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Artikel
1997
Beratung
Kaufberatung: Zenza Bronica SQ-Ai - die preiswerte Alternative?
Der Preisbrecher
Die Hasselblad 500 Classic kostet heute komplett 5500 Mark, ein stolzer Preis, der viele Interessenten nach preiswerteren 6x6-Kameras suchen läßt. Eine davon ist die Zenza Bronica SQ-Ai aus Japan. Kann sie mit dem Original konkurrieren?
Der schwedische Kamerahersteller Hasselblad gibt sich in der Preisgestaltung seiner renommierten Produkte nicht gerade zurückhaltend. Schon das Einsteigermodell, die 500 Classic, kostet fotografierfertig mit Objektiv und Magazin 5500 Mark, beim jüngst lancierten Spitzenmodell scheute man sich nicht, in höchste Preisregionen vorzustoßen. Nicht weniger als 14000 Mark verlangt Hasselblad für die 205 TCC. Mit der Anschaffung der Grundausrüstung ist es allerdings nicht getan. Auch die Objektive und das Zubehör rangieren auf einem Preisniveau, das eher dem Tageshonorar angesehener Fotografen als dem Budget anspruchsvoller Amateure und Semi-Profis entspricht.
Auf der Suche nach einem Ausweg aus der Preis-Klemme stößt der Mittelformat-Kandidat zunächst auf die Produkte der Marke Rollei, die durchweg günstiger angeboten werden als elitäres Hasselblad-Werkzeug; dennoch wollen auch die Rollei-Kameras - ob 6006 oder SL 66 SE - gut honoriert werden. Einen Ausweg hält das einstige Billiglohnland Japan bereit, das mit den beiden Mittelformat-Anbietern Mamiya und Zenza Bronica die Chance eines günstigen Einstiegs in eine Profiausrüstung bietet. Während Mamiya das klassische Mittelformat 6x6 Zentimeter nur noch mit den interessanten Außenseitern Mamiya 6 und C 330 pflegt, ist Zenza Bronica im traditionellen Rollei- und Hasselblad-Revier mit dem seit Jahren erfolgreichen Modell SQ-A vertreten, die zur letzten photokina modellgepflegt wurde und nun SQ-Ai heißt. Das Überzeugendste an der Zenza Bronica SQ-Ai ist zunächst der Preis. Die Kamera kostet komplett mit dem Objektiv Zenzanon PS 2,8/80 mm und dem 120er Magazin nur 3500 Mark, das sind 2000 Mark weniger, als Hasselblad für die vergleichbare 500 C/M verlangt. Ein 50mm-Weitwinkel oder ein 150mm-Tele, beide Objektive erweitern die Grundausrüstung auf höchst sinnvolle Weise, kosten gar deutlich weniger als die Hälfte des entsprechenden Distagons oder Sonnars. Das Sparen fängt bei Bronica also nach Erwerb der SQ-Ai-Grundausrüstung erst richtig an. Ist es ein Sparen ohne Reue?
Sinnvolle Detailverbesserungen
Die Kamera wirkt jedenfalls nicht wie ein Sparmodell. Alle wichtigen Ausstattungsmerkmale wie Spiegelvorauslösung, Transportkurbel und die am Magazin einstellbare Filmempfindlichkeit sind vorhanden. Letzteres hat die Hasselblad 500 C/M nicht zu bieten, erst die 205 TCC besitzt eine solche Einrichtung. Bei der Zenza Bronica wird die Möglichkeit der direkten und automatischen Übertragung der Filmempfindlichkeit vom Magazin auf die Kameraelektronik allerdings erst sinnvoll, wenn die Kamera mit dem AE-Prismensucher S ausgestattet ist. Erst dann besitzt sie die Möglichkeit der Belichtungsmessung und die zusätzliche Funktion eines Zeitautomaten, der nach Vorwahl der Blende automatisch die Verschlußzeit steuert. Diese Filmempfindlichkeitseingabe wurde beim neuen 120er SQ-i-Magazin zur SQ-Ai deutlich verbessert. Günstig plaziert neben dem Memohalter für die Filmlasche reicht sie nun von ISO 15/25xGRADx bis ISO 6400/39xGRADx und verfügt außerdem über eine integrierte Belichtungskorrektur (Override) von plus zwei bis minus zwei Belichtungswerten in drittel Blendenstufen. Eine neu konstruierte Transportkurbel vereinfacht das Filmeinlegen.
