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Artikel
1997
Kaufberatung
Exklusive Kompaktkameras
Die letzten Mohikaner
Das riesige Angebot der Kompakt-Sucherkameras wirkt trotz aller markentypischen Unterschiede in Technik und Ausstattung recht uniform. Mit drei Modellen kann man allerdings der Monotonie der Autofokus-Kompakten entkommen: Contax T2, Minox 35 GT-E und Rollei 35 Classic sind reizvolle Alternativen zum Autofokus-Einheitsangebot. Ein Vergleich der exklusiven Exoten soll klären. welche Kamera die beste Empfehlung darstellt.
Trotz der Konica Big Mini, die sich gefährlich den miniaturisierten Minox-Maßen angenähert hat und obendrein sogar noch eine automatische Scharfeinstellung sowie einen eingebauten Blitz offeriert, bleibt die Minox 35 nach wie vor die kleinste Kleinbildkamera der Welt. Für viele Interessenten ist allein diese Qualifikation das Kaufargument, läßt sich die Kamera doch spielend in jeder Hemden- oder Hosentasche unterbringen.
Das Spitzenmodell 35 GT-E mit nunmehr mehrschichtvergütetem vierlinsigem Objektiv besticht allerdings nicht nur durch die unerreicht kleinen Maße und das geringe Gewicht. Das klassische Minox-Design, seit der 35 EL von 1974 im wesentlichen unverändert und nur mit Noppenstruktur und einigen roten Applikationen dem Zeitgeschmack der Neunziger angeglichen, gefällt nach wie vor. Die jetzt wieder steigenden Verkaufszahlen der Minox 35 beweisen dies. Getreu dem alten Minox-Slogan "die Kamera, die nie zu Hause bleibt", erfüllt die GT-E am mühelosesten - von dem Kleinstbildmodell LX einmal abgesehen - die Rolle des ständigen Begleiters und des fotografischen Notizbuchs, auch wenn der Fotograf gerade für diesen Zweck des Allzeit-Bereitseins das eingebaute Blitzgerät vermißt.
Das Fotografieren mit der 35 GT-E bereitet viel Vergnügen, auch wenn die sehr kleinen Bedienungselemente vom Fotografen erhöhte Aufmerksamkeit verlangen. Blenden- und Fokussierring sind sehr schmal, und auch die Tasten für die Belichtungskompensation bei Gegenlicht und für den Selbstauslöser sind nicht eben einfach zu bedienen. Ein Tribut an die Winzigkeit der Kamera, die ansonsten zum Fotografieren geradezu herausfordert, weil man mit ihr unauffällig arbeiten kann und weil die Synthese aus Handlichkeit, schönem Design und solider Qualität dazu verleitet, die Kamera immer wieder in die Hand zu nehmen. Der Verzicht auf Autofokus und Programmautomatik, wie er in der Kompaktklasse selten geworden ist, kommt nicht nur der Größe und dem Gewicht der Kamera zugute.
In dieser Beschränkung auf das Wesentliche liegt die Chance für die gestalterische Fotografie. Der Fotograf wirkt auf das Endergebnis Bild gezielt ein. Er bestimmt durch Vorwahl der Blende Schärfentiefe und Verschlußzeit. Er weiß dank der Anzeige im Sucher, welche Verschlußzeit die Kamera wählt und überläßt so nichts dem automatisierten Zufall. Die Zeitautomatik sorgt obendrein für eine relativ große Sicherheit bei Schnappschüssen.
Die Kehrseite der Medaille liegt im Verlust hundertprozentiger Narrensicherheit, sie geht zwangsläufig im Zuge der Eingriffsmöglichkeit auf die Belichtungsvorgänge- trotz Warneinrichtungen- verloren. Doch versierte Fotografen werden mit der 35 GT-E keine Probleme haben, und Anfänger brauchen nur eine kurze Eingewöhnungszeit, um die Kamera, der übrigens eine sehr instruktive Bedienungsanleitung beiliegt, zu beherrschen. Mehr Kummer macht einem da schon die korrekte Scharfeinstellung, die ja weder automatisch erfolgt noch über einen Entfernungsmesser ermittelt wird.
