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1997

Beratung

Bestseller

Die meistverkauften Spiegelreflexkameras aller Zeiten

Produktionszahlen sind meist ein strenggehütetes Geheimnis, spiegeln sie doch Erfolg und Mißerfolg der Modellpolitik eines Herstellers wider. Nur bei Bestsellern gibt man sie nicht ohne Stolz preis. Bei Kameras sind schon lange die Japaner - zumindest in Sachen Quantität - führend, nur die Praktica mit Schraubgewinde kann da die Ehre der deutschen Kameraindustrie retten.

Im September war es soweit. Pentax konnte einen Rekord melden, der Seltenheitswert hat und heute fast nur noch von Kampaktsucherkameras übertroffen wird. Drei Millionen Stück der Basis- Spiegelreflexkamera K 1000 liefen seit 1976 vom Band, und ein Produktionsende der vor allem außerhalb Europas sehr begehrten Kamera ist noch lange nicht in Sicht. Produktionsrekorde wie dieser haben bei Pentax fast schon Tradition. In der Vergangenheit gelang es der Asahi Optical Company schon einmal, durch einen Millionenerfolg von sich reden zu machen. Das inzwischen beinahe legendäre Modell Spotmatic brachte es in allen Varianten von 1964 bis 1976 auf vier Millionen Exemplare, und das in einer kürzeren Zeit, verglichen mit der K 1000. Der Spotmatic kam allerdings zugute, daß sie in den sechziger Jahren beinahe ohne Konkurrenz war. Als erste Spiegelreflexkamera mit integrierter Belichtungsmessung durch das Objektiv war sie allein schon durch diese Innovation aus dem Metall gefräst, aus dem man Bestseller macht. Noch bevor sie Anlauf nahm, den Profimarkt zu erobern, hatte Pentax ihn schon in fester Hand, und prompt assoziierten die Heerscharen von Hobbyfotografen in aller Welt die Gleichung professionelle Fotografie gleich Spotmatic. In den siebziger Jahren verlangsamte sich der Spotmatic-Höhenflug deutlich, weil sie der technische Fortschritt inzwischen eingeholt hatte und attraktive Konkurrenzmodelle, vor allem in Gestalt der Minolta SRT und der Olympus, die Szene betraten. Pentax gelang es, mit einer Spotmatic-Variante wieder eine Nasenlänge voraus zu sein. Sie hieß ES wie Electro Spotmatic und trug der technischen Entwicklung mit einer elektronisch gesteuerten Zeitautomatik Rechnung. Offiziell wurde die ES, wie ihre Nachfolgerin ES II, allerdings als eigenständiges Modell geführt. Einen letzten stärkeren Impuls erhielt der Spotmatic-Verkauf 1973 mit der Einführung der F, die als gravierende Verbesserung eine Offenblendmessung besaß. Wegen des umständlich zu bedienenden M-42-Schraubanschlusses, der zunehmend als anachronistisch empfunden wurde, fiel das bislang erfolgreichste Pentax-Modell schließlich der K-Serie zum Opfer.
Das siebte Jahrzehnt stand im Zeichen des Umbruchs, was die Kameratechnik betraf. Mit Riesenschritten vollzog sich der Wandel von der Mechanik hin zur kostengünstiger zu produzierenden und mehr Bedienungskomfort offerierenden Elektronik. Ein Meilenstein auf diesem Wege war zweifellos die Canon AE-1, die erste Kamera, die mit einem Mikroprozessor (CPU: Central Processing Unit) für die Belichtungssteuerung ausgestattet war. Sie traf den Publikumsgeschmack auf Anhieb. Canon-typisches wie die bewährte Blendenautomatik wurde beibehalten, ein Anschluß für den Winder bewies Weitblick, denn der automatische Aufzug avancierte gegen Ende der siebziger Jahre zum beliebtesten Zubehör, ein kompatibles Blitzgerät namens Speedlite 155 A nahm der Blitzfotografie ihre Schrecken. Neben der durchdachten Konzeption überzeugte die AE- 1 durch die bemerkenswerte Tatsache, daß sie ihre Bewährungsprobe in der Hand des Verbrauchers beinahe ohne Kinderkrankheiten bestand. Trotz des anfangs hohen Preises von etwa 850 DM inklusive Standardobjektiv (1976) geriet sie aus dem Stand heraus zum Bestseller, und bis zu ihrer Produktionseinstellung im Jahre 1984 schaffte sie es, zur meistverkauften SLR-Kamera aller Zeiten zu avancieren. Nicht weniger