Das Fotografieren mit der neuen Zenza Bronica wird bereits mit der Standardkamera ohne Prismensucher zum großen Vergnügen. Sie liegt ähnlich gut in der Hand wie die Hasselblad, das Objektiv läßt sich hervorragend Fokussieren, und die optimale Schärfe ist dank der hellen Einstellscheibe für geübte Fotografen schnell gefunden; nur bei schlechtem Licht ist es erforderlich, die Klapplupe zu Hilfe zu nehmen.
Auch das Einstellrad für die Verschlußzeiten auf der linken Seite der Kamera läßt sich angenehm bedienen, ein Unterschied zur Hasselblad übrigens, die ja ebenfalls eine Zentralverschlußkamera ist und als solche den Einstellring für die Verschlußzeiten direkt am Objektiv trägt. Mehrfachbelichtungen lassen sich mit der Zenza Bronica SQ-Ai einfach nach Umlegen des entsprechenden Hebels vornehmen. Weniger gut gelöst wurden die Entriegelung für das Objektivbajonett und für den Wechselsucher nicht nur, daß sie sich zum Verwechseln ähnlich sehen, sie sind außerdem schwergängig und schlecht zu greifen.
Trotz Verwendung vieler Kunststoffteile für die äußere Beplankung des Gehäuses kommt nicht das Gefühl minderer Qualität auf. Die Kamera wirkt durchaus solide, und sie unterstreicht diesen Eindruck mit ihrem respektablen Gewicht, wenngleich die Hasselblad in Material- und Verarbeitungsqualität wie in der optischen Wirkung die mit Abstand gediegenere Kamera ist.
Erstaunlich gute Bildqualität
Der Schritt von der SQ-A zur SQ-Ai bedeutete auch die Einführung der TTL-Blitzmessung auf der Filmebene in Verbindung mit dem SCA-Adapter 386 und einem kompatiblen Blitzgerät. Gerade mit einer Zentralverschlußkamera, die über alle Verschlußzeiten blitzsynchronisiert, wird häufig mit Studioblitzanlagen und Blitzgeräten gearbeitet; die TTL-Steuerung rundet die besondere Blitz-Eignung dieses Kameratyps daher nur ab. Ebenfalls neu in Verbindung mit der SQ-Ai ist der besonders leichte und leistungsfähige ansetzbare Motor, der angesetzt auch die Energieversorgung der Kamera übernimmt.
Beeindruckend fiel die Schärfe der Bilder aus, die mit den drei neuen PS-Objektiven 2,8/80 mm, 3,5/50 mm und 4/150 mm aufgenommen wurden. Zumindest in der Praxis wie es meßtechnisch aussieht, wird ein späterer Test genau klären - sind keine Unterschiede zu den vergleichbaren Zeiss-Objektiven feststellbar. Dies legt die Vermutung nahe, daß auch die außerdem lieferbaren zehn Objektive, von denen zwei Schneider-Varios sind, einen ähnlich hohen Qualitätsstandard haben.
Zenza Bronica gehört zu den Marken, deren Produkten man zunächst ob des günstigen Preises mit Skepsis gegenübersteht und die dann bei täglicher Benutzung mehr und mehr gewinnen. So erwies sich die Begegnung mit der SQ-Ai als unerwartet erfreulich. Trotz ihres günstigen Preises vermittelt sie ein gutes Qualitätsgefühl, ihre Ausstattung ist reichhaltig, die Objektive brauchen den Vergleich mit den Besten nicht zu scheuen. Konzeptionen ging man in Japan moderne Wege und setzte Elektronik für die Verschlußsteuerung ein, die auch den Bedienungskomfort der Zeitautomatik beim AE-Prisma ermöglicht. Zu bemängeln bleiben Kleinigkeiten wie der trotz abermaliger Dämpfung immer noch sehr laute Spiegelschlag, manch zu kleines Bedienungselement oder die etwas hakende Transportkurbel. Ein AE-S-Prisma mit umschaltbarer Spotmessung stünde noch auf der Wunschliste des Bronica-Fotografen, der sich am günstigen Preis der SQ-Ai auch beim Zubehör und bei späteren Objektivanschaffungen noch weiter freuen darf.
Prisma - kein Muß
Obwohl damit eine wichtige Funktion, für die die Kamera bereits von Haus aus vorbereitet ist, brachliegt, stellt die Anschaffung des mit rund 1400 Mark recht teuren Automatik-Prismensuchers keinen Zwang dar. Mittelformat-Puristen erfreuen sich am Lichtschachtsucher, der eine bewußtere Sehweise erlaubt, als man dies von Kleinbildkameras her gewohnt ist, und die oft zu besseren Bildern führt. Das Geld ist besser in ein zusätzliches Objektiv investiert, insbesondere dann, wenn ein hochwertiger Belichtungsmesser bereits vorhanden ist.
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