Problem ohne Entfernungsmesser
Der Minox-Fotograf ist auf die gute alte Schätzmethode angewiesen und wird mit ihr auch allein gelassen. Da hilft auch die in der Bedienungsanleitung zitierte Krücke der Schärfentiefe nicht weiter. Zwar hat das 35mm-Objektiv der Minox eine von Haus aus große Schärfentiefe. Bei Blende 8 reicht die 5-Meter-Einstellung am Objektiv aus, um von 2,5 Meter bis unendlich in der Schärfenzone zu bleiben. Doch die hohen optischen Reserven des mehrschichtvergüteten Vierlinsers zeigen sich natürlich am besten bei möglichst exakter, im Idealfall punktgenauer Einstellung. Als Hilfsmittel bietet sich ein Aufsteckentfernungsmesser alter Machart an, wie er gelegentlich in den Gebrauchtabteilungen größerer Fotohändler auftaucht. Auch die Rollei 35 Classic, immerhin deutlich über 2000 Mark teuer, bietet keine Lösung des Fokussierproblems an. Auch bei ihr gilt es, nach der guten alten Schätzmethode zu verfahren, welche besonders bei Einstellungen unter drei Meter und bei schlechten Lichtverhältnissen aufgrund großer Blenden zu unscharfen Fotos führt. Dabei hat gerade diese Kamera mit dem mehrschichtvergüteten Sonnar 1:2,8/40 mm, das aus fünf Linsen in vier Gruppen besteht, die besten Chancen, scharfe Bilder zu erzielen.
Rollei-Rezepte: Mechanik und Metall
Die 35 Classic ist das face-geliftete Remake der guten alten Rollei 35 S, die es seit 1974 gibt und die dem Schwestermodell T das fünflinsige Objektiv mit höherer Anfangsöffnung voraus hat. Die jüngere Entwicklungsstufe, die 35 SE mit Leuchtdiodenanzeige, übersprangen die Braunschweiger Konstrukteure bei der Neuauflage Classic erfreulicherweise, denn als "klassisch" ist nur die Meßnadelanzeige im Gehäusedeckel der Ur-35 zu bezeichnen, bei der der Belichtungsabgleich, bei Deckungsgleichheit von Meßnadel und Nachführzeiger, kreuzgekuppelt mit Blenden- und Zeiteneinstellrad erfolgt.
Der Blitzschuh wanderte bei der Classic nach oben, und das Gehäuse präsentiert sich in edlem Titan- und Platin-Materialmix und wirkt damit ungleich wertvoller als die preiswerten Vorgängermodelle der siebziger Jahre. Bestechend ist auch heute noch die Kompaktheit der Kamera, das solide Genzmetallgehäuse wurde um die Kleinbildspule und die Filmbühne herumkonstruiert.
Philosophisch betrachtet liegen Minox 35 GT-E und Rollei 35 Classic weiter auseinander, als man denkt. Das Metallgehäuse findet sein adäquates Pendant in der komplizierten Mechanik der Rollei 35 Classic, beides Dinge, die sich im Preis ebenso enorm niederschlagen wie im Gewicht. Während die Minox als nüchterne, aber schön geformte Gebrauchskamera auftritt, hat die Rollei eindeutigen Luxuscharakter. Sie nimmt weniger die Funktion des fotografischen Notizbuchs wahr, sondern ist vielmehr eine Kamera, mit der man bewußt gestalterisch fotografiert. Eine Zeitautomatik wird der Rollei-35-Fotograf deshalb kaum vermissen. Ihm bleibt alles selbst überlassen.
Traditionelle und moderne Ausstattungsmerkmale verbindet sie Contax T2 in idealer Weise. Die 1500 Mark teure Kamera bietet einen abschaltbaren Autofokus. Zum manuellen Einstellen der Entfernung dient der Fokussierknopf, der ähnlich wie bei der Voigtländer Prominent - rechts auf der Kameraoberseite angeordnet ist. Ein Fokusindikator im Sucher übernimmt mittels LED die Funktion, die beim Vorgängermodell Contax T noch der Schnittbildindikator hatte.