als 4052000 Exemplare verließen das größte Kamerawerk der Welt in Tokio. Damit Übertraf die AE- 1 sogar die Spotmatic knapp, doch geschah dies in einem wesentlich kürzeren Zeitraum. Die Geschichte der AE-1 war damit noch nicht zu Ende. In einigen wesentlichen Details modifiziert und mit einer Programmautomatik versehen, machte sie als AE-1 Program weiter Furore. Von 1981 bis 1988 fanden weltweit nochmals knapp 3443000 Kameras einen Käufer. Damit ist die AE- 1 Program für einen dritten Platz in der Bestsellerliste gut. Bei Minolta sorgte die SRT-Modellreihe für einen spektakulären Verkaufsrekord in der Firmengeschichte. Rund vier Millionen Exemplare stellte das Kamerawerk in Osaka von allen SRT-Modellen von 1967 bis 1981 her.
Am Ende der sechsten Dekade lasen sich Ausstattungsmerkmale wie die TTL-Offenblendmessung, Schnellwechselbajonett, Belichtungsmesser mit CLC-Kontrastausgleich und Spiegelfeststellung wie revolutionäre Thesen, und der SRT 101, dem ersten Modell der Minolta-Erfolgsserie, gelang es, dem Hauptkonkurrenten Pentax Spotmatic Marktanteile abzujagen. Später kam das Modell SRT 303 hinzu, mit Blendenanzeige im Sucher und Mehrfachbelichtungsmöglichkeit. Ab 1973 hießen die Modelle 101b und 303b, und später fungierte die SRT 100b als Standardmodell ohne Selbstauslöser und X-Kontakt im Sucherschuh.
Letzteren bekam sie erst 1976, als sie zur 100x befördert wurde und noch eine wichtige und auch stückzahlintensive Rolle als Einsteigerkamera in das MD-System spielte, nachdem 101b und 303b bereits verschwunden waren. Die bisher aufgezählten Spiegelreflexkameras haben eins gemeinsam: Es sind, bis auf die Pentax K 1000, alles ausgelaufene Modelle, die heute fast schon als Sammlerkameras. bezeichnet werden können. Gibt es keine Bestseller mehr? Es gibt sie noch, wie die Minolta 7000 mit etwa über eine Million Exemplare in fünf Jahren beweist, doch die Luft ist dünner geworden, in der solche Höhenflüge noch möglich sind. Drei Gründe sind dafür verantwortlich. Das Kameraangebot ist heutzutage größer, die Modellzyklen fallen kürzer aus, und der Spiegelreflexkamera-Markt ist gegenüber den Boomjahren 1979/80 deutlich geschrumpft. Statt zwölf oder dreizehn Jahre Produktionszeit, früher nicht selten, beträgt die Modellkonstanz von stückzahlintensiven Kameras heute noch maximal fünf Jahre. Auch ist heute die allgemeine Innovationsgeschwindigkeit höher. Damit eine Kamera zum Bestseller avanciert, muß sie sehr preisgünstig sein und lange gebaut werden, wie die K 1000, oder der Konkurrenz ein paar Jahre technisch überlegen sein, wie es bei der Asahi Pentax Spotmatic und der Canon AE- I der Fall war. Heute zieht die Konkurrenz schneller nach. Beispiel: Autofokus 1985 noch weltexklusiv von Minolta kommend, gab es zwei Jahre später fünf Konkurrenten bei den AF-SLR-Kameras. Sicher gehört auch eine Portion Glück dazu, beim Publikum anzukommen. Als Beispiel für einen Glücksfall, was angesichts der Qualitäten der Kamera nicht diskriminierend gemeint ist, möge die Olympus OM-1 dienen. Sie kam von einem eher kleinen Hersteller, gehorchte mit ihrer konsequenten Miniaturisierung einem individuellen Konzept, das nicht auf den Massengeschmack abzielte, und wurde trotzdem mit zwei Millionen verkaufter Kameras im Zeitraum von 1972 bis 1988 ein Riesenerfolg. Hohe Preise müssen einem Verkaufserfolg auch nicht im Wege stehen, wie die Nikon F3 beweist - mit, nach unseren Schätzungen, über einer halben Million verkaufter Exemplare in zehn Jahren. Als Million-Seller der Zukunft gilt die Minolta X-300. Sie ist in vielen Ländern, auch in Deutschland, die meistverkaufte SLR-Kamera. Aus deutschen Landen kann da nur die gute alte M-42-Praktica mithalten, deren letzte Version mit vielen Modifikationen, aber gleichem Grundgehäuse von 1973 (LTL) bis 1989 (MTL 5) in über zwei Millionen Einheiten produziert wurde.

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