sie sollen pro Stück rund 10000 DM kosten und werden in einer mit grauem Velourleder bezogenen Box ausgeliefert. Victor Hasselblad, Sproß des Handelshauses F.W. Hasselblad und Co., war begeisterter Hobbyornithologe und Fotograf, versuchte beides zu verbinden, was ihm aber mangels geeigneter Kamera nicht optimal gelang; er baute sich selbst eine. Die schwedische Luftwaffe hatte an dem Prototyp enormes Interesse, und so ging die erste Hasselblad, deren Konzeption man in Göteborg bis heute treu blieb, im Kriegsjahr 1941 in Serie. Schon 1987 gab es anläßlich des dreißigsten Geburtstags der 500 C eine vergoldete 500 C/M in limitierter Auflage.
Der Hasselblad-Konkurrent Mamiya aus Japan, seit sechs Jahren exklusiver Mittelformat-Kamerahersteller, feiert gleich zwei Jubiläen auf einmal. Vor fünfzig Jahren wurde das Unternehmen von Seijchi Mamiya und Tsunejiro Sugawara in einem Vorort von Tokio gegründet. Vor zwanzig Jahren gelang Mamiya der Durchbruch zu internationaler Anerkennung mit der Mamiya RB 67, von der bis heute rund 300000 Exemplare produziert wurden, was für eine professionelle Mittelformatkamera sehr beachtlich ist. Dreihundert Jubiläumskameras des neuen Typs Mamiya RB 67 Professional SD würdigen diese Ereignisse. Im Gegensatz zur bei goldenen Kameras üblichen Goldauflage von 20 Mikron Dicke 20/1000 Millimeter) bestehen die Goldteile bei der Mamiya Revolving Back (RB) aus massivem, 18-karätigem Gold, wodurch auch der relativ hohe Preis von rund 17000 DM zustandekommt. Für das Design der RB 67 Pro-SD zeichnet das berühmte Tokioter Luxus-Kaufhaus Mitsukoshi verantwortlich. Fast ebenso luxuriös wie die Kamera mutet die Verpackung an, eine Edelholzschatulle - leider aus in Japan besonders beliebtem Tropenholz mit Klavierscharnier und nostalgischem Schloß. Es gab schon einmal eine Luxusversion der RB 67: Sie hieß Golden Lizard, zu deutsch goldene Eidechse, und erschien 1985 in einer Auflage von 1000 Stück.
Im Moment notiert neu nur noch eine platinbeschichtete Minox LX mit schwerem Messinggehäuse und Vergoldung unter dem Platin-Plaque. Tausend Stück der 160 Gramm schweren Kamera suchen solvente Käufer, die bereit sind, 4000 DM dafür zu zahlen. Soll den Gabentisch ein anderes Modell schmücken, so muß man sich auf dem Gebrauchtkameramarkt umsehen. Vergoldetes ist dort zwar selten, aber mit ein wenig Glück wird der vermögende Interessent bei auf Raritäten spezialisierten Fotohändlern oder auf einschlägigen Auktionen fündig. Für deutlich unter 10000 DM wechselt heutzutage eine der 1000 Leica R3 den Besitzer, die 1979 zu Ehren des hundertsten Geburtstags von Oskar Barnack aufgelegt wurden. Etwas teurer, weil begehrter, kommt das zum gleichen Anlaß präsentierte Modell M 4-2 mit 24-karätiger Goldauflage. Die R4 durfte erst
1984 - und das sogar ohne offiziellen Anlaß - golden glänzen. In den späten Siebzigern vergoldete Rollei 1000 Kameras vom Typ 35 S, wahrscheinlich aus Dankbarkeit dafür, daß sich das Modell auch in Krisenzeiten durch sehr gute Verkaufszahlen um das Werk verdient gemacht hat. Heute kostet die begehrte Kamera mindestens 2 500 DM. Als die Braunschweiger 1982 ihre historische Identität in Form der Rolleiflex 2,8 F endgültig aufs Abstellgleis schieben wollten, gab es die 2,8 F Aurum aus Anlaß des 60jährigen Firmenjubiläums und als letztes Wort zum Thema 2,8 F für rund 5000 DM, später kam noch eine 2,8F-Platin-Edition, und so gelang es, die Zeit bis zur Wiederaufnahme der Produktion mit dem Modell 2,8 GX elegant zu überbrücken. Das klassische Goldjubiläum war auch Contax ein veredeltes Sondermodell wert. Nur 200 vergoldete Contax RTS wurden 1982 aufgelegt, eine relativ geringe Zahl, die insbesondere Sammler auf den Plan rief. Betont schlicht gegenüber der reptilbelederten Contax RTS tritt die goldene Nikon FM auf, mit der Nikon 1977 die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machte, daß Nippon Kogaku vor sechzig Jahren gegründet wurde. Kaum in Handel auftauchen dürfte die goldene Pentax Spotmatic. Etwa um 1970 bauten Japaner 100 Stück ihres beliebten Million-Sellers in Gold und verteilten sie als Demonstrationsmodelle in die Vitrinen der Niederlassungen in aller Welt. Erst zwölf Jahre später nahmen sich die Galvaniseure des 35mm-Spitzenmodells LX an und versahen 1000 Stück mit einem 24-karätigen Goldüberzug.
Fast alle berühmten Kamerahersteller mischten bei der Gold-Connection mit. Bei Minolta entstanden 1000 vergoldete Exemplare der nach Produktionsende begehrten kompakten Meßsucherkamera CLE, Minox wartete 1987 mit 1000 Stück der LX in Gold auf. Sogar die Publicity-scheue Schweizer Kameramarke Alpa rief 1982 die Investoren auf den Plan. Die nüchternen Zahlen: 750 Alpa 11si mit 10 Micron in 18 Karat für je 15000 Schweizer Franken. Die Nikon FA zählte nach unserer Einschätzung nicht zu den Erfolgsmodellen des Hauses; trotzdem wurde sie vergoldet.
Wer angesichts soviel blinkenden Edelmetalls neidische Gefühle gegenüber den glücklichen Besitzern hegt, dem seien ein paar tröstende Worte ans Herz gelegt. Die goldenen Kameras leben von ihrer glänzenden Hülle und von einem nur bescheidenen Wertzuwachs. Freude an der Fotografie und an gelungenen Bildern kann man mit ihnen nicht erleben, denn dafür sind sie zu schade - und wegen des weichen Goldüberzugs auch nicht widerstandsfähig genug. Deshalb sind sie zu einem Dasein in Vitrine oder Tresor verurteilt: Kameras im goldenen Käfig.
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