Markiert die Minox 35 GT-E gegenüber der nostalgischen Rollei 35 Classic schon milden Fortschritt, der sich in der Zeitautomatik und in der elektronischen Verschlußsteuerung äußert, so repräsentiert die Contax T2 den Status Quo in der mikroprozessorgesteuerten Kameraelektronik, ohne sich auf technische Spielereien einzulassen. Die Zeitautomatik denkt mit und korrigiert den Fehler des Fotografen, der eine Blende vorgewählt hat, deren äquivalente Verschlußzeit außerhalb des Arbeitsbereichs liegt. In diesem Fall tritt der sogenannte Programm AE-Modus in Kraft, der selbsttätig die korrekte Zeit-Blenden-Kombination ansteuert. Ein Meßwertspeicher hilft, auch bei kontrastreichen Motiven richtig zu belichten. Das deutlich mittenbetonte Belichtungsmeßsystem der Contax T2 erfährt durch eine Belichtungskorrekturmöglichkeit von plus/minus zwei Blendenstufen zusätzliche Unterstützung.
Ebenso wie bei Minox 35 GT-E kann der Fotograf die Zeitautomatik entweder direkt zur Festlegung des Schärfentiefenbereichs einsetzen oder indirekt über sie kurze Verschlußzeiten für Schnappschüsse und Action-Fotos herbeiführen. Wie Minox 35 GT-E und Rollei 35 Classic fällt auch die Contax T2 positiv als Gesicht in der Menge der bis auf wenige Ausnahmen anonymen Flut der Kompaktsucherkameras auf. Die Kamera wirkt ausgesprochen edel, die Gehäusekappen bestehen aus Titan, der Kern ist weitgehend aus glasfaserverstärktem Kunststoff gefertigt.
Die Contax T2 käme nicht von Kyocera, rundeten nicht ein paar ausgefallene Features das positive Bild der Kamera ab. Sucherokular und Sucherfrontglas sind aus Saphirglas gefertigt, wie es auch die Gläser teurer Armbanduhren sind. Auch der Filmandruckplatte widmete man nach Art des Hauses besondere Aufmerksamkeit, sie besteht - wie könnte es bei Kyocera anders sein aus Keramik.
Gelungene Synthese: Contax T2
Der Auslöser ist genauso wie bei der Vorgängerin Contax T aus einem künstlichem Saphir gefertigt. Gemeinsam mit der T hat die T2 außerdem das Objektiv. Das Sonnar 2,8/38 mm mit T-Stern-Vergütung ist der direkte Nachkomme des Sonnar 2,8/40 mm aus der Rollei 35 S.
Mit ihm teilt es den fünflinsigen Aufbau in vier Gruppen und die hervorragende Güte in der Abbildungsqualität. Letztere läßt sich bei der Contax T2 entweder dank definierter manueller oder dank korrekter vollautomatischer Scharfeinstellung voll ausschöpfen.
Wenn rein sachliche Argumente unter dem Strich die Hauptrolle spielen, gebührt der Contax T2 wegen ihres ausgeklügelten Belichtungsmeßsystems und der problemlos exakten Scharfeinstellung der Sieg unter den drei exklusiven Kompaktkameras. Die Verbindung traditioneller Ausstattungsmerkmale mit modernen Features fällt bei dieser Kameras besonders überzeugend aus. Problemlose Fotografie läßt sich bei ihr durchaus mit gestalterischen Ambitionen verknüpfen. Man hat bei der Contax T2 ganz und gar nicht den Eindruck, zu einem bloßen "Auslöser" degradiert zu werden.
Viel Fotografierspaß für vergleichsweise wenig Geld offeriert dagegen die Minox 35 GTE. Sie ist vor allen Dingen vom Preis her eine ausgezeichnete Alternative zu den Autofokus-Kompakten der gleichen Klasse. Die Kreativität kommt bei ihr nicht zu kurz, und soviel Exklusivität für so wenig Geld gibt es sonst nirgends. Beachtlich ist auch die optische Leistung des Vierlinsers, der bei praktischen Aufnahmen die Konkurrenz der Fünflinser nicht zu scheuen brauchte und der darüber hinaus - wie bei der Contax T2 - schon ab 70 Zentimeter fokussierbar ist.
Die Rollei 35 Classic bietet objektiv am wenigsten für das meiste Geld innerhalb dieser Vergleichsgruppe. Ihr konstruktives Bekenntnis zu traditionellen Werten wie Metall und Mechanik macht sie zur Besonderheit, und damit zielt sie eindeutig in Richtung Leica M6. Weil es eine vollmechanische Kompakt-Leica nicht gibt, paßt die Rollei 35 Classic so hervorragend in diese Nische.
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